Neuinszenierung
des
Brandner Kaspar am Münchner Volkstheater
Ursprünglich stammt die Geschichte des Brandner Kaspars von Franz Ferdinand von Kobell (1803-1882). Sie umfasst nur wenige Seiten und erzählt von einem Büchsenmacher am Tegernsee, den der Tod holen will. Die Erzählung wurde mehrfach dramatisiert und auch mit Carl Wery und Paul Hörbiger verfilmt. Kurt Wilhelm, ein Urgroßneffe Kobells, schrieb 1974 eine Bühnenfassung, die am 7. Januar 1975 am Bayerischen Staatsschauspiel unter Intendant Kurt Meisel Premiere hatte. Bis zur Spielzeit 2001/2002 trat in mehr als 900 Aufführungen der unlängst verstorbene Toni Berger in der Rolle des Boandlkramers auf. Eine Programmlinie des Münchner Volkstheaters widmet sich Stoffen, die im Bayerischen beheimatet sind, wie der Geierwally und dem Räuber Kneißl - und jetzt dem Brandner Kaspar. Schon seit Längerem waren Kurt Wilhelm und Christian Stückl wegen des Brandner Kaspar im Gespräch. Anfang 2005, nachdem die Geierwally abgespielt war, einigten sie sich schließlich auf eine Neuinszenierung am Münchner Volkstheater. "Ganz anders als im Jedermann wird im Brandner Kaspar die ewige Angst des Menschen vor dem Tod mit Witz und Ironie behandelt", sagt Christian Stückl. Ebenfalls habe ihn eine Neuinszenierung des Stoffes in Zusammenarbeit mit den Riederinger Musikanten gereizt. Wie schon beim Jedermann in Salzburg hat sich Christian Stückl bewusst dazu entschieden, den Tod mit einem jungen Schauspieler zu besetzen. Den Boandlkramer wird Maximilian Brückner spielen, der zuletzt als Räuber Kneißl am Münchner Volkstheater zu sehen war, bei den Salzburger Festspielen den Mammon im Jedermann gespielt hat und im Kino bekannt wurde mit dem Film Männer wie wir. In der Titelrolle wird Alexander Duda zu sehen sein. Als Porter wird Peter Mitterrutzner besetzt, der ebenfalls dem Münchner Volkstheater schon lange verbunden ist. Markus Brandl spielt Simmerl, Florian Brückner die Figur des Florian, Ursula Burkhart spielt Therese und Hubert Schmid spielt den Erzengel Michael. Regie: Christian Stückl ; Bühne: Alu Walter ; Kostüme: Ingrid Jäger ; Premiere: 7. April 2005 Pressemitteilung Münchner Volkstheater, 22. Februar 2005 Premiere am 7. April 2005 275. Vorstellung zum 10-jährigen Jubiläum der Premiere am 7. April 2015
Der
Brückner'sche Boandlkramer ist eine wuide "Mischung aus Pumuckl,
Marilyn Manson und Gollum"
Sie sollte Recht behalten: Maximilian wurde - unter anderem mit einem Text aus dem weihnachtlichen Hirtenspiel, das er schon seit seiner Kindheit kennt - nach dem Vorsprechen angenommen (und Insider wissen, wie hoch diese Hürde ist). "Und jetzt also der Boandlkramer. Wie wird er denn aussehen?" Brückner lacht: "So viel kann ich Ihnen sagen: ganz anders als Toni Berger. Und: meine eigene Mutter würde mich nicht wiedererkennen." Rolf May, Abendzeitung, 2. April 2005 Einmal Fegefeuer und zurück - Christian Stückl über den neuen "Brandner Kaspar" am Volkstheater und die eigene Angst vorm Sterben Es ist das Volksstück schlechthin, Klassiker und Mythos zugleich - wer sich an ihm versündigt, darf nicht auf Gnade hoffen. Volkstheater-Intendant und Regisseur Christian Stückl, 42, bringt am 7. April einen neuen "Brandner Kaspar" heraus. Nach über 900 Aufführungen des Stücks im Residenztheater und dem Tod des legendären "Boandlkramers" Toni Berger ein gewagtes Unterfangen. Welt am Sonntag: Ist es wahr, daß Sie den "Brandner Kaspar" gar nicht machen wollten? Christian Stückl: Ich hatte lange keine Beziehung zu dem Stück. Das Stück hat Sie eingeholt? Stückl: Es hat sich praktisch aufgedrängt. Das ging los, als Dieter Dorn von den Kammerspielen ans Residenztheater ging und den "Brandner" nicht mehr machen wollte. Da kam am Resi die Idee auf: "Das Stück paßt doch zum Stückl rüber!" (Lacht.) Aber meinen Spielplan wollt' ich ganz gern selber machen ... Aber der "Brandner" paßt doch gut ins Volkstheater, zu den anderen bayerischen Stücken wie der "Geierwally" und dem "Räuber Kneißl"! Stückl: Na, aber er ist trotzdem etwas anderes, ganz Spezielles - mit seiner ewigen Tradition und den über 900 Aufführungen am Residenztheater. Gibt es da so etwas wie eine Angst vorm Mythos? Stückl: Angst nicht. Aber eine Herausforderung ist es, klar. Als ich den Text das erste Mal gelesen hab', in einem Münchner Wirtshaus, saßen vis-à-vis zwei 25jährige Buben. "Was lesen S' denn da", fragt mich der eine. "Den "Brandner Kaspar", hab' ich gesagt. Daraufhin hat er mir eine Viertelstunde lang Toni Berger nachgespielt. Ich selber kenn' mittlerweile bestimmt 30 Leute, die haben das Stück zehn Mal gesehen. Es ist so oft im Fernsehen gelaufen, so in den Köpfen der Münchner drin ... ... daß man nichts mehr besser machen kann? Stückl: Es gibt da eine Erwartungshaltung, die ist enorm. Außerdem besteht immer die Gefahr, daß man in den Kitsch abrutscht. Ist ja auch schön: die Vorstellung, daß es so etwas wie eine Versöhnung mit dem Tod gibt. Stückl: Ja, am Ende verbindet den Tod tatsächlich so etwas wie Freundschaft mit dem Brandner Kaspar. Gerade haben wir das Ende geprobt, wo es heißt, daß der Brandner ins Fegefeuer muß. Das ist eine Szene, in der der Tod fast heult, weil er den Brandner halt so gern mag, und wo er gar nichts Fürchterliches mehr hat. In Wirklichkeit ist der Tod wahllos und gemein, Stichwort: Tsunami, Stichwort: Terror. Stückl: ... und privat schieben wir ihn immer weiter weg! Als mein Großvater im Sterben lag und wir ihn aus dem Krankenhaus nach Hause geholt haben, haben die Ärzte gesagt: "Lassen Sie ihn doch da" - da ist mir aufgefallen, daß sogar die Ärzte den Tod verdrängen. Der Boandlkramer aber ist und bleibt ein Hit? Stückl: Ich glaube, es ist die Freude, daß es jemand schafft, den Tod zu überlisten. Ihn zumindest für eine Zeit beiseite zu schieben. Das mögen die Leute. Maxi Brückner, Ihr "Boandlkramer", ist mit 26 ziemlich jung. Ist das Absicht? Die Antithese zu Toni Berger? Stückl: Ich hab' schon vor dem Tod vom Toni Berger gesagt, daß ich auf jeden Fall einen jungen Schauspieler für die Rolle haben will. Einen, der gar nicht in die Gefahr kommt, wie ein Alter zu spielen, denn der Tod hat in meinen Augen etwas Starkes, Gewalttätiges. Sie haben schon die Passion in Oberammergau, den "Jedermann" in Salzburg inszeniert. Haben Sie eine Vorliebe für Moribundes? Stückl: Mein Weg zum Theater hat viel mit dem Passionsspiel zu tun. 1977 zum Beispiel hat einer einen alten Barocktext ausgegraben, da war alles drin: Himmel und Hölle, Tod und Teufel. Ich war hin und weg. Aber es ist mehr das Mysterienspiel, weniger der Tod, was mich fasziniert. Haben Sie Angst vorm Tod? Stückl: Wenn ich es mir überlege, hab' ich eigentlich mehr Angst vorm Sterben. Vorm Siechtum. Es heißt ja immer, daß wir das Leiden annehmen müssen. Aber ich weiß gar nicht, ob ich die Kraft dazu hab'. Eigentlich, denk' ich, würde ich mir das lieber ersparen. Hermann Weiß, Welt am Sonntag, 3. April 2005 Wo der Tod noch jung ist - Warum und wie Regisseur Christian Stückl den "Brandner Kaspar" am Volkstheater inszeniert Sehr jung ist dieser Boandlkramer, der auf der Bühne herumspringt. Zwar ein wenig bleich um die Nase, aber mit wachen Augen. Keck trägt er einen bunten Schal um den Hals, der die warmen Farben des herumliegenden Herbstlaubs wiederholt. Sein Darsteller Maximilian Brückner schüttelt wie ein Hardrocker das schwarze, schüttere Langhaar seiner Perücke, balanciert auf seinem Großzeh den verbeulten Zylinder des Totenkostüms, grinst schelmisch. "Ganz uneitel ist der Tod nicht", betont er. Und Regisseur Christian Stückl klatscht begeistert in die Hände: So soll er’s machen, wenn der Boandlkramer allmählich trunken und "lallert" wird vom Kerschngeist. Beide haben sichtlich Spaß bei der Kostümprobe für das Volksstück "Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben", das am Donnerstag, 7. April, Premiere im Volkstheater haben wird. Der personifizierte Tod ist seit dem Spätmittelalter ein zentrales Thema in Europa. Krisen, Kriege, Seuchen und Siechtum rückten die menschliche Hinfälligkeit ins Zentrum des Bewusstseins. Besonders eindrucksvolle Formen des Memento-mori-Motivs entstanden im katholischen Bayern: der Sensenmann in Altötting, die Totentanzkapelle in Straubing, Franz Xaver Schönwerths oberpfälzische Märchen- und Sagensammlungen. Oder die theatralische Bußdramaturgie in der Asamkirche in der Sendlinger Straße in München: Im Dämmerlicht steht der Besucher umfangen von knöchernen Anspielungen auf Tod und Gericht; über einem Beichtstuhl erhebt sich die Simultanfigur des Cenodoxus aus Stuck, der angesichts seines eigenen Schicksals im Sarg erschaudert. Ein Schriftband zitiert Jacob Bidermanns predigthaftes Jesuitendrama: "Mors peccatorum pessima" - der Tod der Sünder ist besonders schrecklich. "Ja", bestätigt Stückl, "die Kirche wusste zu früheren Zeiten mit Showeffekten umzugehen. Diese Figuren funktionieren." Doch der Regisseur wehrt auch ab: "Es geht nun gar nicht ernsthaft um die letzten Dinge: Die Figur des Boandlkramers hat einen Auftrag, der misslingt, es folgt ein Anschiss." Das Stück drehe sich um Kartenspielen und Schnapstrinken, man müsse nicht "ganz tief hineingraben" in die Höhle mit den Lebenslichtlein, in die Tiefen menschlicher Existenz. Es reicht zurück auf die kurze "G’schicht vom Brandner Kaspar" des Münchner Universitätsprofessors Franz von Kobell, der als Begründer der bairischen Dialektdichtung im modernen Sinn gilt. Die Mundarterzählung wurde mehrfach für die Bühne und das Fernsehen dramatisiert, zuletzt 1974 von Kurt Wilhelm, Kobells Urgroßneffen. Der unlängst verstorbene Toni Berger ließ mehr als tausend Mal in fast 30 Jahren den Tod am Bayerischen Staatsschauspiel und auf Tourneen lebendig werden. Ohne Zweifel hat er das Bild vom Boandlkramer mit der brüchigen Stimme geprägt. Noch im Dezember 2003* konnte sich Stückl in einem Gespräch überhaupt nicht vorstellen, jenen "weiß-blauen Barockhimmel" über die karge Bühne des Volkstheaters zu hängen. Er wollte nicht ständig als der "katholischste unter den deutschsprachigen Regisseuren" oder der "Spezialist fürs Bajuwarentum" in eine folkloristische Ecke gestellt werden, "wo's Herzerl dann hupft". Brückner sollte den Mackie Messer in Brechts "Dreigroschenoper" spielen, doch gab es Schwierigkeiten, die Rechte zu bekommen. "Und wenn etwas in der Luft ist, kriegt man es nicht mehr los." Zwar verneinte Stückl vor anderthalb Jahren noch, den "Brandner Kaspar" inszenieren zu wollen, beschäftigte sich jedoch schon damals im Laufe des Gesprächs immer mehr damit: Auf jeden Fall müsse der Tod "radikal jung" gezeigt werden, fand er. Den Schlosser, Büchsenmacher und halblegalen Forstmeister sah er "übermütig und viel rebellischer als ein netter Opa". Im dritten Akt sollte man ihm "das ewige Leben ansehen können". Jetzt wird Alexander Duda die Hauptrolle verkörpern. Konkret soll er zeigen, "wo der Mensch in den Rausch hinein rutscht, wo er mit dem Tod spielt, wo er mit seinem Leben landet". So recht in der paulinischen Theologie verwurzelt, will sich Stückl "kein Bild vom Himmel machen". Die Idee des Stücks sei vielmehr die Frage, was den Brandner Kaspar auf Erden halte und was im Jenseits: "Dass es nie anders ist: Die selben Bazis! Die gleichen Hundskrippeln!", feixt Stückl, "auch den Preußen im Himmel gibt es schon auf Erden." Die Riederinger Musikanten werden als Putten Blasmusik schmettern, die Figur Nantwein soll wie eine Vorzimmerdame agieren. Aus Salzburg hat Stückl die Erfahrung mitgebracht, dass "Leute, die nicht an einen personifizierten Tod glauben, doch mit der Handlung mitgehen, weil sie doch alle betrifft". Dort hat er mit der Tradition gebrochen, den Darsteller in ein Skelettkostüm zu stecken. Jens Harzer spielte im "Jedermann" fast nackt, mit einer grau marmorierten Ganzkörperschminke, die ihn nur wenig von den steinernen Figuren am Dom abhob. Nur aus seinem Mund züngelte es blutig rot. Die Zuschauer nahmen seine Interpretation an, und darauf setzt Stückl wieder. Natürlich kennt er die Kritikerschelten, die Wilhelms Stück als "Semmelschmarrn" abtun. Doch ist dieses Gericht nicht nahrhaft und immer wieder mit neuen Beilagen spannend variierbar? Eva Maria Fischer, Süddeutsche Zeitung, 5. April 2005
Etwas Anständiges sollte er lernen. Und Maximilian Brückner wollte Medizin studieren. Stattdessen schickte ihn die Mutter zum Vorsprechen an der Münchner Otto-Falckenberg-Schule. Nein, diese Geschichte ist nicht falsch herum erzählt, sie geht, entgegen allen Erwartungen, tatsächlich so. Wie kann das sein? "I woaß ned", lacht der blonde Kerl im grauen Strickjanker. "Ich hab daheim im Dorf im 'Zigeunerbauern' mitgespielt. Und das kam unheimlich gut an", sagt er mit seiner heiser-rauen Stimme, und sein Lausbubengesicht blickt unsicher drein, entkräftet jeden Verdacht auf Koketterie.
Zur
großen
Festivität
zum 75. Geburtstag vom Bandner kommt sogar die Base Theres
von weit her zum Gratulieren, die Riederinger
Musikanten halten sich ans Freibier und der Bürgermeistl
Senftl bringt an grossen Freßkorb und a no grössere Rede
mit. Dann gibts noch an wuiden Tanz und beinah a gscheite
Rauferei.
Und ganz uneingeladen schaut a der Boandlkramer vorbei - und nimmt Brandners Enkelin, die Marei mit, indem er an Schuß vom Flori umlenkt ... weil irgendwie müssen die fehlenden 18 Jahre ja eingebracht werden ... -
- Pause - -
Fotos: Münchner Volkstheater, Gabriela Neeb
& Arno Declair
Franz von Kobell würde es
mögen
Für einen "Preußen", der bayerischen Mundart nicht mächtig, mit einem gespaltenen Verhältnis zu (volks-)tümelndem Theater a là Millowitsch oder Ohnsorg, konnte der Brandner Kaspar nur eine Herausforderung sein. Und da man als Kritiker möglichst objektiv sein möchte, schien es geraten, sich die kurze Novelle des Professors für Mineralogie Franz von Kobell anzuschauen. Ausgangs des 19. Jahrhundert verfasst, bündelt es Kobells ganzes Themenspektrum, bestehend aus Natur, Jagd, Liebe und alkoholischen Getränken. Die Geschichte ist einfach erzählt. Der Brandner Kaspar wird im zweiundsiebzigsten Lebensjahr vom Boandlkramer heimgesucht, der ihn abberufen will. Ein Preuße braucht da schon seine Zeit, um herauszufinden, dass es sich um einen Gebeinhändler, also um den personifizierten Tod handelt. Der Brandner, noch voller Saft und Kraft, verführt den grausigen Gesellen zu einem Trinkgelage und spielt mit gezinkten Karten um weitere 18 Lebensjahre. Doch bald schon muss er einsehen, dass der Handel nicht den versprochenen Gewinn bringt. Er sieht seine Nächsten nach und nach abtreten und bleibt allein zurück. Im Himmel wird die Geschichte ruchbar und der Boandlkramer erhält den Auftrag, den Brandner augenblicklich heimzuholen. Er beschwatzt den Brandner, doch einmal einen Blick ins Paradies zu werfen. Gesagt und getan entscheidet sich der Brandner stehenden Fußes für den Einzug in dasselbe. Der Tod hat seinen Schrecken verloren und das ist auch die ganze Botschaft der Geschichte. Intendant und Regisseur Christian Stückl gab denn auch vorab eine Einführung, in der er mehr von sich als vom Brandner sprach. Er ließ das begierigen Publikum wissen, wie er zu diesem Stück kam und konnte eigentlich keine rechte Antwort darauf geben. Es klang wie die Geschichte von der Jungfrau und vom Kind und so unwahr schien es nicht zu sein, denn kein bayerischer Volkstheaterintendant kommt an diesem Stück auf Dauer vorbei. Schon gar nicht, wenn das Haus in München steht, wo die Menschen unter einem Volkstheater gleichsam ein Mundarttheater verstehen. (Laut Statistik sollen es 80 Prozent sein.) 26 Jahre lief es bis vor kurzem im Residenztheater, zumeist ausverkauft. Alles das ist nicht sehr ermutigend für einen Kritiker, der aus "Preußen" stammt. So hieß es, sich vorbehaltlos und unvoreingenommen hinein zu begeben in das Abenteuer. Das Ergebnis war mehr als überraschend. Stückl hat die dramatische Vorlage von Kurt Wilhelm entschlackt und zeitgemäß aufgepeppt, ohne die Volksseele zu enttäuschen. Die daraus resultierende Dramaturgie kann als Gewinn für das Stück verbucht werden. Er nahm sogar einen Preußen in das Spiel auf und schuf damit die Möglichkeit zu aktuellen politischen Spitzen. Das ist echtes Volkstheater, siehe Shakespeare. Drei Stunden und zehn Minuten schlugen die Darsteller alle in den Bann, die Augen und Ohren hatten, denn Regisseur Stückl inszenierte nicht nur Schauspiel, sondern über weite Strecken hinweg schmissige Volksoper. Die Jungen Riederinger Musikanten, beim Kritiker seit der Inszenierung von "Geierwally" aktenkundig, ließen bayerisches Nationalgefühl hörbar werden. Derb ging es zu beim Saufen, Lieben, Tanzen und Sterben. Die drei atmosphärischen Bühnenbilder von Alu Walter ließen dabei nichts vermissen. Im dunklen Wald gerann die Jagd zur Farce, in der niedrigen Stube die Lebensfreude zum Fest und im Himmel bedarf es zur Glückseligkeit, wie sollte es anders sein, der Weißwurst und der Brezn. Auch Belzebub darf nicht fehlen, wider den tierischen Ernst. Alexander Dudas Brandner strotzt an der Schwelle zum Tod vor Lebensgier. Seine Wandlung zum gebrochenen Mann überzeugt ebenso wie das geradezu kindlich-freudige Erwachen im Elysium. Den Preußen Kai-Uwe von Ziethen gab Tobias von Dieken schmissig bis zum Schwachsinn doch keineswegs denunzierend. Man schaut halt nicht auf die anderen deutschen Volksstämme herab. Sein Auftritt vor dem Heiligen Portner, im Hochdeutschen nennt man ihn vorzugsweise Petrus, brachte ihn auch schon mal um die nötige Atemluft, was den Preußen glaubhaft machte, die Textverständlichkeit allerdings beeinträchtigte. Peter Mitterruntzer hingegen demonstrierte einen Habitus, der jedem Papst gut anstehen würde. Aus dem durchgehend gut bis sehr gut agierenden Ensemble, immerhin waren auch Laiendarsteller dabei, hob sich jedoch eine Leistung heraus, die des Boandlkramers. Zweifellos ist der Darsteller schon durch diese Rolle bevorzugt. Sie ist in ihrer Charakteristik vergleichbar mit der des Jagos oder des Mephistos. Doch sie will gefüllt sein. Wann immer in München der Name Brandner Kaspar fällt, wird ein zweiter sofort nachgereicht: Toni Berger. Maximilian Brückner hatte also gegen einen übermächtigen Geist anzuspielen, der noch immer umgeht in den Köpfen. Bei der Einführung durch den Intendanten kam beispielsweise heraus, dass mehr als neunzig Prozent der Anwesenden die Residenztheaterinszenierung kannten. Der sechsundzwanzigjährige Brückner hat diese Herausforderung mit Bravour gemeistert. Mit großem mimischem aber auch körperlichem Aufwand bis hin zum Slapstick machte er aus der jenseitigen Gestalt eine sehr menschliche Figur. Regisseur Stückl führte ihn mit kompetenter Hand durch alle Klippen, die dieser Rolle eigen sind. In keiner Szene uferte die Geschichte zur Klamotte aus und so war auch ein kritischer Preuße, der vom überreichen Wortwitz nicht alles verstand, am Ende absolut überzeugt von der Unternehmung, die ohne Zweifel etwas Identitätsstiftendes hat. Fast ist er ein wenig neidisch auf die Bayern, die er nach dieser Inszenierung wesentlich besser versteht. Und noch etwas, da wir vom Tod sprechen. Auch Toni Berger, Gott hab ihn selig, ist ersetzbar. Ich bin mir sicher, er sitzt da Droben und stimmt mir zu, wenn ich behaupte, diese Inszenierung könnte in Bayern Kultstatus erlangen. Wolf Banitzki, Theaterkritiken, 7. April 2005
Das ewig' Leben,
reloaded Fetzen, tratzen, schuhplatteln: Der "Brandner Kaspar" als barocke Bauernpassion am Volkstheater Na also, na bitte, es geht doch! Man darf bloß keinen Respekt vor Münchens Kultstück Number One haben, muss es derb beim Krawattl packen und schütteln, dass die Motten rausfliegen, muss ihm die Stelzen wegschlagen und es auf genagelte Bauernstiefel stellen, schon wird ein echt komisches, saukomisches Theater draus. Der Stückl Christian hat Kurt Wilhelms rauschebärtige Bearbeitung des Brandner-Stoffs (die ihrerseits auf die Hörspielfassung von Josef Maria Lutz im Jahr 1955 zurückgeht) heimgeholt ins Volkstheater, und da hauen sie jetzt aufs Blech, dass es fetzt; tratzen und frotzeln, tuten und blasen, der Boandlkramer krächzt und der Saupreiß plattelt schuh, den halbnackerten Engerln im Himmel hängen Weißwurstzipfel aus den Hallelujamündern, und im Wirtshaus wird zwischen Maßkrügen gerauft. So muss es sein, so ist es gut. Statt goldigem Humor derber Witz, statt Kitsch das Gaudiklischee. Alles jubelt, alles lacht, wenn das Theater seine Späße macht, und sogar der ehedem griesgrämige Kritiker dieses Blattes wurde von schmutzigem Gelächter gebeutelt. Vor genau 30 Jahren, als der "Brandner Kaspar und das ewig’ Leben" im Residenztheater uraufgeführt wurde, geschrieben und inszeniert von Kurt Wilhelm, da war das eine große Staatsaktion auf einer Riesenbühne, worauf sich Almwiesen, Trachtenträger und gemalte Rehe verloren, und nicht minder verloren schwangen sich Pappmachésätze von Kostüm zu Kostüm: starres Biedermeier als Papiertheater; dann eine Bauernstube mit Altbauer und Boandlkramer beim Dischkurs übers Sterben und Leben, dazu Kirschgeiststamperl und endlich das barocke Himmelsbild mit lebenden Putten und gwampertem Petrus - ja, freilich waren die Schauspieler wunderbar, der Fritz Strassner, der Bayrhammer, Heino Hallhuber und all die tausend Mal der Toni Berger; aber was sie zu sagen hatten, war ein "aufgeblähter Schmarrn", fand der Kritiker (also ich), "eine hirschlederne Operette in Arrangements der ausklingenden Silberwaldepoche". Und als man ihn (also mich) 17 Jahre und 692 Aufführungen später abermals hineinschickte, nachzuschauen, ob die einst jugendbewegte Nach-68er-Rage inzwischen in die Heiterkeit beginnenden Alters vergeistigt sei und also das Kultstück einer ganzen Generation nun auch das verhärmte Rezensentenherz erreiche, da schauderte es abermals: "Ein Semmelschmarrn, sonst auf 64 Seiten an Kiosken käuflich. Reines Blech! Gewalztes Goldblech. Aber wunderbar gesprochen! Manchmal sogar gespielt, bloß dass es Kurt Wilhelms Regie mit Bewegung überhaupt nicht hat. Da wird irgendwie gruppiert und gestellt wie bei einem Maibaumfest: Man schaut, dass man nach vorn kommt, sobald man dran ist." Beim Stückl ist jeder vorn. Er bedient die Rampe, er spielt Parodie und Ernst, macht Bauerntheater und Bauernpassion, hat keine großen Schauspieler – aber die sind ganz groß in diesem Stück. Eine "hirschlederne Operette"? Dann sollen die Beinchen aber auch wippen und die Engerl sich wiegen, fast nackert im Speck ihrer Leiber; dann ist die Marei (Kathrin von Steinburg) aber gleich so herzig und trotzig, dass man perplex ist über die Grazie des Klischees. Dem preußischen Jagdgast (Tobias van Dieken) reißt es glatt Arme und Beine im Stakkato vom Leib bei "Preußens Gloria", und er singt und plattelt wie ein Veitstänzer. Nie haben die Jungen Riederinger Musikanten so fugendicht und erfrischend ins Konzept gepasst wie diesmal. Zwar spielten sie immer saugut, saßen aber bislang meist unmotiviert wie die sieben Zwerge in Stuben und Biergärten und griffen einfach zu ihren Trompeten, um den lahmenden Theatergaul hochzureißen. Diesmal aber sind sie Volk und Engel und Gaudiburschen in einem: putzmunter, unverschämt und spielgierig. Sie mischen auf, und der Laden explodiert. Wer hier Poesie vermisst, vergisst, dass sie im Stück nicht vorkommt. Den Brandner Kaspar spielt Alexander Duda, und damit hat er nun endlich (nach einigen weniger gelungenen Rollen) eine Traumrolle gefunden, die er mit bauernschlauer Bärbeißigkeit als Hallodri und alternder Sack in einem anrührend spielt: angeraute Stimme, Seehundsbart und dazu eine mächtige Lust am Derblecken. Wie er sein Kirschwasser schluckt, dann krebsig anläuft und es ihm die Batzlaugen raustreibt, bevor’s ihn bäuchlings übern Tisch wirft, hinein in den Hirnschlag - Angst könnt man kriegen. Solch ein Falott kriegt den Tod leicht rum mit ein paar Tricks. Obwohl Maximilian Brückner so gerissen wie abgerissen daherkommt: ein spilleriges Männchen, langhaarig unterm Fetzenzylinder und mit geschwärzten Zähnen (physiognomisch zwischen Wolfgang Neuss und Hallenmogul Nöth). Ein abgehalfterter Schlankel, zischelnd, giepernd, gliederschlenkernd. Wunderbar. An Wilhelms Text hat Stückl so viel gar nicht geändert; allerdings löste er die statischen Tableaus in Szenen auf, lässt nun spielen, was sonst bloß berichtet wird, schrieb einige Witzchen und Wortspiele dazu und strich dafür etliche historisierende Überflüssigkeiten. Rätselhaft allerdings, weshalb er ein Radiogerät ins Spiel bringt, obwohl das Stück nach wie vor mit Gulden rechnet. Wie auch Herbstlaub dicht den Stubenboden deckt, mitten im Frühjahr. Ingrid Jäger entwarf wunderschöne zeitrealistische Kostüme, und Alu Walters Bühne ist ein großartiger Wurf: eine fichtendunkle Waldfototapete, eine graugrüne Wirtsstube, die auch gleich als Kaspars Wohnung dient, und ein Himmelskontor, wie es halt nur in Bayern vorstellbar und andeutungsweise in barocken Kirchen eingebaut ist - als Hochaltar. Im Untergeschoss Kanzleigerümpel und raunzige Kontoristen, die geschwungne Freitreppe hinauf geht’s zur Himmelspforte, wovor ein kurfürstlich aufgeblasener Sankt Michael wacht, eine Allongeperücke bis auf die Brustwarzen; auf allen Schnörkeln, Säulen, Treppchen turnen und turteln in kecken Lendenschurzen die Riederinger Blasengel, als wär man in König Ludwigs Sauna. Aber wir sind im Volkstheater, und besser kann man’s nicht treffen. Michael Skasa, Süddeutsche Zeitung, 9. April 2005 Runder
Erfolg: "Der Brandner Kaspar" im Volkstheater
Kein Zweifel: Auch diese Aufführung hat das Zeug, Kult zu werden. Denn Christian Stückls Neuinszenierung des Volksstücks "Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben" von Kurt Wilhelm und Franz von Kobell balanciert frech und sicher auf dem Grat zwischen Bauerntheater und Groteske, Rührstück und pfiffiger Parodie. Viel Szenenapplaus, nach drei Stunden Jubelstürme im Volkstheater. Auch der anwesende Autor Kurt Wilhelm bekam seinen Beifall. Jeder Vergleich mit Wilhelms eigener Inszenierung, die am Resi ein 25-Jahre-Dauerbrenner war, erübrigt sich. Regisseur Stückl zitiert viele Bayern-Klischees und bricht sie zugleich. Sein Trumpf dabei sind die fabelhaft spielfreudigen Jungen Riederinger Musikanten. Ob als Jäger, Wirtshausgäste oder Putten-Engerl - die neun sorgen nicht nur mit schräger Blasmusik für herzerfrischenden Witz. Und Stückl hat in dem 26-jährigen Maximilian Brückner einen hinreissend komödiantischen Gevatter Tod als Star des Abends. Barfuss, im zerschlissenen Frack und Zylinder, ist Brückners zahnluckerter Boandlkramer ein groteskes Gespenst: ein armer Teufel in der Himmels-Hierarchie, ein grell lachendes Rumpelstilzchen, wenn er dem irdischen Kirschgeist zuspricht. Ein Radio weckt seine Neugier; beim Kartenspiel fällt er aus trunkener Siegesgewissheit in erbarmenswürdiges Entsetzen. Er kann verführerisch bitten und spillerig tänzeln, verbrennt sich im Paradies komisch den Hintern an einer ungelöschten Zigarettenkippe, bettelt rührend um Gnade und will doch nur eine ehrliche Haut sein. Das Erdenleben des schlitzohrigen Brandner Kaspar (knorrig und naiv-verschmitzt: Alexander Duda), der mit seinem Falschspiel den Tod überlistet, und seiner Enkelin Marei (Kathrin von Steinburg) ist pralles, ironisch gebrochenes Volkstheater. Gejagt wird in einem vom Baumsterben befallenen Wald (Bühne: Alu Walter), gefeiert im engen, grauen Wirtshaus. Da singt und schuhplattelt ein Preussen-Baron (Tobias von Dieken) "Was kann der Sigismund dafür...", schwenkt der Brandner die harsche Tante Theres (Ursula Burkhart) wild herum, klammert sich der Bürgermeister (Wilfried Labmeier) bei seiner Rede am Geschenk-Fresskorb fest und legt sich der Jäger Simmerl (Markus Brandl) mit dem Wilderer Florian (Stefan Murr) an, der ihm die Gunst der reschen Marei streitig gemacht hat. Stückl verlegt deren Tod auf die Bühne: Marei stürzt nicht am Berg ab, sondern wird von einem versehentlichen Schuss ihres Liebsten getroffen. Und damit öffnen sich die himmlischen Gefilde: Szenenapplaus für den in Goldpracht erstrahlenden Barockaltar. Die Musikanten-Engel mit Flügelchen an Hosenträgern überm Lendenschurz (Kostüme: Ingrid Jäger), unter die sich auch das Teuferl Luzi mischt, machen Weisswurst-Brotzeit im Archiv-Chaos des heiligen Nantwein (Wilfried Labmeier). Oben wacht Erzengel Michael (Hubert Schmid) im Barockkostüm mit Allongeperücke und Schwert und flucht beleidigt, wenn der Portner Petrus (Peter Mitterrutzner) allzu nachsichtig ist. Hier werden Klischees vergnüglich bedient und demontiert, mischen sich Kitsch und Komik aufs Köstlichste. Gabriella Lorenz, Abendzeitung (Druckausgabe S. 19), 9. April 2005 Kommt ein Preuße in den Himmel. Stellen sich die Putten geschlossen vor die Tür und drücken von innen dagegen. Und sie haben ja Recht: Erstens haben die "Saupreißn" einen Himmel für sich. Und zweitens ist dieses spezielle Exemplar in Sachen Süderweiterung unterwegs: Will Potsdam an die Zugspitze und Neustrelitz an den Tegernsee verlegen. Der erste Schritt dahin führt über eine kleine Berghütte, die Urenkel Kai-Uwe eigentlich längst schon kaufen wollte. Die aber ist noch immer vom Vorgänger besetzt, der einfach nicht stirbt: Der Brandner Kasper hat eben seinen 75. gefeiert. Alexander Duda spielt den Brandner nicht als harmlosen Opi, sondern als agilen, alterslosen Burschen, der sich um Gesetz und Machtverhältnisse wenig schert. Um seine Enkelin Marei aber sehr wohl. Als die der Boandlkramer abholt, ist etwas in ihm in Stücke gebrochen. Toni Berger, der Boandlkramer des Staatsschauspiels bis zuletzt, ist vor kurzem 83-jährig gestorben. Seine verdruckste, fistelnde Personifikation des Todes hat selbst die härtesten Kritiker begeistert. Maximilian Brückner ("Männer wie wir") ist ihm ein würdiger Nachfolger und trotz vortrefflichstem Mundart-Mundwerk wohl auch nicht in Gefahr, in der Komödienstadel-Schublade zu enden. Brückner spielt einen erstaunlich jungen Tod ohne den platten Eros von Brad Pitt: zahnlückig, barfuß und zerrupft, ein aufgedrehtes Rumpelstilzchen mit wenigen schwarzen Strähnen auf dem Kopf - aber auch eine Spielernatur, verführbar und verführerisch: ein grausiger Schelm. Seine Fahrt auf der Totenkutsche, mit dem galoppierenden Pappmachépferd und der sanft ächzenden Bühnenmaschinerie, ist ein wunderbarer Budenzauber. Für ein weiteres fast-ewiges Bühnenleben sollte das reichen. Aus: Rauschgoldengel im Barockhimmel - Bayerischer geht's nimmer: In Münchner Volkstheater wird der Dauerbrenner "Brandner Kasper" neu aufgelegt. Sabine Leucht, taz, 9. April 2005 Rumpelstilzchen
aus Riedering
München - Christian Stückl wusste haargenau, dass die Kritiker und sein Theaterpublikum dieses Mal sehr genau hinschauen würden - bei jenem Stück, das seit 1975 über 900mal in München aufgeführt wurde, mit dem großen Toni Berger als Boandlkramer. Könnte es eine Neuinszenierung dieses bayerischen Kultstoffs von Autor Kurt Wilhelm nur in etwa mit der Urfassung aufnehmen? Sie kann. Und wie. Stückls Ensemble zaubert ein dreistündiges Feuerwerk aus dem alten löchrigen Hut des neuen Boandlkramer (und Riederinger Musikant) Maximilian Brückner, der wie ein Irrwisch, wie Rumpelstilzchen, über die Bühne wirbelt. In Mimik, Gestik und Rollenverständnis - einfach grandios. Der Star eines höchst unterhaltsamen Abends. Hinter ihm brauchen sich die weiteren Mimen dieses Volks-Epos wahrlich nicht zu verstecken: Stückl treibt sie zu Höchstleistung an. Und wieder, wie schon bei der "Geierwally" und dem "Räuber Kneißl", dieses Mal noch dominanter, verleihen die Jungen Riederinger Musikanten der Inszenierung eine unverwechselbare Note aus Klamauk, Gaudi und Witz. Ob als Treiber, Bauern oder Engel in Lederhosen - sie spielen sich mit ihren Blasinstrumenten in einen Rausch. Nahtlos in die hervorragenden schauspielerischen Leistungen der Truppe fügt sich erneut eine Ammergau-Fraktion ein: Einmal Ursula Burkhart als geifernde Bäuerin Theres und dann - was für ein Anblick - der polternde fluchende Hubert Schmid als Erzengel Michael mit wallendem Haar und flauschigen Flügeln. Nicht zu vergessen die Brandner-Enkelin Marei, treffend und überzeugend umgesetzt von Kathrin von Steinburg, anno 1977 geboren in Oberammergau. Bühnenbild (Gaststube, Waldlichtung, Himmels-Vorhof), Kostüme und Musik (Mitarbeit: Markus Zwink) runden die absolut sehenswerte Inszenierung ab. Selbst "Brandner"-Autor Kurt Wilhelm schwärmte nach der Premiere: "Die können das fünf Jahre spielen, mindestens." Es muss ja nicht gleich wieder 30 Jahre sein. Ludwig Hutter, Münchner Merkur, 11. April 2005 Der
Brandner Kaspar und das ewig' Leben
Christian Stückl inszeniert am Münchner Volkstheater eine Neuauflage der bekannten Erzählung von Franz von Kobell. Was sollte ein jeder bis zu seinem Ende mit sich führen? Weder Herztropfen noch Testament, nein, einen Kerschgeist und ein Kartenspiel. Und schon wird er erhaben über alle trockenen Diskussionen vom Sinn und Unsinn lebensverlängernder Maßnahmen. Christian Stückl inszeniert am Münchner Volkstheater einen neuen "Brandner Kaspar", der mindestens ebenso viel Genuss bereitet wie sein Vorgänger am Residenztheater. Das Thema ist alt und wird vor allem im 19. Jahrhundert beliebt. Ludwig Bechstein (1801 - 1860) erzählt in einem Gedicht die Sage von einem Ritter, der mit dem Tod um sein Leben würfelt. Franz von Kobell (1803 - 1882) greift diese Sage in einer kurzen Erzählung auf und macht daraus "Die G'schicht vom Brandner Kaspar". Bereits 1934 setzt der Münchner Schriftsteller Josef Maria Lutz den Stoff szenisch um. Den größten Erfolg erzielte jedoch die Bühnenfassung von Kurt Wilhelm (*1923), die ab 1975 fast 900-mal am Münchner Residenztheater gespielt wurde und auch der Inszenierung am Volkstheater zugrunde liegt. Unvermittelt, fast während der Vorhang sich noch hebt, beginnt das Stück mit einer solchen Kraft und Lebensfreude, dass sich der Zuschauer kaum entziehen kann. Die Quelle dieser Lebensfreude liegt vor allem im Temperament der jungen Riederinger Musikanten, mit denen Stückl bereits in der "Geierwally" und im "Räuber Kneißl" zusammengearbeitet hat. Ob sie gleich zu Beginn den Jägerchor aus dem Freischütz blasen, vor und auf der Bühne ihre Gstanzln präsentieren, den Bayerischen Defiliermarsch spielen und als Wirtshausmusikanten auftreten, ob sie als aufgedrehte Engel mit Lendenschurz über die Bühnen turnen und Weihnachtslieder und Halleluja singen oder Preußens Gloria untermalen, stets akzentuieren sie das Geschehen mit ihrer unbeschränkten Lebenslust und hohen Musikalität. Unter den - wie üblich hervorragenden - Schauspielern erstaunt besonders Alexander Duda (Dr. Schöning in "Lulu"), der in aller Schalkhaftigkeit einen gereiften, fast ernsten Kaspar darstellt. Die große Überraschung jedoch ist der 26-jährige Maximilian Brückner, der einen so liebenswürdig ehrlichen und "frischen" Boandlkramer verkörpert, dass selbst Toni Berger applaudieren würde. Erheiternd ist auch Hubert Schmid als moralischer Erzengel Michael, wenn er unter heißem Kostüm aus barockem Pomp vor der Liberalitas Bavariae kapitulieren muss. Kathrin von Steinburg, neu am Volkstheater, kann als grazile Marei einen zarten Akzent gegen die kernige Männlichkeit ihres Umfelds setzen. Shakespeare hin und Büchner her, als Volksstück bleibt der Brandner erstklassig. Die Münchner und ihre Umgebung können froh darüber sein, dass es nun heißt: "Endlich wieder Brandner Kaspar!"
Saustall
im
Bayernhimmel - In München lebt der Brandner
Kaspar vielleicht wieder ewig
Im Telefonbuch von Deutschland findet man 1349 Einträge für den Namen "Brandner", aber nur einen "Brandner, Kaspar", der wohnt in 83489 Strub. Im Telefonbuch von München indes gibt es 81 Brandners, davon kürzt sich einer mit "K." ab. In Bayern, so sagt man, gab es seit Menschengedenken nur einen einzigen wahren Brandner Kaspar, der wohnte bis Sommer 2001 etwa 26 Jahre lang im Stückerepertoire des Münchner Residenztheaters und bekam regelmäßig Besuch von 530 Zuschauern. Aber die Zeiten ändern sich, sogar in Bayern, und eines Tages, wie der abgespielte Held lang nimmer gesehen, doch längst nicht vergessen ward, da suchte sich der Bühnenkaspar eine neue Bleibe und zog mit Sack und Pack ins Münchner Volkstheater. Mit Sack und Pack? Nein. Wenn man genau hinsah, so trug er nichts als seinen Charme mit sich hinein. Da sitzt er nun allein am Stubentisch und schmunzelt sich einen in seine Maß. Er lebt, der Todesschuss des Boandlkramers hat ihn verfehlt. Auch fürs Theater ist er zum Glück wieder lebendig; Christian Stückl hat ihn so frisch und frei und laut und leis' und bunt und musikalisch inszeniert, dass die Wehmut es schwer hat mit der Mahnung an schöne alte Resi-Zeiten. Denn wer kann und will hier schon vergleichen? Wer dem verstorbenen Schauspieler Toni Berger den Boandlkramer vielleicht zu Recht als "Rolle seines Lebens" zuschreibt, der kommt nun nicht umhin, das Gleiche auch mit Maximilian Brückner zu tun ... obwohl dessen Leben erst zarte 26 Jährchen zählt. Sein Boandlkramer ist ebenso unnachahmlich, von großartiger Präzision und gleichzeitiger Leichtigkeit: Er kommt frierend mit dem Frost und geht beschwingt mit dem großen Wirtshausradio; er ist der liebenswerte Chaot, der plappernde Idiot, der lebenslustigste Tod, der einen bescheidenen Bückling macht, bevor er dem Menschen sein Alles nimmt; eine barfüßige Vogelscheuche mit einem strahlenden zahnlosen Lächeln, eine kalkweiße, aber grundehrliche Haut; ein staunender Junge und ein treuer Freund. Mit abgespreiztem kleinen Finger verfällt er erst ins Grübeln und danach dem Kerschgeist. Mit verschmitzt beschwipster Naivität nimmt er sich dann ausgerechnet den Brandner Kaspar, sein Opfer, zum Kumpel, verliert beim falschen Kartenspiel und schenkt dem Alten so zum geselligen Lebensabendbrot noch 18 Jahre. Kurz: Der Boandlkramer ist die falsche Besetzung für den Tod, und deswegen ist Maximilian Brückner die richtige Besetzung für den Boandlkramer. Regisseur Stückl setzt derweil die launenhafte Dynamik des Kurt Wilhelm-Stückes (nach der Erzählung von Franz von Kobell) gebührend in Szene. Er, der die Passion schon in Oberammergau gibt, bringt in München die Gaudi. Er zelebriert das Spiel seiner charmanten Hauptdarsteller, lässt ihnen Zeit, ihren Rollen ein unverwechselbares Profil zu geben. Dann wieder Tempo, Späßchen, Heiterkeit - der Tod bedroht und amüsiert das Leben, im Lachen lauert oft ein Stückchen Tragik und dem Ernst sitzt dann schon wieder der Schalk im Nacken. Alexander Duda braust auf in der verschmitzten, sinkt in sich zusammen in der rührenden Titelrolle, verleiht seinem Brandner Kaspar die trotzige Schnute eines dörflichen Urgesteins. Die munter aufspielenden Bläser sind die Jungen Riederinger Musikanten. Und waren sie zuvor noch eine wilde Jägersbrut im stilisierten düstren Wald, so hangeln sie sich nun als lendenschürzige Engelsputti vom goldenen Stuck vor Petrus' Pforte. Ja, der Bayernhimmel, da geht's dem theaterfrommen Stückl, seinem Bühnenbildner Alu Walter und der Kostümbildnerin Ingrid Jäger dann ein bisschen durch mit der fidelen Herrlichkeit. Und dem nun schon etwas lebensverdrossenen Brandner Kaspar, dem der Boandlkramer listig einen himmlischen Vorgeschmack gewährt, gehen die Augen über: Als hätt's ein Bruder Asam hingepinselt, türmen sich da Papyrus und Pastelltöne, und über allem wacht Hubert Schmid mit gar zu verkniffenen roten Lippen als weibisch wallender Erz-Michael. Nur den Saustall aus Suppe, Brezn, Bier und Weißwurscht, den hat's so im 18. Jahrhundert nicht gegeben. Doch das ist's eben auch: ein Brandnerkasperltheater mit barockem Überfluss in Deko und Späßeleien. Lang ist es nicht her, da schien eine Neuinszenierung der hohen bayerischen Nationalkomödie noch ebenso utopisch wie der Handel mit dem Tod. Doch der Stückl Christian und der Brandner Kaspar haben zweierlei gemein: Sie pfeifen mutig auf die Konvention und lachen sich im Nachhinein ins Fäustchen ... In Bayern, so sagt man, gibt es wieder einen Brandner Kaspar, der lebt seit April im Münchner Volkstheater und fühlt sich sauwohl herinnen. Teresa Grenzmann, Cult-Zeitung, 05/2005 Verwandlungskünstler:
Maximilian
Brückner fesselt das Theater- und Kinopublikum
Boandlkramer im Volkstheater Vor drei Jahren holte Intendant Christian Stückl den damals 23jährigen Schauspielschüler Maximilian Brückner ans Münchner Volkstheater und gab ihm kurze Zeit später die erste Hauptrolle als "Karl Moor" in seiner Inszenierung der "Räuber". Brückner bekam vor Aufregung eine Lungenentzündung, wie er sagt, hielt aber durch und brach sein Studium an der Falckenbergschule ab, um weiter spielen zu können. Seit 2005 ist Brückner als "Boandlkramer" in Stückls Neuinszenierung des "Brandner Kaspar" zu sehen. Ein junger Tod, verführbar und verführerisch und, wenn schon nicht im Stück, so doch auf der Bühne ein Gewinner. Mit seiner irrwitzigen Performance hat sich Brückner aus dem Schatten von Toni Berger gespielt, der mit dem Boandlkramer zur Legende wurde. Mammon im Jedermann Seit 1920 spielen sie in Salzburg den "Jedermann", ein moralisierendes Schauerstück vom Leben und Sterben des reichen Mannes. Doch nie war Mammon, der personifizierte Reichtum, so sexy wie heute: als Rokoko-Strichjunge mit Tanga und goldbepudertem Po, gespielt von Maximilian Brückner. Publikum und Kritik finden den Dämon aus München einfach "hinreißend". Nachwuchstalent des Deutschen Films 100 Schauspieler ließ Sherry Hormann casten, bis sie die Idealbesetzung für den schwulen Torwart einer Fußballmannschaft gefunden hatte. "Männer wie wir" von 2003, eine kleine Komödie über ein großes Tabu, war Maximilian Brückners Kino-Debüt. Seitdem geht es Schlag auf Schlag. In "Sophie Scholl" spielte er den Widerständler Willi Graf. Sein neuer Film "Allein", die schwierige Liebe eines Medizinstudenten zu einer Borderlinerin, ist derzeit in den Kinos zu sehen. Hermann Weiß, Die Welt, 14. August 2005 Riesentalent
ohne Allüren
Maxvorstadt - Irgendwo da oben meint es derzeit irgendeiner irgendwie verdammt gut mit Maximilian Brückner - findet jedenfalls der 27-Jährige, der seit fast einem Jahr als Boandlkramer im "Brandner Kaspar und das ewig Leben" am Münchner Volkstheater in der Brienner Straße vor ausverkauftem Haus spielt.
Der Druck vor der
Premiere war gewaltig, besonders für Regisseur und
Volkstheater-Intendant Christian Stückl und den
jungen Hupfer Brückner, den viele schon gnadenlos
in den großen Fußstapfen von Toni Berger versinken
sahen. Der im Januar 2005 verstorbene
Volksschauspieler hat als "bayerischer Tod"
Theatergeschichte geschrieben.
"In
ganz München hätten’s uns zerrissen, wenn das
nicht geklappt hätte", glaubt Brückner.
Doch Publikum und Kritik sind hingerissen von
der berührenden wie saukomischen Inszenierung.
Wenn der Applaus mal wieder gar nicht enden
will, würde Brückner vor schierem Glück am
liebsten in die Menge hopsen. Das hat er sich
bisher zwar noch nicht getraut. Dafür startet er
jenseits der Bühnenbretter zum großen Sprung.
Seit Freitag ist es offiziell: Der gebürtige
Chiemgauer ist der Nachfolger des saarländischen
"Tatort"-Kommissars Palu und damit der bisher
jüngste Fernsehermittler in Deutschlands
beliebtester TV-Krimi-Reihe. Einmal im Jahr wird
Brückner in Zukunft am Sonntagabend zu sehen
sein. Drehbeginn für die erste Folge ist im
Juni.
Stolz wie Bolle ist er auch über die kürzliche Nachnominierung für die renommierteste deutsche Fernsehauszeichnung, den Grimme-Preis: als "Neuentdeckung des Jahres". Heute werden die Preisträger verkündet. "Ich glaube zwar nicht, dass ich gewinne. Schon die Nachnominierung ist doch toll. Ich steh’ ja erst am Anfang und kann noch so viel lernen", sagt Brückner bescheiden beim Gespräch im Theaterlokal "Volksgarten", und man glaubt es ihm gern. Noch vor ein paar Jahren habe ihn das Angebot für eine dieser Nachmittags-Gerichtsshows "echt gekränkt". Diese Zeiten sind vorbei. Anspruchsvolle Rollen und Auszeichnungen, etwa der Film-Preis 2006 des Deutschen Kritikerverbandes, trudeln derzeit nur so ins Haus, dass einem schwindlig werden könnte. Abzuheben droht Brückner aber nicht. "Eigentlich hab’ ich mehr Glück als Verstand", sagt er etwas kokett. Bei allem Talent: So ganz vom Himmel gefallen ist der Erfolg nicht. "Ich bin schon ehrgeizig", erzählt er. "Wenn andere in den Urlaub gefahren sind, habe ich gearbeitet. Und hab’ ich drei Tage frei, ist mir eh langweilig." Dann geht Brückner halt Ski fahren. Oder eben spielen. Allein im Januar war er dreimal zur besten Sendezeit im Fernsehen zu sehen: darunter in Dieter Wedels TV-Zweiteiler "Papa und Mama" oder in "Mozart - Ich hätte München Ehre gemacht". Sein Kino-Debüt gab er 2003 als schwuler Torwart in "Männer wie wir". Im fast oscargekrönten Film "Sophie Scholl - Die letzten Tage" war er Willi Graf. Gerade stand er als windiger Reporter für "Schwere Jungs", die wahre Geschichte über die ersten deutschen Olympia-Teilnehmer nach 1945, Bobfahrer aus Garmisch, vor der Kamera. Und im April ist er bei Wedel - ein "Geist". Nicht schlecht für einen, der sagt, dass er lange Zeit nichts mit Theaterstücken anfangen konnte, als Gymnasiast in Schülervorstellungen herumkasperte und sich an der Münchner Otto-Falckenberg-Schauspielschule mit den einzigen Dramen bewarb, die er damals kannte - vom Fernsehen: "Woyzeck" und "Viel Lärm um nichts". Den Blick für seine Begabung und die Idee mit der Schauspielschule hatte seine Mutter. Denn trotz seiner Auftritte im berühmten Riederinger Krippenspiel war Brückner nicht so theaterbegeistert. "Aber dann war ich infiziert." Doch intellektuelles Gedöns und hohles Kunstgefasel sind nicht sein Ding. Wie ihm die Spezialität des Volksgartens, die Ingwer-Limo, nicht geheuer ist, weil "g’sund", findet er die Theaterwelt und Showbranche oft überkandidelt. "Bei der Aufnahmeprüfung liefen einige Irre rum, mit Schwertern, Esoteriker - lauter Selbstdarsteller." Und mittendrin Maximilian, der bis dato Bairisch pur sprach und wenig übrig hatte für die Schönheit des Hochdeutschen, das er sich erst mühevoll antrainieren musste. Obwohl er zu seiner eigenen Verwunderung aufgenommen wurde an der Münchner Kaderschmiede für den Schauspielnachwuchs, hat er die Schule vorzeitig verlassen. Sein Diplom machte er sozusagen als eine der Hauptfiguren in Friedrich Schillers "Die Räuber", 2003 von Christian Stückl am Volkstheater inszeniert. Der Anfang dort war hart, gibt er offen zu. Heute sagt er: "Ich habe hier den Luxus, mit tollen Kollegen, mit meinen besten Freunden und Geschwistern Stücke zu spielen, die ich selber mit aussuchen darf." Seine zwei jüngeren Brüder sind Teil der "Jungen Riederinger Musikanten", die beim "Brandner Kasper" und "Räuber Kneißl" mit von der Partie sind. Dem Volkstheater wird er jedenfalls vorerst erhalten bleiben. Das nächste Projekt kann oder will er aber noch nicht verraten. An Stückl, den man als seinen Entdecker bezeichnen kann und in dessen Salzburger Jedermann-Inszenierung Brückner auch diesen Sommer wieder den Mammon spielt, schätzt er, "dass er die Barriere zum Publikum durchbrechen will. Das ist auch mein Antrieb." Stückl sei mittlerweile einer seiner besten Freunde. Dabei gehört Brückner nicht fest zum Volkstheater-Ensemble. Das gibt ihm die Freiheit, sich im Kino und Fernsehen in verschiedenen Rollen auszuprobieren. "Ich bin kein reines Theatertier, will möglichst viel Verschiedenes machen." Gern hässliche und abgründige Charaktere. Nicht festgelegt werden will er auf den blondgelockten Kindskopf und das sympathische bayerische Landei - was er im normalen Leben tatsächlich zu sein scheint. Er kann schon auch anders. Das Verkleiden und das Spiel mit der Maske liebt er jedenfalls schon lange. Ursprünglich wollte er Arzt werden, ist in fast jedem Porträt über Brückner zu lesen. Dabei habe ihn daran eigentlich mehr die Wirkung von Rolle und Kostüm fasziniert, wenn er ehrlich ist: als "Halbgott in Weiß." "Ich hab’ schon einen kleinen Dachschaden, aber einen netten - den braucht man als Schauspieler." Gleichzeitig verrückt und bodenständig sei er, meint Brückner. Und ist sich darüber im Klaren, dass es mit den ganzen Streicheleinheiten, die der Erfolg so mit sich bringt, schnell vorbei sein könnte. Seine Familie ist dem ältesten von acht Kindern deshalb das Wichtigste. Aus Riedering im Chiemgau, wo er aufgewachsen ist und mit seinen zwei jüngeren Brüdern in einem Bauernhaus wohnt, will er auf gar keinen Fall weg: "Das ist alles mein Netz und doppelter Boden." Und ob vor kurzem mit der "Sophie-Scholl"-Crew bei den Oscars, zu Dreharbeiten in Prag oder wahrscheinlich im September mit dem "Brandner Kasper" in Brasilien - ein Stück Heimat begleitet ihn stets: der wirklich charmante Zither-Klingelton seines Mobiltelefons. Daheim sei er auch nicht der umschwärmte Film-Fuzzi, erzählt er. Das will er auch nicht sein. "Einen Tag, nachdem ich bei der Berlinale auf dem roten Teppich gestanden bin, kam ich in Rosenheim nicht in die Disco. Solange das so ist, ist ja noch alles in Ordnung." Michaela Schmid, Münchner Wochenanzeiger, 14. März 2006 Ein
Volksstück als Sterbehilfe
Auch in seiner aktuellen Neuauflage ist "Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben" ein Dauerbrenner Einen ungewöhnlichen Erfolg feiert an diesem Samstag das Münchner Volkstheater: die 100. Aufführung der Komödie "Der Brandner Kaspar und das ewig´ Leben". Premiere war vor fast genau zwei Jahren. Volkstheater-Intendant Christian Stückl als Regisseur ist ein praller Theaterspaß gelungen, an dem in der köstlich ausgespielten Rolle des Boandlkramers wesentlichen Anteil der junge Maximilian Brückner hat, "Shooting Star 2007" bei der Berlinale und seit 2006 auch ARD-Tatort-Kommissar in Saarbrücken. Dass die Schmonzette nun auch im Münchner Volkstheater zum Hit geworden ist (in der Pause hört man Besucher erzählen, sie seien schon zum dritten oder vierten Mal in der Aufführung und würden demnächst noch Freunde dazu einladen), mag noch einen eigentümlichen Grund haben, über den Kurt Wilhelm bezüglich seines Residenztheater-Erfolgs berichtet hat. Immer wieder sei von einem "Trosteffekt" durch das Stück gesprochen worden. Das habe er anfänglich nicht ernst genommen, bis ihm Angehörige erzählten, dass ein Sterbender vom Brandner-Himmel geredet und dass ihm der Gedanke daran Trost und Hoffnung bedeutet habe. Oder: "Sein letzter Wunsch war, noch einmal den Brandner auf dem Fernseher anzuschauen. Danach ist er ruhig entschlafen." Kurt Wilhelms Resümee: Ein Märchen, eine Legende kann die Todesangst besänftigen und sich als Trost und wahre Sterbehilfe erweisen. Friedrich Kraft, Sonntagsblatt Bayern, Ausgabe 16/2007 vom 22. April 2007 Frohlocken
und Hosianna
Münchner Volkstheater: "Wenn der Stückl sagt: Spring abi, dann springen sie." Sepp Staber, sozusagen der Vater der Jungen Riederinger, ist ganz Herr der Lage. Aus seinen Augen funkelt's. Eine Mass in der Hand, angelehnt an der Theke der Theaterkasse, hat er das muntere Treiben im Foyer fest im Blick. Längst schon haben die Riederinger München und sein Volkstheater erobert. Für Intendant Christian Stückl sind sie unverzichtbarer Bestandteil des Ensembles. Wenngleich sie alle im täglichen Leben ihrem "bürgerlichen" Beruf nachgehen. Die Riederinger, diese hinreißenden Plattler, Sänger, Spieler und Musiker, gehören einfach dazu. "Mia han Hundert" verkündet ihr Plakat, groß aufgehängt an der Fassade des Volksgartens. Und so passt das Jubiläum des Trachtenvereins perfekt zu dem des Volkstheaters: Am Samstag, den 21. April gab‘s die 100. Vorstellung von Christian Stückls Inszenierung "Der Brandner Kaspar und das ewig‘ Leben". Und das innerhalb von nur zwei Jahren. Respekt. Frohlocken und Hosianna. Der Stückl und seine Leut‘ haben den 550 Zuschauern den Himmel, den weiß-blauen natürlich, auf Erden beschert: mit dieser temperamentvollen Aufführung zwischen Gaudi und Melancholie. Und natürlich auch mit dem großen Fest danach. Freibier von Paulaner, Bierbänke im Foyer, sieben Blaskapellen. Eine Stimmung, wie man sie sich hier schöner nicht ausdenken kann. Ein Geben und Nehmen zwischen Bühne und Parkett. Das hochanimierte Publikum zeigte sich von seiner großzügigen Seite. Es bejubelte nicht nur Maximilian Brückners so abgründigen wie abgefeimten Boandlkramer; nicht nur Alexander Dudas deftigen und hinterkünftigen Brandner Kasper; nicht nur die Riederinger und das ganze himmlische Personal. Nein, Riesenbeifall auch für den einzigen Preußen für Tobias van Diekens virtuosen Kai Uwe von Zieten. Am Ende wurden sie alle gefeiert. Am meisten Christian Stückl, dieser Wundermann, der sich in einer improvisierten Rede bei allen Beteiligten bedankte; zuerst bei der Souffleuse Anna Münzer, "die seit hundert Vorstellungen unten sitzt und darauf wartet, dass irgend jemandem der Text nicht einfällt". Und er verspricht: "Die 1000. Vorstellung werden wir wohl nicht schaffen, aber vielleicht können wir Euch alle zur 200. wieder einladen." So lange werden die meisten nicht warten wollen. Denn unter den Zuschauern waren jene, die den "Brandner Kaspar" zum ersten Mal sahen, eindeutig in der Minderheit. Nicht wenige waren zum sechsten, siebten, achten Mal oder noch öfter in dieser Aufführung. Wie Siegfried Gerg aus Bad Tölz, der der Truppe sogar bis nach Brasilien nachreiste. Heuer aber hat das Volkstheater ihm etwas ganz Besonderes geboten: Es ließ seinen begeisterten Fan die Vorstellung hinter der Bühne miterleben. Ein Blick ins Paradies. Für die Theaterleute und ihre Besucher ein einziges großes Fest. Fazit: Kultur & Leben.
Spätschicht
Alexander Runte begleitet einen Abend den Inspizienten Danny Raeder und bekommt nicht nur einen Einblick in dessen Arbeit, sondern auch Kunstschnee auf den Kopf. 19:03 Uhr: Bevor es losgehen kann, muß Danny noch hoch hinaus: über eine Leiter klettert er in den Schnürboden oberhalb der Bühne und überprüft von dort die Technik und die Requisite. Doch bei der 109. "Brandner"-Aufführung paßt alles. Sogar die Baumstümpfe stehen diszipliniert an der richtigen Stelle. 19:33 Uhr: Ein kurzer Blick in den Zuschauerraum, dann gibt Danny das Signal: "Los geht's!" - mit dem letzten "Brandner Kaspar" vor der Sommerpause. Während die Jagdgesellschaft zur Musik der Riederinger über die Bühne stapft, tanzen Danny und die Techniker Hip-Hop-Schritte im Takt der Blasmusik. 20:05 Uhr: Im Textbuch blättert Danny eher beiläufig zu den Stellen, an denen er Schauspieler ausrufen, die Techniker zum Umbau herzitieren oder den Beleuchter anweisen muß: "Was das Stück betrifft, sind wir alle schon geschädigt, wir kennen es in- und auswendig", sagt er. Die Honorarabrechnungen für die Gastschauspieler kann er da auch noch parallel unterschreiben. Es bringt ihn noch nicht mal aus der Ruhe, daß es jetzt auf uns runterschneit - die Techniker testen nämlich den Kunstschnee auf unseren Köpfen aus. Herzlichen Dank auch. 21:16 Uhr: Der schönste Moment bei jedem "Brandner" ist für Danny die Pause, denn da bekommt er eine Weißwurst. Und weil er heute Geburtstag hat, gibt es noch einen kleinen Kuchen und ein Ständchen der Riederinger dazu. In den jugendfreien Stellen geht es, so viel darf man verraten, um Schnäpse, die unbedingt getrunken werden müssen. 21:20 Uhr: Die Schauspieler rotten sich um Danny und seine Monitore zusammen. Er steuert mit einem Joystick die Bühnenkamera über den Zuschauerraum und das eigene Publikum hinweg. Fazit: Heute sind nur wenige Trachtler da, die vielen hübschen Frauen machen das aber leicht wett. 22:52 Uhr: Donnernder Applaus und Dannys letzte Amtshandlungen: Zuerst koordiniert er den Schauspielerpulk beim Einzelapplaus, und dann, nach Ende der Vorstellung, ruft er sein Schlußwort ins Mikrofon: "Man sieht sich wieder!" - der nächste "Brandner" kommt bestimmt. Volksmund Nr. 2, 2007/08
Den
Tod
mit Kirschgeist "lallert" machen - Den Tod mit
Kirschgeist abfüllen
Panik im Himmel der Bayern. Ein Preuße will rein. Alle Engel - sehr neckische Engerl: halbnackt, nur mit Lederhosen und Flügeln bekleidet - stemmen sich mit Vehemenz gegen die Tür. Der Portner (Himmelspförtner Petrus), der gerade vom Weißwurst-Essen kommt, muss die Gemüter beruhigen: "Koa Angst, mir lassen s' scho net rei. Sonst wär's ja koa Paradies nimmer", und präpariert sein Personal dafür, dass es sich von den Redelawinen der Preußen nicht beeindrucken lässt: "Die Preußen sprechen ihren ganzen Denkvorgang mit. Der Bayer gibt nur's Ergebnis bekannt." Das Publikum im Münchner Volkstheater hat auf diese längst sprichwörtliche Pointe nur gewartet und jubelt. Christian Stückls "Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben"-Inszenierung, die 2005 Premiere hatte und mittlerweile die hundertsechzigste ausverkaufte Aufführung verzeichnet, ist auf dem besten Weg zum Kultphänomen. Stückl hat eine kantigere, wildere, eigenwillige Version aus seiner Vorlage geschnitzt: der Dramatisierung des Brandner-Stoffes durch Kurt Wilhelm, die 1975 im Residenztheater uraufgeführt wurde und es zu phänomenalen eintausend Aufführungen brachte. Und das Volkstheater-Publikum geht begeistert mit. Von Anfang an wird mitgeklatscht, wenn die Riederinger Musikanten aufspielen, viele Zuschauer kennen die Text-Highlights auswendig, und so stellt sich die Vision ein, dass sich demnächst im Volkstheater Szenen abspielen werden wie einst bei der Rocky Horror Picture Show. Da werden dann im Zuschauerraum als Boanlkramer (der leibhaftige Tod) Maskierte sitzen, neben den Engeln, und jenen (die gestrenge Fraktion), die sich lieber als flammenschwertschwingender Erzengel Michael verkleiden, und die Stimmung wird beim Preußen-Bashing den Siedepunkt erreichen. Aus: Rainer Gansera, Süddeutsche Zeitung, 15. Oktober 2008
*
... Weiterhin
auf dem Programm steht die erfolgreichste
Inszenierung in der Geschichte des
Volkstheaters. "Der Brandner Kaspar", den
nach Christian Stückls Angaben bei bisher
238 Vorstellungen mehr als 150.000 Menschen
gesehen haben, geht in seine sechste
Spielzeit. "Er wird wohl einmal pro
Monat auf dem Spielplan stehen", sagte
er heute bei der Vorstellung des Spielplans
2012/13 in München. ...
dapd, 14. September 2012 Brandner
Kaspar: Der Himmel voller Männer
Der Volkstheater-Intendant Christian Stückl spricht im Interview über seinen "Brandner Kaspar" und Kerschgeist zur 250. Vorstellung am Sonntag. "Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben" - der zweite Titelteil von Franz von Kobells und Kurt Wilhelms Stück trifft auch auf die jeweiligen Inszenierungen zu. Das Bayerische Staatsschauspiel zeigte seine Produktion gefühlt endlos, und Christian Stückl setzt diese Tradition mit seiner schwungvollen Version am Münchner Volkstheater fort. Premiere war am 7. April 2005. An diesem Sonntag wird der "Brandner" zum 250. Mal den Boandlkramer beim Kartln mit Hilfe des Kerschgeists austricksen. Danach lädt Intendant Stückl zum großen Sommerfest am Spielzeitende ein. - Wird's bei der Fete an Kerschgeist gebn? Bei den Oberammergauer Vorstellungen neulich haben wir ihn vergessen. An der Bar hätten wir Kerschgeist ausschenken müssen. (Lacht.) Da gibt's a schöne Gschicht: Wir machen doch in der Wiesnzeit immer eine "Brandner"-Vorstellung, nach der wir dann mitm Publikum aufs Oktoberfest gehen. Da kam eine ältere Frau daher, die hat an Kerschgeist dabeigehabt und wollte unbedingt mitm Maxi (Maximilian Brückner spielt den Boandl, Anm. d. Red.) trinken. Er hat richtig geblödelt, und sie hat gsagt: "Wissen’S, Herr Brückner, mit Eana trink I gern an Kerschgeist. I bin so krank, i sterb bald, aber wenn i im ,Brandner’ bin, geht's mir besser." Das war schon rührend. - Zweimal ist der "Brandner Kaspar" zur Kult-Inszenierung geworden. Worin liegt das Geheimnis? Er ist ja so ein bissl ein Münchner "Jedermann". Was ich an unserem mag, ist, dass er viel komödiantischer ist. In Salzburg sagt man, "wenn der Tod auf die Bühne kommt, werden die Zuschauer still". Bei uns ist es so: Wenn der Tod auf die Bühne kommt, fangen alle an zu lachen. Die Grundhaltung von dem Stück ist die Sehnsucht danach, den Tod bescheißen zu können - das ist doch die Grundhaltung von uns allen. Wenn die Leut' ihre Kinder ausm Haus haben, fangen's an gegen den Tod zu kämpfen. Beim "Brandner" kommt dazu, dass er mit viel Witz geschrieben ist, ja, auch manche Klischees bedient werden... und die heile Welt im Himmel... - Wie der "Jedermann" basiert der "Brandner" auf einer fröhlichen, bildmächtigen Volksfrömmigkeit. Na ja... Bei beiden Stücken ist es schon unterschiedlich. Viele mögen den "Jedermann" nicht, obwohl er genauso begehrt ist. Sie lehnen das Ende ab; das ist ihnen zu einfach: Einer braucht bloß bereuen, dann ist er von seinen ganzen Sünden befreit. Der Brandner will auch ums Fegefeuer herumkommen. Ich weiß nicht - mit der Frömmigkeit? Wichtig ist einfach die Szene mit dem Kerschgeist, weil alle lachen können. Die Leut' lachen wahnsinnig gern im Theater. Das ist, was du immer wieder hörst: Die Menschen wollen am Abend ins Theater gehen und lachen. Bei uns hängt das ganz stark damit zusammen, wie's der Maxi macht, zusammen mit dem Alexander Duda (spielt den Brandner Kaspar, Anm. d. Red.). In der alten Inszenierung war Toni Berger der Boandlkramer. Für uns war 2005 die Frage: "Wer toppt den Berger?" Das haben wir nur mit einem geschafft, der etwas ganz Eigenes aus der Rolle entwickelt hat. - In beiden Stücken spielt der Tod eine bedeutende Rolle - wir Bayern haben allerdings mehr Glück mit ihm. Ich habe damals den Glücksgriff getan mit den Riederingern (Musikgruppe, Anm. d. Red.). Wegen ihnen haben wir den Himmel ausgebaut - für viel mehr Engel. Und wir haben andere Geschichten eingebaut, etwa, dass sich die Engel gegen das Hosianna-Singen wehren (Zitat aus Ludwig Thomas "Ein Münchner im Himmel"):"Schee fad!". - Was fällt bei den Gastspielen auf? In Rio oder Bozen? Das ist lustig. In Rio haben wir gedacht, dass die Zuschauer uns trotz Übersetzung - "Boandlkramer" wurde "Knochenhändler" - nicht verstehen. Aber der Katholizismus ist dort noch mehr verfestigt als bei uns: Wenn Petrus ausm Himmel zurückkommt und sagt, "alle drei warn's da und d'Maria", dann dauert's bei unserem Publikum: "Wer jetzt, alle drei? Ah, die Heilige Dreifaltigkeit!" In Rio ham's sofort losglacht. In Südtirol war die Überraschung, dass man unser Boarisch nicht verstanden hat. In Rio haben die Leut' allerdings erklärt: "Eines ist bei uns völlig anders - bei uns gibt's keine männlichen Engel, bei uns schwirrt der Himmel vor lauter Frauen." - Wie schwierig ist es, immer wieder die "Brandner"-Schar zusammenzubringen? Obwohl die 250. Vorstellung naht, spielen alle den "Brandner" wahnsinnig gern. Wir bringen ihn durchschnittlich zweimal im Monat. Das sind circa 20 Vorstellungen im Jahr. Es ist übrigens fast komplett die Erstbesetzung, und es funktioniert gut. - Worauf muss man als Regisseur dringen, damit eine so lang laufende Inszenierung nicht verschlampt? Ja, zwischendurch sag' ich schon manchmal was. Aber eigentlich lass' ich den "Brandner" ziemlich laufen, denn er verändert sich schon auch - und das soll er. Bestimmte Witze funktionieren nicht mehr so: Wenn der Nantwein nach Wolfratshausen nunterschaut und Erzengel Michael sagt, "von Wolfratshausen ist noch nie was Gscheits gekommen", dann haben die Zuschauer vor sechs Jahren gegrölt. Heute ist der Stoiber schon zu weit weg. Dafür entstehen andere Dinge. In Oberammergau war die Vorstellung eine halbe Stunde länger - so viel haben die Leut' glacht. - Wie lange wollen Sie das Stück im Programm halten? Im Augenblick denken wir nicht ans Aufhören. Das Gespräch führte Simone Dattenberger. Münchner Merkur, 19. Juli 2013 Die Vorstellung am Sonntag beginnt wegen des Theaterfests schon um 17Uhr (ausverkauft, eventuell Restkarten). Die 251. Vorstellung ist am 5. Oktober. 250.
Vorstellung des "Brandner
Kaspar" am Volkstheater. Drei Fragen
an Regisseur Christian Stückl
Geht das, kann man dem Tod tatsächlich ein Schnippchen schlagen? Einen Versuch zumindest ist es wert. Ob es aber gelingt, ist anzuschauen im inzwischen legendären Bühnenstück "Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben" am Münchner Volkstheater. Erzählt wird die Geschichte eines bayerischen Grantlers, gespielt von Alexander Duda, der keine Lust hat, mit 74 Jahren den Löffel abzugeben. Also feilscht er mit dem so genannten Boandlkramer, verkörpert von Maximilian Brückner, um weitere Lebensjahre. Am Sonntag, 21. Juli öffnet sich der Vorhang des umjubelten Dauerbrenners zum 250. Mal. Anlass genug, um den Regisseur und Intendanten des Volkstheaters, Christian Stückl, ein paar Fragen zu stellen. - Sakradi, Herr Stückl, jetzt läuft der Brandner Kaspar schon zum 250. Mal und die Leute kommen immer noch. Fast jedes Mal wird vor vollem Haus gespielt. Wie erklären Sie sich das? Christian Stückl: Kann man das überhaupt erklären? Es hat sicher damit zu tun, dass die Leute auch diese Sehnsucht haben, wie sie der Brandner hat. Man will dem Tod entkommen. Das ist nur menschlich. Die Leute tun ja mehr denn je dafür, um den Tod a bissl zu bescheißen. Botox und Schönheits-OPs, das sind solche Versuche. - Und wie sieht es bei Ihnen aus, sind Sie auch auf der Flucht vor dem Tod? Christian Stückl: Ich hab nur wenig Zeit drüber nachzudenken. Zum Glück. Aber im Grunde müsste ich schon auch was dafür tun, wenn ich irgendwie aus der Nummer rauswollte. Vielleicht könnte ich mit dem Tod verhandeln, wenn ich sage, ab heute rauche ich nicht mehr. Doch soweit bin ich nicht. (lacht) - Es gibt sicher viele eingefleischte Brandner-Fans?! Christian Stückl: Und ob. Wir haben sogar einen Brandner-Stalker, so will ich ihn mal nennen. Der Mann hat sich sogar selbst den Namen "Brandner" gegeben. Er war bereits in 80 Vorstellungen. Und kann den ganzen Text mitsprechen. Das macht er dann auch. Kein Vergnügen für die, die neben ihm sitzen. Das Interview führte Sylvie-Sophie Schindler. Münchner Wochenblatt, 20. Juli 2013 ...
komme gerade aus München zurück.
Der 250. Brandner - GRATULATION!
Das Haus war ausverkauft wie
immer und die Zuschauer und
Schauspieler bestens aufgelegt.
Es ist was anders das Stück in
München zu sehen, jedenfalls war
es wieder zum hervorragend, das
Publikum hat gejubelt und es gab
jede Menge Zwischenapplaus.
Leider keine stehenden Ovationen
wie in O'gau am Schluss, aber
gefeiert wurde sehr - vor allem
natürlich Maxi.
Da Maxi extra hoch zu den Technikern/Beleuchtern gerannt ist, nehme ich an dass Typ in Pulli und Straßenhose neben Meister Stückl der Bühnenbildner oder einer der Techniker ist. Das Sommerfest war auch sehr gut besucht und die Riedinger haben aufgespielt. Auch habe ich kurz die Gelegenheit gehabt Maxi zum 250. zu gratulieren - er ist echt ein sehr netter und höflicher junger Mann mit einen sehr spitzbübischen Lächeln. Ich hab auch einen Gruß von dir bestellt und er meinte, schade das du es nicht geschafft hast - aber zum 500. wird es wohl dann klappen. Nach meinen "WOW" sagte er nur lachend - "na hoffentlich hab ich nicht zu viel versprochen - schaun mer mal... ". Also der Abend war sehr schön, auch Dank des tollen Wetters. Anbei noch ein paar Bilder - nicht so toll, aber Maxi mit Sonnenblumen ist schon niedlich. Text
und Photos © Ines Becker,
21. Juli 2013. Verwendung
mit freundlicher
Genehmigung. Danke!
Fetziger Totentanz - Die 250. "Brandner Kaspar"-Vorstellung überzeugt wie bei der Premiere Das war ein Klatschen und Trampeln und Jubeln: Trotz der dreieinhalb Stunden riss die 250. Vorstellung von Christian Stückls Inszenierung von Kurt Wilhelms Stück "Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben" die Zuschauer hin. Sonst fahren die Stadterer am Sonntag aufs Land - jetzt war's umgekehrt. Im Münchner Volkstheater gab es eine starke Oberland-Fraktion. Und es herrschte, wie es sich gehört angesichts der Himmlischen, nicht nur Harmonie in urban-bukolischer Hinsicht, sondern auch in familiärer. Vom Bobberl bis zum Weißschopf waren alle griawig beinand. Das ist logisch, denn Intendant Stückl hat ja sogar an Deiferl (mit Gamskrickl als Hörner) in Petrus' Amtsstube integriert. Solch Augenzwinker-Strategien ziehen sich durch die gesamte Aufführung, die mit einem schrägen Jäger-Ballett zum passenden "Freischütz"-Ohrwurm fetzig durchstartet. Es wird dann auch gleich der Preiß (als herzige Rampensau Tobias van Dieken) integriert. Übrigens inklusive ein paar "Weiße Rössl"-Songs... Da fragt man sich doch, wann Stückl eine Operette macht? Dass es in diesem "Brandner" viel Musik geben muss, ist klar: Die Blosn der Jungen Riederinger Musikanten ist schließlich ein fetter Pluspunkt der Inszenierung. Ob Oper oder Viergesang, ob Wirtshaus- oder Militärmarsch, ob Gstanzl oder sanfte Seligenklänge - immer is des a zeame Musi. Die Burschen, die jetzt eher gstandne Männer sind -die Premiere war 2005 - und ein Madl integriert haben, spielen ihre Instrumente genauso lustvoll wie ihre Bühnenpartien. Den gleichen Spielspaß versprühen die Darsteller auf Alu Walters gar nicht danschig-harmloser Bühne: Susi Brückner als frisches Marei, Ursula Burkhart mit einer oidn Ratschen, Stefan Murr als rescher Wuiderer, fein differenzierend Markus Brandl als Jager, Hans Schuler als Komödianten-Viech (Bürgermeister, Nantwein), Hubert Schmid als Grantl-Erzengel Michael und Peter Mitterrutzner als milder Portner. Sie alle kreisen fröhlich um das Doppelgestirn Alexander Duda als Brandner Kaspar und Maximilian Brückner als Boandlkramer. Duda ist mit ganz viel Schmunzel-Humor in die Rolle des oidn Baazi und Lebenskünstlers quasi hineingeschmolzen. Zeigt aber genauso den Widerständigen gegen Obrigkeit und Tod sowie den armen Hund, dem das Schicksal die Lieben nimmt. Nach wie vor ein Spezial-Ereignis ist Brückner als Boandl. Sein gesamter Auftritt ist eine einzige Choreographie: der Ein-Mann-Tanz eines Zwangs-Einzelgängers. Von der weiten Pathosgeste - man ist ja schließlich der Tod - über das Kindskopf-Gliederspiel bis zum Zehengekräusel des Verlegenen. Dieser hier integrierte Unintegrierte gibt Brückner die Möglichkeit zu einem flirrenden Spiel-Kaleidoskop der hinreißenden Art. Auf zur 500. Vorstellung! Die nächste Vorstellung ist am 5. Oktober. Von Simone Dattenberger, Oberbayerisches Volksblatt, 23. Juli 2013 Welch
Wagnis also für Christian
Stückl, der sich nach
anfänglichem Zögern 2005 zu
einer Neuinszenierung am
Münchner Volkstheater
entschloss. Und siehe da,
auch er bewies, dass das
Lustspiel über Leben und
Tod, wuchtig barock und mit
viel Musik auf die Bühne
gebracht, die Zuschauer in
Scharen ins Theater treiben
kann und ganz nebenbei zum
Karrieresprungbrett taugt.
Maximilian Brückner
brillierte von der Premiere
weg als herzerweichend
einsamer Boandlkramer. Bis
heute läuft der Brandner
Kaspar mit Brückner und
Alexander Duda als Kaspar.
Fast 30 Jahre lang tupfte der Brandner Kaspar im Kartenspiel den Kerschgeist umsäuselten Boandlkramer am Bayerischen Staatsschauspiel und brachte auf diese hinterkünftige Weise die gesamte himmlische Ordnung durcheinander. Vom Publikum frenetisch gefeiert, von der Kritik als 'hirschlederne Operette' zerfetzt, lief das Stück von Kurt Wilhelm nach einer Erzählung von Franz von Kobell so lange, bis fast alle großen Volksschauspieler gestorben waren: Gustl Bayrhammer, Fritz Straßner, Toni Berger. Aus:
Süddeutsche
Zeitung, 15. Oktober
2013
275. Vorstellung zum 10-jährigen Jubiläum der Premiere am 7. April 2015
Zehn
Jahre Brandner Kaspar
Ach
wäre uns doch nur ewiges Leben
vergönnt. Oder doch nicht? Kein
Stück hält unserer Angst vor dem
Ende den Spiegel so schön vor wie
der „Brandner Kaspar“. Am
Volkstheater feiert er jetzt
Jubiläum.
München – Über manche Fragen, so glaubt man, muss man sein ganzes Leben nicht nachdenken. Die zum Beispiel: Was heißt „Boandlkramer“ auf portugiesisch? Nun, es ist etwa neun Jahre her, da zerbrach sich Regisseur Christian Stückl genau darüber den Kopf. Den „Brandner Kaspar“ sollten seine Schauspieler aufführen, aber nicht wie sonst am Volkstheater an der Brienner Straße, München, sondern 9500 Kilometer weiter süd-westlich - in Rio de Janeiro. Ein Gastspiel an der Copacabana, damals dachten sie vielleicht, besser geht’s nicht. Die Riederinger Musikanten, die beim „Brandner Kaspar“ als halbnackerte Engerl aufspielen, posierten fürs mitgereiste Fernsehen in Lederhosen und mit Tuba am weißen Sandstrand. Die brasilianischen und arg katholischen Zuschauer lachten sich buckelig, weil in dem Stück die Kirche ganz schön aufgezwickt wird. Dass das Publikum dank zeitverzögertem Untertitel immer an den falschen Stellen kuderte: geschenkt. Und dann auch noch die Geburtstagsparty vom Stückl, bei der die brasilianische Polizei anrückte. Ein Nachbar sah wohl nicht ein, weshalb er sich von lautstarken „Prosit der Gemütlichkeit“-Gesängen den Schlaf rauben lassen soll. „Ja, das war eine Gaudi“, sagt Stückl heute noch. Aber die eigentliche Sensation, die passiert am Dienstag. Der „Brandner“, dieses ewige Drama um Leben und Tod, das beim Volkstheater mehr Komödie als Drama ist, wird zehn Jahre alt. 275 Mal haben sie am Volkstheater dieses Stück gespielt, über den schlitzohrigen Brandner Kaspar, der noch nicht recht mitgehen mag mit dem Boandlkramer, als der ihn holen will. Der irdische Lump zückt ein Zaubermittel gegen den Tod, den Kerschgeist, und schwindelt dem Boandl beim Kartenspiel ein paar Lebensjahre ab. Und so weiter und so fort. Gibt es in Bayern jemanden, der den Klassiker nach der Vorlage von Kurt Wilhelm beziehungsweise seines Ururonkels Franz von Kobell noch nicht auf irgendeiner Dorfbühne gesehen hat? Fast 180?000 Zuschauer waren bislang im Volkstheater beim Ringen zwischen Alexander Duda als Brandner und Maximilian Brückner als Boandlkramer dabei. Mehr als jeder hundertste Bayer. Warum ist dieses Stück so verdammt erfolgreich? Stückl sitzt jetzt im Theater-Foyer, zieht an seiner Zigarette, sagt erst: „Ja mei, das weißt’ vorher nie.“ Dann: „Wir sind alle ständig mit dem Tod beschäftigt. Im ,Brandner' wird der Tod b'schissen, darüber kann der Mensch lachen.“ Stückl wiehert. Und erzählt eine Geschichte, die zeigt, dass der „Brandner Kaspar“ manchmal die Angst vorm Tod nimmt. Einmal, da ist die ganze „Brandner“-Truppe samt Zuschauern auf der Wiesn im Bierzelt. Es gibt - nun ja - viel Bier, und plötzlich kommt eine alte Dame zu Stückl. „Bei mir dauert’s nimma lang, i bin krank“, sagt sie. „Aber jetzt tät i gern mit'm Tod a Stamperl trinken.“ Stückl winkt Maxi Brückner alias Boandlkramer herbei, und die zwei, der Tod und die Todgeweihte, stoßen mit einem Klaren aufs Leben an. Brückner, der grad neben Stückl im Foyer sitzt, sagt: „Es freut mich, wenn die Leute sagen: So schlimm ist der Tod ja gar nicht.“ Dass er denen, die Angst davor haben, mit so einfachen Mitteln helfen kann. „Ich bin ja bloß ein einfacher Gaukler.“ Der Tod ist ein bescheidener Kerl. Man muss ja froh sein, dass es den Volkstheater-„Brandner“ überhaupt gibt. Das ist, so kann man das ruhig sagen, schon auch dem Sturkopf vom Stückl zu verdanken. Jahrzehntelang gibt es in Bayern genau einen wahren Boandlkramer. Den großen Toni Berger nämlich, der am Residenztheater ab 1975 den Tod spielt. Und spielt. Und spielt. Dann kommt der große Regisseur Dieter Dorn ans „Resi“, und setzt den volkstümlichen Publikumsrenner ab. Nach 1000 Darbietungen. Dorn sagt, so geht die Legende und so erzählt's auch Stückl selbst: „Dann soll ihn der Stückl machen. Zu dem passt’s.“ Der ist grob beleidigt und denkt sich: „Den ,Brandner', den alten Schmarrn, den mach i ned.“ Es kommt, wir wissen es, anders. Stückl plant zu dieser Zeit die „Dreigroschenoper“, er will sie mit den Jungen Riederinger Musikanten aufziehen. Kriegt aber die Rechte nicht. Und entscheidet: „Dann machma den ,Brandner‘, aber extra bled.“ Bled im Lausbuben-Sinn. Und Brückner, damals erst 26, tritt in Bergers Fußstapfen, ach woher, er hüpft mit seinem Wahnsinns-Talent und der Unbeschwertheit der Jugend einfach drüber hinweg. Bis heute. „Wir sind alle miteinander alt geworden“, sagt Stückl. „Aber man merkt es nicht.“ Das ist, meint der Volkstheater-Chef, wie bei seiner alten Tante. „Die hat für mich auch immer gleich alt ausgeschaut.“ Freilich hat sich was verändert. Die Besetzung ist zwar bis auf ein paar Ausnahmen noch die alte (das „Marei“ ist mal schwanger geworden, Brückners Schwester Susi sprang ein). Aber: Viele Schauspieler, die vor zehn Jahren Ensemble-Mitglieder waren, sind längst nicht mehr fest am Theater und gut beschäftigt - trotzdem kehren sie immer wieder zurück an die Brienner Straße. Stefan Murr zum Beispiel, der regelmäßig große Rollen beim Nockherberg-Singspiel bekommt (heuer: Verkehrsminister Dobrindt), spielt beim „Brandner“ den Tagelöhner Florian. Brückner hat als „Tatort“-Kommissar gedreht, Kino-Filme gemacht - und die vierte Garnitur seines Boandlkramer-Kostüms fast durchgewetzt. Und trotzdem freut er sich noch auf jeden einzelnen „Brandner Kaspar“. „Das ist ein Geschenk“, sagt er. „Sowas kriegt man bloß ein Mal.“ An der Dramaturgie hat Regisseur Stückl nichts verändert in all den Jahren. Trotzdem ist jede Vorstellung anders. Im Passionstheater Oberammergau, auch da gibt es seit 2010 regelmäßig Gastauftritte, dauerte die Vorstellung einmal nicht wie sonst drei Stunden, zehn Minuten inklusive Pause. Sondern eine halbe Stunde länger, weil die Leute so viel lachten zwischendurch. Brückner brach sich mal fast die Zehen, als er voller Zorn mit dem Haxn ausholte und gegen die Kulisse donnerte - das dünne Sperrholz, das er an dieser Stelle gewohnt war, hatten sie gegen eine massive Platte ausgetauscht. Und manchmal, sagt Brückner, macht die eigene Situation eine Aufführung ganz besonders. So wie damals, als kurz vor der Vorstellung ein Volkstheater-Kollege gestorben war, Brückner ging auf die Bühne, das Herz schwer vor Trauer. „Sonst hab ich Firlefanz gemacht“, sagt er. An diesem Abend nicht. „Die Bedeutung von Tod hat plötzlich eine ganz andere Tiefe bekommen.“ Sie haben es ja nicht so geplant, dass „Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben“ ewig geht. Aber was willst machen, wenn beim Vorverkauf schon in der Früh 150 Leute anstehen - zumindest war's die ersten Jahre so. Und deshalb haben sie einfach immer weitergemacht. Es gibt Zuschauer, die sind richtig süchtig. Ein Fan reiste auf eigene Kosten mit nach Rio. Ein Stammgast im Volkstheater trieb Brückner und die anderen Schauspieler fast in den Wahnsinn. 50 Vorstellungen am Stück saß er vorne links. „Der hat immer mitgeredet, und zwar ein paar Takte vor mir“, sagt Brückner. „Da wirst verrückt.“ Der Mann nannte sich „Boandl“, seine Begleitung „von Zieten“, das ist der Preiß im Stück. In den ersten zwei Jahren haben sie den „Brandner“ 100 Mal gespielt, jetzt noch ungefähr zweimal im Monat. Wie lange, Herr Stückl, Herr Brückner, geht das noch so weiter? Wann ist Schluss? „Wenn es nicht mehr voll wird“, sagt Stückl. „Ich tät's nicht aufhören“, sagt Brückner. „Vielleicht müssen wir doch mal was ändern“, sagt der Regisseur dann. Es gibt da diese Szene, wo der Boandlkramer sportlich auf den Tisch hüpft. „Irgendwann wird er das nicht mehr können, der Maxi“, sagt Stückl, und lacht. „Dann kriegt der Tod halt einen Treppenlift.“ Die Jubiläumsvorstellung und die am 5. Mai sind ausverkauft. Pro Monat gibt es ca. zwei Termine, die nächsten werden am Dienstag festgelegt. Für das Gastspiel in Oberammergau am 10. und 11. Juli gibt es noch Karten (Tel. 089/ 523 46 55) Von Carina Lechner, OVB-online.de, 4. April 2015 Und läuft und läuft - Zehn Jahre, 274 Vorstellungen und noch immer dasselbe Team: "Der Brandner Kaspar" am Volkstheater München – Eines Tages, irgendwann im Jahr 2006, reichte die Menschenschlange von der Kasse des Volkstheaters hinaus in den Hof und bis vor zur Brienner Straße. Einige hatten Klappstühle dabei, auf denen sie warteten. Es war Vorverkaufsstart für den "Brandner Kaspar". Das war der Moment, als Maxi Brückner wusste: „Das wird was Großes.“ Ziemlich genau zehn Jahre ist das her, 274 Vorstellungen "Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben" sind gespielt, mehr als 178 815 Menschen, die Tourneen mitgerechnet, haben die Inszenierung Christian Stückls gesehen. Franz von Kobells Geschichte vom Brandner Kaspar, der dem Tod beim Kartenspiel ein paar zusätzliche Lebensjahre abluchst, ist bayerisches Kulturgut, die Volkstheater-Inszenierung ein Selbstläufer. Noch ist jede Vorstellung ausverkauft. Kathrin von Steinburg, 37, Stefan Murr, 38, und Maxi Brückner, 36, treffen sich ein paar Tage vor dem Jubiläum im Foyer des Volkstheaters. Normalerweise sehen sie sich nur an Brandner-Tagen, etwa zweimal im Monat. Sie erzählen. Von dem einen Mal, als die Vorstellung komplett ausfallen musste, weil der Stückl dem Maxi Brückner bei Proben zu einem anderen Stück versehentlich einen Stuhl über den Kopf gezogen hatte und Brückner mit Gehirnerschütterung darniederlag. Ein anderes Mal, von Steinburg war gerade schwanger, platzten ihr auf der Bühne beim tiefen Luftholen die Blusenknöpfe weg. Sie erzählen von einem Fan, der immer einen Hut trug und eine Zeitlang zu jeder Vorstellung kam und immer in der ersten Reihe saß. Keiner wusste, wer er war. Als Stefan Murrs Sohn 2007 geboren wurde, hetzte er zwischendurch vom Kreißsaal ins Theater, um zu spielen. Christian Stückl, sofort Herr der Lage, arrangierte ein paar Szenen so um, dass Murr schneller fertig war und direkt zurück ins Krankenhaus flitzen konnte. Sie berichten auch vom unvergleichlich wuchtigen Applaus, der sie jedes Mal überschwemmt und der es unmöglich macht, eine schlechte Leistung abzuliefern, auch nach 274 Vorstellungen. Und sie erzählen vom Tod eines Mitarbeiters des Volkstheaters, nach dessen Beerdigung sie am Abend dem Brandner Kaspar spielten. Die Schwere, die Trauer, die irgendwo unter den großartig komischen Texten liegt, war an jenem Abend spürbar, der Tod ein wenig ernster als sonst. Nie wieder hätten sie so gespielt, sagt Brückner. Natürlich berichten sie von der Gastspielreise nach Rio de Janeiro im Jahr 2006. Die Brasilianer, ein zutiefst katholisches Volk, hätten erstaunlich gut auf die Geschichte reagiert, zeitlich etwas versetzt zwar, wegen der eingeblendeten Übertitel. „Nur mit den Engeln hatten sie gewisse Probleme“, sagt Brückner, „weil sie es sehr befremdlich fanden, dass bei uns im Himmel leichtbekleidete Männer herum hüpfen.“ Jeder der Schauspieler führt inzwischen ein anderes Leben als das vor zehn Jahren. Filme, Theaterengagements, Tatorte, Kinder, Ehen - in zehn Jahre kann man eine ganze Menge Leben packen, wichtige Entscheidungen treffen und wieder verwerfen. Einige der Darsteller wohnen nicht mal in München, aber machen die Brandner-Termine jedes Mal möglich. „Es ist toll, dass der Brandner etwas ist, was immer gleich bleibt. Eine Konstante im Leben“, sagt Maxi Brückner. „Das begleitet dich durch gute und schlechte Zeiten“, sagt Kathrin von Steinburg. Ihre Rolle der Marei ist die einzige, die zwischendurch umbesetzt werden musste: Sie hat in den zehn Jahren zwei Kinder geboren. Dabei wollte Stückl damals eigentlich "Die Dreigroschenoper" inszenieren. Zu groß war die Angst vor dem Vergleich mit der Brandner-Inszenierung von Kurt Wilhelm am Residenztheater aus dem Jahr 1975, in der Toni Berger mehr als tausend Mal den Tod gespielt hatte. Doch dann rückten die Erben Kurt Weills die Rechte nicht heraus, Stückl disponierte um und schuf mit Maxi Brückner einen so jungen Tod, dass jeder Vergleich obsolet wurde. Am 7. April läuft die 275. Vorstellung des Stücks, eine Absetzung ist nicht geplant. „Ich denke, jeder möchte dem Tod ein Schnippchen schlagen, weil alle Angst vor ihm haben“, sagt Brückner auf die Frage, warum das Stück so erfolgreich ist. Murr fügt an: „Aber wenn man dann sieht, dass der Tod menschlich ist, sogar ein verletzlicher Typ, wird das ernste Thema irgendwie greifbarer.“ Außerdem sei es im Brandner-Himmel genauso wie auf Erden. Nur schöner. Von Christiane Lutz, Süddeutsche Zeitung, 4. April 2015, S. R18
Jubiläumsvorstellung
im
Münchner Volkstheater - Der
"Brandner" und seine treuen
Zuschauer
Lenggries/München - Seit genau zehn Jahren zeigt das Volkstheater München den "Brandner Kaspar". Auch die 276. Vorstellung der Inszenierung von Christian Stückl ist ausverkauft. Einer der treuesten Zuschauer kommt aus Lenggries. Er sitzt eigentlich nicht so gerne in der ersten Reihe. „Da muss ich den Kopf so weit nach links und rechts drehen, um alles zu sehen.“ Aber am Dienstag macht es sich Sigi Gerg auf dem Ehrenplatz direkt vor der Bühne des Münchner Volkstheaters gemütlich. Auch bei der Jubiläumsvorstellung soll dem Lenggrieser Theater-Fan nichts entgehen. Dabei kennt er die Inszenierung in- und auswendig. 35-mal hat er den "Boandlkramer" schon gesehen. Nicht nur in München, sondern auch in Riedering, Oberammergau und Bozen. Ja und eben auch in Rio de Janeiro. „Einer ist uns bis nach Brasilien nachgereist“, sagt Regisseur Christian Stückl nach der umjubelten Jubiläumsvorstellung und deutet auf den Sigi in der ersten Reihe. Die treuen Zuschauer und die seit zehn Jahren unveränderte Schauspielertruppe: „Ihr seid miteinander schuld an dem Erfolg“, sagt der Intendant, nachdem sich die Begeisterungsstürme gelegt haben. Stückl kramt in den Erinnerungen: Bei dem Gastspiel in Brasilien haben sie ihm gesagt, sie stellen sich den Himmel voller schöner Frauen vor. In dem bayerischen Stück sähen sie dagegen nur junge Männer als Engel. „Brasilianer und Bayern miteinander im Himmel - das wär's“, scherzt Stückl. Inzwischen hat die Anspannung nachgelassen. Während der über dreistündigen Aufführung steht der Regisseur mal links, mal rechts neben der ersten Reihe. Gespannt hängt er an den Lippen der Darsteller und registriert die Reaktion des Publikums. Jede Pointe sitzt, auch wenn die letzte Vorstellung schon fünf Monate her ist. In den Gesichtern der Ehrengäste ist die Begeisterung zu lesen, die der Dauerbrenner auch nach zehn Jahren noch entfacht: Münchens Alt-Oberbürgermeister Christian Ude und seine Frau Edith von Welser-Ude sind ebenso begeistert wie Josef Schmid. Der stellvertretende Chef der Landeshauptstadt und dessen Frau Natalie sind zum ersten Mal im "Brandner". „Es wird nicht der letzte Besuch sein“, sagen sie schon in der Pause. Kurz zuvor ist Sigi Gerg unruhig geworden. „Pass auf, jetzt kommt gleich meine Lieblingsstelle“, flüstert er. Alexander Duda leert als "Brandner Kaspar" eine halbe Bier auf ex - und fällt mit hochrotem Gesicht auf den Tisch. Der scheinheilige Bürgermeister Alois Senftl (Hans Schuler) fragt fassungslos: „Is er hi?“ Nein, den Gefallen tut ihm der Kaspar nicht, er ist nicht tot, er hat ja dem Boandlkramer mit seinem betrügerischen Kartenspiel und viel Kerschgeist 18 Lebensjahre abgeschwindelt. Sigi Gerg mag die Schauspielerei. In jungen Jahren ist er selbst mit der Lenggrieser Kolpingsfamilie auf der Theaterbühne gestanden. Inzwischen beschränkt er sich aufs Zuschauen. 2005 hat er den "Brandner" zum ersten Mal gesehen - mit anschließendem Wiesn-Besuch. „Da lernt man sich schnell kennen“, sagt der Lenggrieser. Der 68-Jährige ist längst mit allen Schauspielern per Du - mit "Boandlkramer" Maximilian Brückner und Stefan Murr ("Flori") aus Bad Tölz ebenso wie mit "Portner" Peter Mitterrutzner. Und erst recht mit den Riederinger Musikanten. Heute ziehen sie mit ihren Schnaderhüpfeln Bayerns Vize-Ministerpräsidentin auf - und Ilse Aigner kann herzlich lachen: „Ja die Ilse, jeden will sie.“ Das ist das Schöne an dem Theater: „Jede Aufführung ist ein bisschen anders“, sagt Sigi Gerg. Deshalb ist längst schon die nächste Vorstellung gebucht - im Herbst zur Wiesn-Zeit. Von Alois Ostler, Merkur-online.de, 9. April 2015
Wenn er kommt, setzt ein Schneewehen ein, brrrr ... der Winter unseres Missvergnügens. Zwielichtig steht er in der Tür, hager, bleich und abgerissen: der Knochenkrämer, bairisch: Boandlkramer, vulgo: der Tod. Eine Gestalt wie eine Vogelscheuche. Barfüßig. Zahnluckert. Hohlaugert. Mit zerbeultem Zylinder und Fetzenfrack. Wahrlich, ein Schreckgespenst! Und doch: ein armer Teufel. Subalternes Faktotum und froschagiler Springinsfeld. Freund Heini. Macht halt auch nur seinen Job. Maximilian Brückner spielt den gefürchteten Killer am Münchner Volkstheater derart entzückend als spillerigen Kobold, naiven Kasperl und menschelnden Kauz, dass man ihn direkt lieb haben und ein bisschen bemitleiden muss. Was für ein Scheiß-Beruf aber auch! Der einsamste, undankbarste von der Welt. Nichts als Angst, Widerstand, Ärger. Immer nur Kummer. Nie mal ein Spaß. Kein Wunder, dass der Kerl schwach wird, als ein bayerischer Bazi namens Brandner Kaspar ihm ein Schnapserl anbietet. Und dann noch eins und noch eins. Zwölf an der Zahl. Allerbester Kerschgeist. Da wird dem Boandlkramer erst furchtbar schlecht, dann ganz schön heiß (ums weiche Herz und in den schlacksigen Gliedern), bis er schließlich im Vollrausch die alleransteckendste Lustigkeit entwickelt. Dass er sodann beim Kartenspiel vom Todeskandidaten übers Ohr gehauen wird, ist der Clou in Kurt Wilhelms Volksstück „Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben“ und muss im weiteren Verlauf des Stückes auf himmlischen Befehl wieder wettgemacht werden. Was in der Inszenierung von Christian Stückl ein Heiden-, pardon: ein Erzkatholikenspaß ist. Zehn Jahre steht sie nun schon auf dem Volkstheater-Programm, in dieser Woche wurde Jubiläum gefeiert. Die 275. Vorstellung - und immer noch so puttenfrisch, kerschgeistbeseelt und bayernklischeeverspielt wie am Anfang. Absolut kultig. Was inhaltlich vielleicht nur Bayern verstehen. Theatralisch aber wird die Begeisterung jeder verstehen, der Maxi Brückners Boandlkramer-Furioso sieht. Zum Niederknien. Von Christine Dössel, Süddeutsche Zeitung, 11. April 2015, S. 16 Heiliger Portner, war das ein Aufschrei! Die Traditionalisten schäumten: Der neue Residenztheater-Intendant Dieter Dorn hatte 2001 die Kult-Aufführung "Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben" aus dem Repertoire gestrichen. Seit 1975 war das Stück von Kurt Wilhelm in dessen eigener Inszenierung 1000 Mal gespielt worden - mit legendären bayerischen Volksschauspielern: Fritz Strassner war der listige Brandner Kaspar, Toni Berger der ausgetrickste Boandlkramer, Gustl Bayrhammer der Himmels-Pförtner (Portner) Petrus. Die Protagonisten wechselten, aber die Aufführung blieb über 25 Jahre ein Dauerbrenner. Dorn konnte gute Gründe für die Absetzung vorschieben: Die baufälligen Kulissenhätten komplett erneuert werden müssen. Doch wer Dorns Ästhetik aus seiner Kammerspiele-Ägide kannte, der wusste, dass die altbackene Staatstheater-Inszenierung nicht in sein Konzept passte. Der "Brandner Kaspar" gehöre eher an ein Haus wie das Münchner Volkstheater, meinte Dorn maliziös. Das übernahm 2002 gerade Christian Stückl. Der war wenig erbaut vom kollegialen Wink seines Ex-Chefs (Stückl hatte an den Kammerspielen mit "Volksvernichtung" seinen ersten großen Regie-Erfolg außerhalb der Oberammergauer Passionsspiele). "Meinen Spielplan mach’ i scho selber", grummelte er. Denn eben vom heimattümelnden Volkstheater wollte er ja weg. Aber der Dorn saß im Hinterkopf. Drei Jahre später las Stückl den Text in Ruhe. Und wusste, wie's gehen könnte. Der Tod musste jung sein: Dafür hatte er das Ausnahmetalent Maximilian Brückner. Mit dem waren aus Brückners Heimatdorf Riedering bei Rosenheim auch die Jungen Riederinger Musikanten als Gäste zum Volkstheater gestoßen: Acht Burschen und eine Frau, mit schräger, zwischen allen Stilen schrappelnder Blasmusik, mit unbändiger Spiellust und urwüchsigem Witz. Maxi spielte früher dort Tuba. Brückner und die Riederinger Laien waren zwei komödiantische Pfunde, mit denen Stückl wuchern konnte. Sie sind bis heute die Garanten eines Erfolgs, der bei der Premiere 2005 Publikum und Kritiker zur Begeisterung hinriss. Man musste kein Prophet sein, um wie ich damals zu schreiben: »Auch diese Aufführung hat das Zeug, Kult zu werden.« Im Juli 2013 wurde die 250. Vorstellung gefeiert, mittlerweile sind es 280. Und exakt am 7. April 2015 hat der Brandner Kaspar die ersten zehn Jahre seiner ergau- nerten Ewigkeit vollendet - natürlich mit einer Aufführung und einer großen Party. Stückl hat einen Paradigmenwechsel im Umgang mit der Volkstümelei geschafft. An Kurt Wilhelms Text hat er nicht viel verändert, aber er ist frisch, völlig unfromm, fröhlich und frei damit umgesprungen. Er mischt Kitsch, Komik und karikierte Klischees, Pomp und groteske Show-Einlagen: Ein Preuße schuhplattelt zum Schlager "Was kann der Sigismund dafür ...". Im barocken Hochaltar-Paradies schwingt Erzengel Michael mit Allongeperücke und Riesenflügeln beleidigt sein Schwert, wenn die gern in Horn, Trompete oder Posaune stoßende Rasselbande nicht spurt. Denn die frechen Riederinger (B)Engel mit Flügelchen über Lendenschurz und Lederhosen warten lieber auf die Weißwürste, zu denen ihnen Teufel Luzi am Dreizack frische Brezn bringt. Ein wunderbares Komödiantenpaar sind Alexander Duda als knorriger, schlitzohriger Brandner und Maximilian Brückner als Zappelphilipp Boandlkramer: Wie der sich mit Kirschgeist und Falschspiel beim Karteln über den Tisch ziehen lässt und dafür im Himmel verantworten muss, spielt Brückner so hinreißend menschlich-komisch, dass man mit diesem Tod einfach Mitleid hat. Vor allem, wenn er auf einem hohlen Säulensockel sitzt, aus dem ihm seine weggeworfene Zigarette den Hintern heiß macht. Die Respektlosigkeit gegenüber katholischen Traditionen begeisterte auch auf der anderen Seite der Welt. 2006 wurde der "Brandner" von SESC, der größten Kulturorganisation Brasiliens, zu einem Gastspiel nach Rio de Janeiro eingeladen. Ein riesiger Aufwand, vierzig Leute gingen auf die Reise. Das Bühnenbild wurde vorher in Rio nachgebaut, weil die Bühne des SESC-Theaters um ein Drittel kleiner war. Ein Extra-Gag des Bühnenbildners Alu Walter: Statt eines Mini-München-Panoramas ruckelte unter der fliegenden Himmelskutsche eine Rio-Silhouette mit dem Corcovado-Christus über die Bretter. Die Erzengel-Flügel aus Hühnerfedern bekam man nur mit Mühe vom Zoll frei - die Einfuhr tierischer Produkte ist verboten. Der Text wurde erst in Hochdeutsch und dann für die Untertitel in Portugiesisch übersetzt. Jeder Schauspieler sprach wenigstens einen portugiesischen Satz - immer ein Lacher. Und die Brasilianer - nicht nur die deutschsprachigen Cariocas - feierten die bajuwarische Exotik enthusiastisch. Weil ihnen die barocke, witzige Lebensprallheit wesensnah war. Auch auf dem Zuckerhut fanden die Riederinger in Lederhosen und Flipflops ("Apostelbereifung") Fans mit einem Schuhplattler: Auf den "Samba Bavaria" reagierten die Kids lachend mit Capoeira. Der Brandner Kaspar ist weltläufig geworden, der Brückner Maxi ein Film- und Fernsehstar, und die Jungen Riederinger etwas älter. Mit Job und Familie können sie nicht mehr so oft zum Spielen nach München fahren. Was den Kultstatus der raren, stets ausverkauften Aufführungen erhöht. Der nächste Volkstheater-Termin steht noch nicht fest, auf jeden Fall spricht der Boandlkramer im Juli wieder im Passionstheater Oberammergau dem Schnaps zu. Wir wetten um einen Kirschgeist, dass dieser "Brandner Kaspar" bis zu seiner Abberufung in die heiligen Gefilde der Theaterhistorie mehr als 300 Aufführungen schafft und wagen die kühne Hoffnung, dass Christian Stückl sein noch zu bauendes Volkstheater 2020 damit eröffnet. 1871 erschien von Franz von Kobell eine kurze Erzählung: "Die G'schicht vom Brandner Kasper". Den will der Tod (der Boandlkramer = Knochenhändler) holen, aber der Brandner luchst ihm mit Kirschgeist und Karten-Falschspiel noch 18 Lebensjahre ab. Als der Schwindel im Himmel auffliegt, überredet der Tod den Brandner zu einer Stippvisite im Paradies. Die Erzählung bearbeitete Josef Maria Lutz 1934 für die Bühne, das Stück wurde mehrmals verfilmt - zuletzt 2008 von Joseph Vilsmeier mit Bully Herbig als Boandlkramer und Franz Xaver Kroetz als Brandner. 1975 schrieb der BR-Redakteur Kurt Wilhelm, ein Ururgroßneffe Kobells, für das Cuvilliéstheater eine Fassung, die er selbst inszenierte. Sie wurde 25 Jahre lang gespielt. 2005 inszenierte Christian Stückl das Stück am Münchner Volkstheater. Von Gabriella Lorenz, Münchner Feuilleton, April 2015 Der Alternativvorschlag fürs Münchner Volkstheater: [...] Als erstes wäre hier der "Brandner Kaspar" (ist seit über 10 Jahren immer noch ständig ausverkauft) zu nennen - die urbajuwarische Geschichte über den Brandner Kaspar, der den „Boandlkramer“, den Tod, mit Kirschgeist abfüllt und beim Karteln bescheißt, lässt seit Jahrzehnten die bayerischen Weißbierwampen vor Lachen erzittern. Im Volkstheater trumpft Stückls Version vor allem mit einem energiegeladenen Maximilian Brückner, der den Tod so einzigartig gut spielt, dass man geneigt wäre, ohne Widerrede mitzugehen, sollte der knochige Geselle denn einmal vor der eigenen Haustüre auftauchen (und dabei bestenfalls aussehen wie Maximilian Brückner). [...] Von Juliane Becker, Das ist Kunst und das kann weg: Der Anti-Theater-Guide, 7. Januar 2016
Anders kann man die Geschichte von Franz von Kobell, die Jahr für Jahr (vor allem zur Weihnachtszeit) in sämtlichen Fassungen im Fernsehen läuft, nicht beschreiben. Erstmals flimmerte auf der Basis der Theaterfassung von Joseph Maria Lutz 1934 der Film "Der Brandner Kaspar schaut ins Paradies" 1949 mit Paul Hörbiger und Carl Wery in die Wohnzimmer. 1954 folgte eine weitere Version ehe Kurt Wilhelm 1975 "Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben" mit Fritz Straßner als Brandner Kaspar, Toni Berger als Boandlkramer und Gustl Bayrhammer als heiliger Portner produzierte. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. So in etwa müssten die Gedanken des Volkstheater-Intendanten Christian Stückl gewesen sein, als er sich schließlich 2005 an das legendäre Kultstück heranwagte. Mit Erfolg! Warum sonst, ist jede einzelne Aufführung noch heute - elf Jahre nach seiner Premiere - im Münchner Volkstheater ausverkauft?! Kurz erzählt: Der Brandner Kaspar (Alexander Duda in seiner bisher besten Rolle), ein bayerischer Bazi mit viel Freude am Leben füllt den zerzausten, zahnlückigen Boandlkramer, meisterhaft gespielt von Maximilian Brückner (ein befürchteter Vergleich zu Toni Berger kommt gar nicht erst auf), mit Kerschgeist ab und bescheißt ihn anschließend beim Kartln um weitere 18 Lebensjahre. Als der Schwindel im Himmel auffliegt, soll der „Boandl“ den Dickschädel Brandner ins Paradies locken - tot oder lebendig. Eine schwere Aufgabe für den immer ehrlichen Tod. Deshalb verspricht er dem Brandner, dass er ins Paradies reinschauen darf. Und mit Freuden möchte er oben bei den Engeln (den fabelhaften Riederinger Musikanten verkleidet als Weißwurst zuzelnde Engelchen) bleiben, doch der schräge, mit Schminke zugekleisterte Erzengel Michael (Hubert Schmid) weiß, dass aufs Lügen und Betrügen Fegefeuer steht. Mit dem „Boandl“ als Verteidiger, kämpft der Brandner um sein Glück und wird vom Portner Petrus (Peter Mitterrutzner) ins Paradies gelassen. Christian Stückl hat es geschafft: Aus einem einst disziplinierten, lustigen Bauernstück mit tieferem Hintergrund wurde ein urkomisches peppiges Werk, bei dem jeder Zuschauer a Gaudi hat. Genauso genial sind auch die Maske und die Bühnendeko mit der fichtendunklen Fototapete, der graugrünen Wirtsstuben oder dem Himmelstor. Und so verwundert es nicht, dass die Darsteller nach 3 ¼ Stunden harter Arbeit, jedes Mal das bekommen, was sie verdienen: tobenden Applaus und keinen Zweifel daran, dass auch diese Aufführung „Kult“ geworden ist. Von Stephanie Fischer, Monaco de Luxe, 9. November 2016 Mein Kurzbericht (und offenbar auch der einzige überhaupt) zur 300. Vorstellung von "Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben" des Münchner Volkstheaters früher am Abend des 13. Januar 2017: Die 300. Vorstellung ist inzwischen vorbei, das Fest im Foyer ist noch im Gange. Christian Stückl sprach vor Beginn der Vorstellung ein paar Worte, erwähnte dass inzwischen wohl um die 200.000 Besucher die Inszenierung in München, Rio (wo die Zuschauer dank portugiesischer Übertitel alles verstanden und an den richtigen Stellen gelacht haben - im Gegensatz zu München, wo Zuschauer sich manchmal zu fein sind um zu lachen), Südtirol (wo sie die Sprache nicht verstanden haben), Oberammergau und Riedering gesehen haben; dass es ihn besonders freut, dass immer noch fast alle Darsteller die damals die Premiere spielten dabei sind, und nicht wie damals im Resi, als am Ende niemand mehr von der Originalbesetzung dabei war; dass nicht nur die Engerl seit der Premiere dicker geworden seien sondern vor allem auch ihr Regisseur und sie alle miteinander noch länger weitermachen wollen. Alle Schauspieler hatten sich auf offener Bühne versammelt und sangen ein schönes bayerisches vielstrophiges Geburtstagslied für Maxi, nachträglich zu seinem 38. Geburtstag am 10. Januar, der darüber sehr gerührt war. Den Boandl haben sie heute beim Biathlon-Weltcup in Ruhpolding gefunden (und nicht bei den Passionsspielen in Erl wie bei den Vorstellungen im Sommer), später im Stück verwickelte er seine Haare versehentlich mit dem Schirmstiel, der Brandner entwirrte ihn breitgrinsend wieder mit "Ja, da schaugst!", die Zuschauer hatten ihren Spass dabei und die beiden dann einen Texthänger. Im Publikum so ziemlich der gesamte Familien- und Freundesanhang aller Schauspieler, und beinahe alle ehemaligen Engerl - einer davon hüpfte sogar kurz mit durch den Himmel. Ich sass neben der Familie von Kathrin von Steinburg (Marei), die sehr gespannt waren auf die Änderungen seit ihrem letzten Besuch, und von denen einige in der heutigen Aufzählung der Sünden des Brandners vorkamen, und konnte vorher ein paar Worte mit den Perlseer Dirndln wechseln und ihnen zu ihrem Auftritt in der Weihnachtsendung von "Wir in Bayern" gratulieren, und hinterher noch mit dem Georg Staber, dem Spielleiter vom "Riederinger Krippenspiel" und Chef der Herrenschneiderei Staber. Nach der Vorstellung wurden Bierbänke und -tische ins Foyer geschleppt, auch von Christian Stückl, damit wer mitfeiern wollte auch Platz zum Sitzen und fürs Essen und Trinken fand. Ja, es war mal wieder schön - und der Maxi ist immer noch so bieglich wie zu Beginn seiner Zeit als Boandlkramer - und dass obwohl inzwischen beinahe 12 Jahre vergangen sind .... © EFi, 13. Januar 2017
Dieses Schnapsglas ist seit April 2005 im Einsatz, als Christian Stückls Inszenierung von „Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben“ im Volkstheater Premiere feierte. Im Lauf der Jahre stand das Stamperl bei den rund 350 Aufführungen des Stücks als unverzichtbares Requisit auf der Bühne. Denn ohne Schnapsglas kann der Brandner Kaspar (gespielt von Alexander Duda) den Boandlkramer (Maximilian Brückner) ja nicht mit dem guten Kerschgeist vom Jäger Simmerl (Markus Brandl) unter den Tisch saufen, ihn danach beim Kartenspiel bescheißen und ihm weitere 18 Lebensjahre abtrotzen. Und weil das Stück von Franz von Kobell selbstverständlich auch im neuen Haus auf dem Spielplan stehen wird, muss das Schnapsglas beim Umzug unbedingt mit. Beziehungsweise alle 20 Exemplare, die davon im Fundus sind. Sie bestehen aus Pressglas, stammen aus dem Kaufhaus und kosten dort pro Stück nicht mehr als einen Euro. Aus: "Volkstheater Neu Bau", Ausgabe 1, Januar 2018 – kostenlos im Münchner Volkstheater erhältlich
Für die Schauspieler im Münchner Volkstheater gibt es eigentlich keine Zweitbesetzung, daher muss gelegentlich, wenn die/der Hauptdarsteller*in krankheitsbedingt ausfällt auch die Vorstellung ausfallen. Aber sie haben dort mit Christian Stückl einen Chef, der alle Rollen im Kopf hat (allerdings: „Den Boandlkramer mach ich euch ned!“), und bereits 2011 für einige Vorstellungen von Brechts "Dreigroschenoper" als Peachum einsprang, weil die Stimmbänder des Schauspielers nicht so konnten wie sie sollten. Ich hatte das Glück bei einer dieser Vorstellungen dabei zu sein – er machte das ganz super. Gestern Abend war Peter Mitterrutzner indisponiert (Gute Besserung!), also sprang Christian Stückl als Portner ein. Sehr salbungsvoll in der Stimmlage – ist er doch „der Fachmann fürs Katholische“ und textsicher. Auf die Schnelle haben sie ihm ein Kostüm angepasst, sogar rauchen auf der Bühne durfte er, und er brachte auch noch neue Ideen in seinen Auftritt ein – der arme Erzengel Michael war ganz verwirrt davon. Die anderen Schauspieler (und ganz besonders der Maximilian Brückner, der beinahe das Bühnenbild demoliert hätte vor Überschwang) samt den Riederinger Musikanten waren allerdings gestern wesentlich alberner auf der Bühne als sonst, denn wann hat man schon die Chance mit dem Chef zu spielen? Bei der Verbeugungsrunde wurde er ganz besonders gefeiert und vom Boandl auch heftigst gedrückt. Schön war’s wieder! ~ © EFi, 7. Juni 2019 Christian
Stückl übernimmt Hauptrolle im
Brandner Kaspar – Spielleiter springt
für verhinderten Schauspieler Peter
Mitterrutzner ein
Man glaubt, Christian Stückl könnte nichts mehr erschüttern? Jetzt wird der Regisseur aber doch ein wenig nervös. Dies hängt zusammen mit dem Erfolgsstück im Münchner Volkstheater. Oberammergau – Das Stück „Der Brandner Kaspar und das ewig Leben“ hatte am 7. Januar 1975 am Bayerischen Staatsschauspiel Premiere und wurde bis in die Spielzeit 2001/2002 in mehr als 1000 Aufführungen mit dem verstorbenen Toni Berger in der Rolle des „Boandlkramer“ gezeigt. Dann – 2002 – kürte die Stadt Christian Stückl zum neuen Intendanten am Münchner Volkstheater. Und der Oberammergauer setzte die Tradition dieses einzigartigen Volksstücks fort – es wurde das Erfolgsstück an seinem Haus, inzwischen rund 400-mal aufgeführt, und jedes Mal ausverkauft. Vom ersten Tag an zum Ensemble gehörte der Schauspieler Peter Mitterrutzner, der in der Komöde als „Heiliger Portner“ glänzt. Nun muss der Südtiroler, der am Donnerstag seinen 77. Geburtstag feierte, wegen einer unaufschiebbaren Operation ins Krankenhaus – und fällt somit für die nächsten Brandner-Aufführungen, auch jene in der kommenden Woche in Oberammergau (4./5. Juli), aus. Da war guter Rat am Volkstheater teuer: Wer könnte Mitterrutzners Part übernehmen? Intendant Stückl hatte über die Nachfolge zu entscheiden. Das Ergebnis: Er selbst wird die nächsten Aufführungen stemmen. Doch wer annimmt, ein alter Theater-Hase wie Christian Stückl werde so eine Zusatzbelastung und den Rollentausch vom Regisseur zum Schauspieler „mit links“ meistern, sieht sich getäuscht. Mitarbeiter im Umfeld des 57-Jährigen beschreiben ihren Chef gerade als „furchtbar nervös“. Zwar beherrscht Stückl den Text, den der „Heilige Portner“ sprechen muss, doch offenbar hinterlässt die neue Rolle deutliche Spuren bei der Gemütslage des Regisseurs. So etwas nennt man im Theaterjargon gemeinhin „Lampenfieber“. Die erste Aufführung des Brandner Kaspar im Münchner Volkstheater hat er bereits hinter sich – geplant sind noch zwei weitere in München sowie deren zwei in Oberammergau. Auch „kostümmäßig“ musste sich Christian Stückl etwas einfallen lassen. Denn das „Petrus-Outfit“ von Mitterrutzner passt nicht, es ist ihm zu eng. Also beauftragte er seinen Spezl Hubert „Hubbi“ Schmid, der im Brandner ebenfalls von Anfang an den Erzengel Michael mimt, er möge sein Nikolausgewand in Oberammergau mitnehmen. Jetzt trägt Christian Stückl das weiße Untergewand vom Nikolaus und drüber einen Umhang. Von Ludwig Hutter, Münchner Merkur, 28. Juni 2019 „Es ist die Welt ein Narrenhaus!“ – "Der Brandner Kaspar und das ewig‘ Leben" im Volkstheater (Kritik zur letzten Vorstellung in der Spielzeit 2018/19) Wenn der Intendant kurz vor der Vorstellung mit Mikro vor den Vorhang tritt, wird es automatisch ruhig im Publikum, denn alle wissen dass irgendetwas nicht stimmen kann. Einer der Schauspieler ist kurzfristig erkrankt, Intendant Christian Stückl springt höchstpersönlich als Petrus ein, die Zuschauer dürfen sich auf eine einmalige Vorstellung freuen. Die Produktion "Der Brandner Kaspar und das ewig‘ Leben", die bereits seit 2005 im Volkstheater München zum Repertoire gehört, hat in der Stadt und Umgebung bereits Kultstatus erlangt. Die wenigen Vorstellungen im Jahr sind blitzschnell ausverkauft, umso mehr freut es uns, dass wir der Vorstellung am 15. Juli 2019 beiwohnen durften, um uns das Phänomen „Brandner Kaspar“ einmal genauer anzuschauen. Es ist eine Geschichte, wie es sie nur in Bayern geben kann: der gewitzte Kaspar Brandner überlistet den Boandlkramer (den Tod) beim Kartenspielen und ergaunert sich dadurch 18 weitere Lebensjahre, obwohl er eigentlich schon längst ins himmlische Paradies berufen wurde. Als der Fehler bei den himmlischen Behörden bekannt wird, duldet Petrus keine Schlampereien und der Boandlkramer muss den Brandner Kaspar irgendwie dazu bewegen, doch freiwillig das irdische Leben hinter sich zu lassen. Es gibt vermutlich kein Stück, das in seinem Inhalt und Essenz mehr bayerisch ist als die Geschichte, wie der Brandner Kaspar den Boandlkramer betrogen hat. Mit derbem Humor und überragenden Leistungen der Schauspieler kann diese Produktion das Publikum verzaubern. Szenenapplaus und spontane Begeisterungsrufe gehören ab den ersten Minuten dazu. Alexander Duda spielt einen typisch-bayerischen Brandner Kaspar, der mit kindlichem Witz und schnellem Denken zwar äußerlich dem Klischee „Ur-Bayer“ vielleicht entsprechen könnte, bei näherer Betrachtung jedoch schnell mithilfe grenzenloser Selbstironie und viel Herzlichkeit weit über internationale Vorurteile hinaus geht. Ihm gegenüber kann Maximilian Brückner mit einem fantastisch-gruseligem Boandlkramer überzeugen, der mit vollem Körpereinsatz beeindruckend physisch und extrovertiert das Verlangen nach Gemeinschaft und Freundschaft des Totensammlers darstellt. Unterstützt von den Riederinger Musikanten, sind auch alle anderen Darsteller perfekt besetzt. Hans Schuler zeigt nicht nur hitziges Gemüt mit Drang zum Gebrüll, sondern kann in der himmlischen Gesellschaft auch sanftere Töne treffen. Wenn Tobias Van Dieken als einziger Nicht-Bayer in dieser Produktion das Wort ergreift oder voller Überzeugung fehlerhaft Melodien aus „Im Weißen Rössel“ anstimmt, kann man ihn als Tourist aus dem Norden nicht nur sympathisch finden, sondern auch ein bisschen bemitleiden, denn so schön wie sein Kai-Uwe von Zieten Bayern auch findet, so richtig dazu passen wird er wohl nie. Am Ende ist "Der Brander Kaspar und das ewig‘ Leben" jedoch viel mehr als eine gesunde Dosis Patriotismus to-go. Es geht um Glaube und Selbsterkenntnis, um die Angst vor dem Tod und die Grundhaltung, dass wir eigentlich für jeden Tag auf diesem Planeten dankbar sein und ihn nach bestem Können ausnutzen sollten. Spontanität und Humor sind dabei sicherlich Schlüsselelemente, die Intendant Christian Stückl, der übrigens einen fabelhaften Petrus gespielt hat, sicherlich zur Genüge besitzt. Alles in Allem ist diese Produktion ein Traum für Menschen, die gerne lachen und noch lieber fantastisches Theater sehen. Hut ab vor allen Beteiligten! Anna Matthiesen, KiM - Kultur in München, 17. Juli 2019
150 Jahre Brandner Kaspar - Unsterblicher Boandlkramer vom Tegernseer Tal
Quelle:
150 Jahre Brandner Kaspar -
Unsterblicher Boandlkramer vom
Tegernseer Tal. 1871 erschien die
Urfassung des Brandner Kaspar von
Franz von Kobell - der Ursprung
einer der berühmtesten literarischen
Figuren Bayerns. Deren Heimat, das
Tegernseer Tal, war für ihren
Schöpfer sehr real. Kobell lebte
zeitweise hier und ließ sich von der
Landschaft inspirieren. Anlässlich
des 150. Geburtstags des Brandner
Kaspars begeben wir uns auf
Spurensuche nach den Wurzeln dieser
legendären Figur. Bericht im
Bayerischen Fernsehen in "Zwischen
Spessart und Karwendel" am 22. Mai
2021 mit Ausschnitten aus der
Residenztheaterinszenierung und
natürlich auch aus der vom Münchner
Volkstheater. 🙂 Außerdem besuchen
Maximilian Brückner (zusammen mit
einer Fleischpflanzerlsemmel) und
Christian Stückl die Baustelle des
neuen Hauses und Maxi ist schwerst
beeindruckt von der Bühnengröße, und
sie trinken Kerschgeist. Video - Viel
Spaß!
Die
Spielzeit 2019/20 wurde ab 11.
März 2020 in allen Theatern und
Opernhäusern Deutschlands
eingestellt, ebenso wurden
weltweit Konzerte,
Großveranstaltungen und Volksfeste
abgesagt. Hintergrund war die
dynamische Verbreitung des
Corona-Virus, die unterbrochen
werden sollte.
Seit damals gab es keinen "Brandner Kaspar und das ewig' Leben" mehr im alten Haus, aber am 4. und 5. Juli 2021 als sehr verregnetes, aber schönes Open-Air am Münchner Königsplatz in der Reihe "Theatersommer - Bayern spielt". Meine Fotos vom 4.7.21
Tage
der offenen Tür am Wochenende
10.+ 11. September 2021 – Meine Fotos
vom 11.9.21
Am Donnerstag, 14. Oktober gab es die öffentliche Generalprobe von "Edward II." mit nur etwa 300 Zuschauern (eine davon war ich) vor der offiziellen Premiere mit geladenen Gästen am folgenden Abend im neuen Haus im Viehhof. Mit "Edward II." von Shakespeares Rivalen Christopher Marlowe, in der Regie von Christian Stückl auf Bühne 1 wurde am Freitag, 15. Oktober 2021 das neue Volkstheater in der Tumblingerstrasse 29 eröffnet. Die zweite Premiere war am Samstag, 16. Oktober: Mit "Unser Fleisch, unser Blut" weihten Jessica Glause und ihr Team die Bühne 2 ein. Die dritte Premiere am Sonntagabend des Eröffnungswochenendes: Der Dramatiker Bonn Park inszenierte sein Stück "Gymnasium", ein Postfaktisches Musical. "Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben" gab es am 30. + 31. Oktober 2021 das erste Mal auf der Bühne 1 (der grossen mit 600 Plätzen) zu sehen. Mehr darüber hier: Der "Brandner Kaspar" ab 2021 ~
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Trivia:
Der echte Hans Joachim von Zieten (1699-1786) war einer der berühmtesten Reitergeneräle der preußischen Geschichte und ein enger Vertrauter König Friedrichs des Großen. Seine Söhne und Töchter starben allerdings wohl kinderlos. 1949: Verfilmung von Josef von Báky unter dem Titel "Der Brandner Kaspar schaut ins Paradies" mit Carl Wery als Brandner und Paul Hörbiger als Tod. 1975: Ausstrahlung einer Aufzeichung der fürs Fernsehen bearbeiteten Inszenierung des Münchner Cuvilliéstheaters. Regie: Kurt Wilhelm, mit Fritz Strassner als Brandner und Toni Berger als Boandlkramer. Zahlreiche Wiederholungen. 2006: Am 1. November Ausstrahlung im BR der Aufzeichnung der Aufführung des Münchner Volkstheaters. Fernsehregie: Hans-Klaus Petsch. Darf aber auf Anweisung von Christian Stückl nicht mehr gesendet werden. 2008: Filmversion von Joseph Vilsmaier unter dem Titel "Die Geschichte vom Brandner Kaspar" mit Franz-Xaver Kroetz als Brandner und Michael 'Bully' Herbig als Boanlkramer, u.a. mit Hans Schuler. Vilsmaier wollte eigentlich Maximilian Brückner als Boanlkramer engagieren, um sich dann doch für seinen Mieter zu entscheiden: "Ich hab an Michael Herbig ein Büro vermietet, und da hab ich gehört, dass er die Rolle gern hätte." Maxi allerdings sagte zum gleichen Thema, daß er den Film aufgrund des Drehtermins [Rosenmüllers "Räuber Kneissl"] nicht hätte machen können. 2009: - Am 30. Januar sah Michael Herbig das 1. Mal die Volkstheater-Inszenierung, von Reihe 2 Platz 5 aus. Ich stand grad neben ihm, als ein Theaterbesucher ihn an diesem Abend danach fragte. - Inszenierung von "Alkestis" nach Euripides (uraufgeführt 438 v.Chr.), bearbeitet von Raoul Schrott, Regie: Dieter Dorn, Bühne und Kostüme: Jürgen Rose. Münchner Residenztheater. Premiere 21. November 2009 Das Stück beginnt mit dem Erscheinen des Totengottes Thanatos, der im Gegensatz zu den anderen griechischen Göttern nicht viel Wert auf sein Aussehen verschwendet. Und wie uns der Dramaturg bei der Einführung zum Stück erklärte, begann damit das Problem dieser Inszenierung, denn so sieht ja der bayerische Boandlkramer aus, und zur Zeit ist der ja bekanntlich beim Stückl am Volkstheater unter Vertrag. [Wissendes Lachen bei der Hälfte der Anwesenden - die hat der Boandl also schon verführt]. Wie ihn also hier zeigen? Also schwebt Thanatos (Shenja Lacher) nun ganz in schwarz mit strähningen schwarzen Haaren auf zerschlissenen schwarzen Flügeln aus der Hinterbühne ein und landet auf dem Dach des Hauses von Alkestis (Sibylle Canonica) und Admetos (Michael von Au). 2010: - In der Vorstellung vom 26. Februar trug der Boandl eine neue Frisur mit Mittelscheitel, verkörperte erfolgeich einen blattabwerfenden Baum, und er hat ausserdem auch versehentlich(?) die Himmelstüre aus den Angeln gehoben, und konnte nur von den Engerln davon abgehalten werden sie mitzunehmen. - Als sich herausstellte, daß es nach April auch im Mai keinen "Brandner" geben würde, mußte das Volkstheater Sicherheitspersonal engagieren, weil enttäuschte Interessenten dem Kassenpersonal gegenüber handgreiflich werden wollten. Juli 2010 war der dritte Monat seit der Premiere im April 2005 ohne "Brandner". - Die letzte "Brandner"-Vorstellung der Saison 2009/10 am 19. Juni war die letzte für Florian 'Flocki' Brückner. - Oktober war erst der vierte "Brandner"-lose Monat seit der Premiere. 2011: - Von Januar bis zum 16. Oktober spielte Susanne Brückner die Marei, wegen der Schwangerschaft von Kathrin von Steinburg. - Im November und Dezember gab es keine "Brandner"-Vorstellungen, wegen der Knie-OP von Maxi Brückner. 2012: Im Januar gab es deswegen immer noch keinen "Brandner". 2013: - Seit Frühjahr hat Susanne Brückner wieder die Rolle der Marei übenommen, da Kathrin von Steinburg bei den Nibelungen-Festspielen in Worms engagiert war. Inzwischen ist die Rolle mit beiden doppelt besetzt. - Die 250. Vorstellung, gleichzeitig der Abschluß der Spielzeit 2012/13, war am 21. Juli. 2014/15: Wie schon im Januar und Februar, gab es auch im März 2015 noch keine Vorstellungen von "Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben". Und zwar weil sich der Maxi im Dezember 2014 einen *gschmackigen* Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelbereich zugezogen hat, und er erst im April wieder auftreten konnte. - Die 275. Vorstellung zum 10-jährigen Jubiläum der Premiere am 7. April 2005 war am 7. April 2015. 2017: - Die 300. Vorstellung war am 13. Januar 2017. - Am 7. Juli war das 10jährige Jubiläum vom "Brandner Kaspar" im Oberammergauer Passionstheater - mit der Vorstellung haben allein in diesem Theater 40 000 Zuschauer die Inszenierung gesehen und auch der insgesamt 200 000. Käufer einer Karte sass im Publikum. Mein Bericht über diese Vorstellung mit ein paar Fotos. 2018:
Kein "Brandner
Kaspar" seit 2.
Februar, im März,
April und Mai
2018, weil Maxi
seit Ende November
2017 zu
Dreharbeiten für
die 10teilige
deutsch/finnische
Fernsehserie "Arctic
Circle" in
Finnland war.
2020:
Die Spielzeit
2019/20 wurde ab 11.
März 2020 in allen
Theatern und
Opernhäusern
Deutschlands
eingestellt.
Hintergrund ist die
dynamische
Verbreitung des
Corona-Virus, die
unterbrochen werden
soll. Bis auf
Weiteres sind daher
keine Vorstellungen
vom "Brandner
Kaspar" möglich.
2021:
Auch in der
Spielzeit 2020/21
konnte der "Brandner
Kaspar" nicht
gespielt werden. Im
Juni 2021 wurde das
alte Haus in der
Brienner Str. 50
endgültig
geschlossen und der
Umzug in den Neubau
im Viehhof begann.
- Ab der
Spielzeit 2021/22
finden alle
Vorstellungen im
neuen Haus in der
Tumblingerstraße 29
statt. Die ersten
Vorstellungen dort
waren im Oktober
2021.
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