Münchner Volkstheater 2017 - 2019
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Premiere
am 31. März 2017 ; Wiederaufnahme am 29. September 2018 ;
Letzte Vorstellung am 19. Januar 2019
„Mei, ist der schwer, der Ibsen“ Als „Baumeister Solness“ ist Maximilian Brückner nach langer Zeit wieder einmal in einer Premiere am Volkstheater zu sehen. In einem Fernseh-Zweiteiler spielt er im Herbst 2017 Martin Luther. Vor zehn Jahren versprach Baumeister Solness der jungen Hilde, er werde ihr ein Königreich schenken. Nun kehrt Hilde zurück und ist kein Kind mehr; Solness häufte derweil Erfolg auf Erfolg, verlor seine zwei Kinder bei einem Hausbrand, seine Gattin Aline bewegt sich wie in Trance durch die verlorene Ehe. Mit Hilde kehrt ein Leben wieder, was nicht heißt, dass Ibsens Drama „Baumeister Solness“ gut ausgeht. Am Freitag, 31. März, hat das Stück Premiere am Volkstheater, Regie führt Christian Stückl, den Solness spielt Maximilian Brückner.
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Süddeutsche
Zeitung:
Spüren Sie schon das Alter? Maximilian Brückner: Sieht man doch. Der Bart wird grau, die Haare werden grau. Am stärksten merke ich es beim „Brandner Kaspar“. Da hüpfe ich als Boandlkramer zwar immer noch so herum wie vor zehn Jahren, aber ich muss viel mehr Sport treiben, damit das immer noch so leicht ausschaut. Früher war’s einfach leicht. SZ: In Ibsens Stück geht es ja auch ums Alter. MB: Nein. Ja, natürlich, es geht um einen älteren Mann und eine junge Frau, aber wir proben das jetzt und stellen fest, es hat überhaupt nichts mit dem Alter zu tun. Ich muss nicht älter sein, als ich bin, um diese Rolle zu spielen. SZ: Was spielt ihr stattdessen? Dass da eine Liebe daherkommt? MB: Da kommt eine, die etwas behauptet. Wie echt diese Behauptung ist, muss man auch fragen. Hilde ist wie ein Katalysator, sie setzt etwas wie einen chemischen Prozess in Gang, bis sich die Figurenkonstellation in ihre Einzelteile zerlegt. SZ: Ihre letzte Premiere am Volkstheater war vor sieben Jahren. MB: Ja, „Peer Gynt“. Auch wieder Ibsen. Mei, ist der schwer, der Ibsen. Beim ersten Lesen denkst du dir, ja, alles klar. Aber dann musst du jedes Wort drei Mal umdrehen. SZ: „Peer Gynt“ ist ja auch wirklich ein bisschen krude. MB: Weil er da so viele verschiedene Sachen zusammengestückelt hat. SZ: Zusammengestückelt? MB: Wir machen ja auch nichts anderes. Und stückeln was zusammen. Die ersten vier Wochen saßen wir nur am Tisch und haben gelesen. Daran merkt man aber auch, dass sich Christian Stückls Inszenierungsstil geändert hat. SZ: Sie drehen sehr viel. Da geht man wohl nie vier Wochen lang ein Drehbuch durch? MB: Nie! Weil es sonst in seine Einzelteile zerlegt würde. SZ: Haben Sie das Reden über ein Theaterstück vermisst? MB: Immer. Das Proben. Gespielt habe ich ja immer, wobei: Der „Brandner“ läuft außer Konkurrenz, der ist inzwischen wie ein dritter Arm. Es ist doch so: Man richtet sich gemütlich ein in seinem Leben; ich finde es wichtig, dass man sich immer wieder aus seinem Nest rausschmeißt und versucht, dass man wieder auf die Schnauze fällt. Im Film habe ich mich ja ganz gut eingerichtet, aber das Theater ist eben eine andere Herausforderung. Das war schon ein Kampf, dem wieder beizukommen. SZ: Beim Theater merkt man viel unmittelbarer, ob es funktioniert, als beim Film. MB: Ja, unbedingt. Da hast du ja sofort die Publikumsreaktionen. Nehmen Sie mal den „Brandner“. Selbst da: Ich kann das nicht einfach runterspielen. Wenn ein Publikum zu viel lacht, dann spiele ich die Figur anders. Dann wird der Boandlkramer härter. Gut, es gibt tiefere Stücke, aber man darf sich nicht von einem Witz zum anderen hangeln. Man kann das extrem führen, und es ist hochinteressant, wie man die Reaktionen beeinflussen kann. Und es ist sehr unterschiedlich, je nachdem, an welchem Wochentag wir spielen. Donnerstag, Freitag ist super, Sonntag eher verhalten. SZ: Wieso hat es so lange gedauert, dass Sie wieder Theater spielen? MB: Christian Stückl und ich versuchen es seit drei Jahren. Erst wurde der Autor nicht fertig - es sollte was mit den Riederingern zusammen sein -, dann hatte ich keine Zeit, dann scheiterte dieser und jener Plan. Und dann entschieden wir uns für den Ibsen. SZ: Der Plan, mal wieder mit den Riederinger Musikanten etwas zu machen, existiert aber noch? MB: Ja, unbedingt. Aber es ist halt nicht einfach, ein Stück dafür zu finden. Mit mir allein ist es leichter als mit dem ganzen Haufen. SZ: Ein bayerischer Blasmusikhaufen, in dem keiner Hochdeutsch spricht. Was zu der Frage führt: Wie kommt einer aus dem urkatholischen Chiemgau dazu, in einem großen Fernseh-Zweiteiler, der im Herbst zu sehen ist, Martin Luther zu spielen? MB: Gottes Fügung, mein Sohn. Wie die Jungfrau zum Kinde. SZ: Oh, jetzt sprechen Sie ja reines Hochdeutsch. MB: Geht ja ned anders. Aber ohne Schmarrn: Ich wurde zum Casting eingeladen - und das war's dann. SZ: Was sagen die bei Ihnen zu Hause, dass Sie nun einen Protestanten spielen? MB: Wir waren nie so katholisch, dass das nicht ginge. Luther ist ja eine spannende Figur. Erst wollte er wirklich etwas bewegen, tat dies ja auch, und im Alter muss er nicht zum Aushalten gewesen sein, ein totaler Antisemit, gegenüber Frauen, außer seiner eigenen, extrem despektierlich. Daneben war es einer meiner schönsten Drehs, irgendwo in Tschechien, in riesigen, alten Kathedralen. Da stehst du dann auf der Kanzel und predigst - also ich habe das super gefunden. Und lustig war, wie die anderen Schauspieler in die Kirchen reinkamen, und gar nicht wussten, was sie tun sollen. Ich mache halt das Kreuzzeichen - dann fragen die, was machst du da? Hey, du spielst eine Nonne! Da war überhaupt kein Wissen von liturgischen Abläufen vorhanden. Aber ich habe es ihnen gezeigt, ich war ja schließlich auch mal Ministrant. SZ: Und so haben Sie dem Fernsehteam den Glauben beigebracht. MB: Na, den Glauben nicht, das wäre eine ganz andere Nummer. Nur die Rituale. Und ich kann ja nur von dem ausgehen, was ich kenne. Ich kann ja nicht sagen, wie die liturgischen Abläufe zu Martin Luthers Zeit waren. Wir hatten dann aber einen Historiker, der sich damit auskannte. SZ: Werden Sie beim Drehen wie ein Star behandelt? MB: Ganz normal als Schauspieler halt. Es war ein Riesen-Set, mit vielen tschechischen Komparsen. Gesichter haben die gehabt, großartig. Ich habe dann zum Kameramann gesagt, er soll doch die filmen, nicht mich, die haben die viel interessanteren Gesichter. Und die waren so lieb, haben kein Wort verstanden, aber nachdem wir die Szene mit „Hier stehe ich und kann nicht anders“ gedreht hatten, mit einem Haufen Leute, Kaiser, Bischöfe, kamen die alle zu mir und gratulierten. Vor der Szene hatte ich wirklich Angst gehabt - vor einer historischen Figur habe ich eh Schiss. SZ: Sie schauen ihm auch kaum ähnlich. MB: Ich musste ein bisschen zunehmen. Da kannte ich die fleischlastige tschechische Küche noch nicht. Einmal hat das tschechische Team für uns sogar ein Schwein geschlachtet, wie bei uns früher im Herbst. Interview: Egbert Tholl, Foto: Gabriela Neeb. Süddeutsche Zeitung, 29. März 2017, Druckausgabe S. R18 „Der Bart wird grau, die Haare werden grau“. Kostenpflichtige SZ-Online-Version dieses Interviews mit einem Foto von Florian Peljak, aufgenommen beim Besuch am 'Loft'-Set von Maxis neuer Fernsehserie "Hindafing" im September 2016.
Halvard Solness
(Maximilian Brückner) und seine Ehefrau Aline (Magdalena
Wiedenhofer)
Öffentliche
Generalprobe
am 30. März 2017
Maximilian Brückner über seine Titelrolle in Ibsens "Baumeister Solness" am Münchner Volkstheater: "Diesmal ist es besonders schlimm" Gespräch vor der Premiere Halvard Solness ist kein netter Typ. Das macht Henrik Ibsen in seinem Spätwerk "Baumeister Solness" ziemlich schnell klar. Ein Mann auf dem Gipfel seines Erfolgs, eher schon etwas drüber, der seine Konkurrenten alle erfolgreich weggebissen und die Familie unterjocht hat. Diesen Unsympathen spielt in der heutigen Premiere im Münchner Volkstheater Maximilian Brückner. Ausgerechnet dieser liebenswürdige Mensch, der sogar als Saarbrücker "Tatort"-Kommissar noch Gemütlichkeit verströmte und den so gar nichts aus der Ruhe zu bringen scheint? Doch halt: In seinen jüngsten Fernsehrollen, demnächst als Crystal-Meth-süchtiger Bürgermeister von "Hindafing" (BR) oder kürzlich in der ARD-ORF-Miniserie "Pregau", kann man es erkennen: In diesem Maximilian Brückner gibt es auch einen finsteren Abgrund. Und wenn sich ein Regisseur die Mühe macht, den freizulegen, verwandelt sich der freundliche Mann aus dem Chiemgau in eine Furie, die alles umhaut, was sich ihr in den Weg stellt. Das aber bitte schön mit eiswürfelcoolem Killerblick und unschuldigem, immer leicht naiv wirkenden Lächeln. Die Rolle des Solness ist für ihn dennoch eine große Herausforderung, betont der 38-Jährige. Gar nicht des Alters wegen. Obwohl man sich unter der Figur doch eher einen mindestens grau melierten Herrn jenseits der fünfzig vorstellte. "In unserer Gesellschaft gilt man ja oft mit 40 als zu alt für einen Job. Da bin ich inzwischen doch nah dran", grinst er. "Das Stück funktioniert auch gar nicht allein als Drama eines alten Mannes." Was den Solness nach Brückners Ansicht kennzeichnet, ist vor allem dessen tyrannische Art. "Ein richtiger Kotzbrocken" sei das, fast so etwas wie ein Borderliner. "Das braucht der, um überhaupt zu fühlen. Und dann kommt da dieses Mädchen, behauptet etwas und setzt damit eine wahnsinnige Kettenreaktion in Gang", umreißt er die Inszenierung. Regisseur und Volkstheater-Hausherr Christian Stückl hat einiges gestrichen vom Originaltext. "Ibsen macht immer diese Riesenschleifen, ehe er auf den Punkt kommt, bis dahin hat man die Anfangsfrage schon wieder vergessen. Das haben wir an einigen Stellen handlicher gemacht und manches heutiger gestaltet." Ein knallbuntes Slapstick-Feuerwerk wie die mittlerweile legendäre Castorf-Inszenierung an der Berliner Volksbühne wollten Stückl und Brückner aber nicht aus dem "Baumeister Solness" machen. "Nein, das ist schon der echte Ibsen, was man bei uns sieht. Auch wenn bei dem immer vieles irgendwie flirrend ist und in der Luft hängt und schwer zu greifen ist." Brückner hat vor sieben Jahren als "Peer Gynt" erstmals einen Helden des norwegischen Dramatikers gespielt und brauchte eine Weile, ehe er sich an die komplexen Texte gewöhnt hatte. "Aber dann erkennt man diese unglaubliche Schönheit, die in den Sätzen liegt." Dem Publikumsliebling ist sehr bewusst, dass das Stück nicht zum leicht verdaulichen Teil des Volkstheater-Repertoires zählt. So kurz vor einer Premiere sei er zwar immer aufgeregt, gesteht er. "Diesmal ist es schon besonders schlimm. Es geht um den puren Text. Das macht auf der einen Seite großen Spaß. Aber ich kann mich andererseits nicht hinter Kostüm, Maske oder Action verstecken." Vieles hat sich außerdem seit seinem letzten Ibsen geändert. Sowohl am Regiestil von Stückl, aber auch für ihn selbst, den inzwischen aus Kino und TV Bekannten. "Mit dem ,Brandner Kaspar' stehe ich zwar regelmäßig hier auf der Bühne. Das ist mittlerweile eine ganz spezielle Nummer, die sich mit nichts vergleichen lässt." An diesen Abenden sei auch das Publikum anders. Erst jetzt sei ihm wieder bewusst geworden, dass ihm bei den vielen Dreharbeiten für Film- und Fernsehproduktionen das Theater manchmal fehle. "Ich komme halt von der Bühne und stehe da nach wie vor wahnsinnig gerne drauf. Die unmittelbaren Reaktionen des Publikums zu spüren. Zu merken, wie die mitgehen. Das ist einfach großartig." Wenn sie das mal nicht so machen, hat Brückner zumindest für den Boandlkramer seine Tricks entwickelt, um die Zuschauer bei der Stange zu halten. "Das einfach nur runterrotzen, dafür ist meine Eitelkeit dann doch zu groß. Natürlich hat man manchmal Tage, an denen es nicht so läuft. Aber auf der Bühne springt dann spätestens der innere Motor an. Man will halt immer ein bisschen gefallen... Und am liebsten noch viel mehr als nur ein bisschen." Von Ulrike Frick, OVB online, 31. März 2017 Premiere von "Baumeister Solness" im Münchner Volkstheater am Freitag 31. März 2017 – Die Wochenendausgaben der großen Münchner Tageszeitungen haben nicht darüber berichtet, weder im Druck noch Online. Vielleicht dann am Montag ... bis dahin also ich: Vor der Vorstellung sah ich Dieter Dorn (bis 2011 Intendant vom Resi, und davor bis 2001 Intendant der Kammerspiele und damit damals Chef von Christian Stückl), Gesellschaftskolumnist Michael Greater und viele Schauspieler, nicht nur vom Volkstheater, sondern von allen Münchner Bühnen. Von den Brückners waren die Eltern und Maxis hochschwangere Ehefrau da - der Rest des Clans war sicherlich mit den Vorbereitungen für ihren Trachten- und Handwerkermarkt am heutigen Samstag beschäftigt, und einige von den Riederingern mit denen ich mich nach der Vorstellung auch unterhalten habe, waren auch da und hinterher begeistert.
Leben in der Lüge Solness hat es geschafft; er ist Stararchitekt. Sein Name prangt in großen Leuchtlettern durch seinen Glas- und Stahlpalast (Auf der Bühne des Volkstheaters eher aus Folie und Aluminium.) wie der Name eines Dax-Unternehmens. Sein Haus (Bühne Stefan Hageneier) ist transparent, wie seine Lebenslüge am Ende des Dramas, und es ist ein Terrarium zugleich, in dem das Leben, abgeriegelt von der Außenwelt vergeht. Solness Karriere nahm ihren Anfang, als das Haus seiner Schwiegereltern niederbrannte und er endlich Land hatte, das er parzellieren und bebauen konnte. Seine Frau Aline zerbrach an dem Unglück, in dessen Folge auch noch die beiden Kinder verstarben. Die Gefühle für ihren Mann waren erstorben, beide leben nur noch apathisch nebeneinander her. Solness versucht, seiner Schuld mit aggressiver beruflicher Expansion zu begegnen, wobei er gänzlich frei von Empathie alles und jeden für seine Zwecke ausnutzt und ausbeutet. Maximilian Brückner ist mit der Rolle des Baumeisters Halvard Solness nach längerer Abstinenz wieder einmal am Volkstheater zu sehen. Dass er das gerne machte, war seinem fulminanten Spiel anzumerken. Brückners Solness war rauschhaft, aggressiv, beängstigend und endlich auch Mitleid erregend. Anfänglich ein Demagoge reinsten Wassers, knickten ihm die Knie ein, als Hilde Wangel, gespielt von der punkigen, agilen Pola Jane O´Mara, die Bühne betrat. Mit ihr wurde Solness der Spiegel vorgehalten. Die Fassade begann zu bröseln und das morsche Gerüst seines Lebens zu wanken. Hilde Wangel war nach genau zehn Jahren erschienen, um ein Versprechen einzufordern, das Solness ihr auf dem Richtfest eines Kirchenbaus gegeben hatte. Hilde hatte ein Dezennium lang den Mann abgöttisch bewundert, der zehn Jahre zuvor den Richtkranz in luftiger Höhe am Turm einer Kirche montierte. Betrunken und nicht wirklich Herr seiner Sinne, hatte Solness das 12jährige Mädchen mit der Aussicht auf ein „Königreich“ sexuell gefügig gemacht. Hilde rührte nun den Sumpf, den Solness sein Leben nennt, kräftig auf und die sprichwörtlichen und tatsächlichen Leichen traten an die Oberfläche. Er hatte seinen Assistenten, der gerade im Sterben lag, aus dem Weg geräumt und dessen begabten Sohn gnadenlos ausgebeutet. Der drängte auf Unabhängigkeit, doch Solness wusste, dass er dem strebsamen Ragnar Brovik auf Dauer nicht das Wasser reichen konnte. Mehmet Sözer gab einen steifen, korrekten und sichtlich zerrissenen Mitarbeiter, der mit viel Anstand versuchte, loyal zu bleiben, solange es nur ging. Dabei zog Solness seine Macht über Ragnar Brovik gar nicht vordergründig aus dem Dienstherrenverhältnis, sondern aus der emotionalen und sexuellen Abhängigkeit und Hingabe Kaja Foslis, der Verlobten Ragnars. Der würde solange im subalternen Dienstverhältnis bleiben, wie Katja auf ihrem Posten als Sekretärin verblieb. Luise Kinner gab eine zauberhaft naive Frau, die vom Machtmenschen Solness geradezu verblendet war. Der konnte sich bei dem willigen Geschöpf nach Gutdünken bedienen. Die kalte Schulter indes zeigte ihm seine Ehefrau Aline. Magdalena Wiedenhofer spielte sie reserviert und frigide. Eine Beziehung zum Arzt Doktor Herdal, ein wenig wunderbar schräg angelegt von Timocin Ziegler, wurde indes von Regisseur Christian Stückl hinein interpretiert. Im Ibsenschen Stück ist sie eine aus der Welt gefallene Frau, der nicht mehr zu helfen war und die am Leben keinen wirklichen Anteil mehr nimmt. Hilde Wangel gelang es noch einmal, den Idealisten in Solness zum Leben zu erwecken. Sie wollte den Mann, der er war, als er noch Kirchen baute, und den sie darum vergötterte, wieder auferstehen zu lassen. Noch einmal konnte sie ihn zu großen Ideen animieren, nämlich „Luftschlösser“ zu bauen. Der Weg führt Solness auf das Baugerüst seines neuen Hauses, das ebenfalls einen hohen Turm besitzt. Hilde Wangel bringt ihn dahin, „so hoch zu steigen, wie er baut“. Und sie hat ihren Triumph: „Mein Baumeister!“ Christian Stückl erzählt die Geschichte unprätentiös und gradlinig, macht aus den Figuren aus dem späten 20. Jahrhundert heutige Menschen aus Fleisch und Blut. In einer Gesellschaft, in der materieller Besitz höher gehandelt wird als menschliches Glück (oder verwechselt mit menschlichem Glück), sind Lebenslügen unabdingbar und unausweichlich. Allein, die Kunst des Lügens mag noch so weit getrieben werden, erfolgreich wird sie darum doch nicht. Es ist die Lebenslüge, die den Menschen vor der Zeit tötet, die ihn in die Selbstverfremdung treibt und alle gesellschaftlichen und privaten Beziehungen scheitern lassen. Die Lebenslüge ist ein Garant für das Scheitern. Stückls Inszenierung war kraftvoll und wuchtig, nicht zuletzt durch das ungestüme Spiel Maximilian Brückners. Es ist aber auch schwer möglich, eine so große und großartige Geschichte scheitern zu lassen, wenn man sie im Ibsenschen Sinn einfach nur erzählt. Und wenn es an der Inszenierung etwas zu bekritteln gäbe, dann vielleicht der Mangel an leisen Momenten, an introvertierten Haltungen. Es gab einige, wenige Momente mit höchstem emotionalen Druck, die über wuchtig hinaus gingen und polternd wurden. Solness ist ein Mann der Gesellschaft, kultivierter und berechnender, als Brückner ihn gelegentlich scheinen lässt. Der Wirkung des Stückes tat das jedoch keinen Abbruch und so feierte das Premierenpublikum eine wirkungsvolle Inszenierung mit deutlichen Aussagen, die sowohl ästhetisch überzeugten, als auch politische Aktualität erlangten. Von Wolf Banitzki, Theaterkritiken München
Die Moral, die ganzen Nährwerte des Lebens sind schon zu Beginn von Christian Stückls Ibsen-Inszenierung am unteren Level angekommen. Fast-Food isst der titelgebende Baumeister Solness, bespringt seine willfährige Sekretärin, kanzelt deren Freund, seinen Mitarbeiter Ragnar ab, wohl wissend, dass der Jungspund ihm möglicherweise bald den Rang ablaufen wird. Der Schriftzug SOLNESS prangt groß auf der Bühne, die Stefan Hageneier als Künstler-Atelier mit schiebbaren Plexiglaswänden eingerichtet hat. Ein Szenario der Seelenleere - der Solness hat durch einen Brand zwar ein Grundstück gewonnen, aber seine zwei Kinder verloren. Magdalena Wiedenhofer spielt seine Gattin, verrucht, zerbrochen, während Maximilian Brückner als Solness eine kraftstrotzende Performance hinlegt. Hilde Wangel taucht auf, Pola Jane O'Mara gibt sie als einen nach der Wahrheit bohrenden Punk. Denn der Solness hat dieser Hilde vor zehn Jahren, als sie noch ein Kind war, ein Königreich versprochen - und küsste sie. Was unter den Worten liegt, arbeitet Stückl stark heraus. Besonders mitreißend aber wird dieses Psychodrama durch den aufdrehenden, auch die tragischen Nuancen ausspielenden Maximilian Brückner. Von mst, Theatergemeinde München
Seelenschau eines Kotzbrockens Christian Stückl inszeniert am Münchner Volkstheater Ibsens "Baumeister Solness" mit Maximilian Brückner in der Titelrolle. Der Mann ist ein Wrack, das sieht man gleich. In Unterwäsche wälzt er sich auf dem Boden seines Luxus-Ateliers, fertig wie nach einem Boxkampf. Pommes liegen herum. Fast-Food-Müll. Der Baumeister scheint die Nacht durchgemacht zu haben. Das Glas Milch, das ihm seine Sekretärin Fosli bringt, schüttet er sich zackig ins Gesicht, um sodann - müder Mann wieder munter - seinen Mitarbeiter Ragnar runterzuputzen: "Solide? Interessiert mich nicht!" Als der offensichtlich hochbegabte Ragnar ihn bittet, die Villa für einen lange hingehaltenen Kunden selber bauen zu dürfen, platzt dem eitlen Meister endgültig der Kragen und er kommandiert seinen Angestellten wie einen Hund: "Platz da! Mach Platz!" Ibsen fragt in dem Stück, welchen Preis ein Künstler für sein Lebenswerk zahlen muss Henrik Ibsen hat den Titelhelden seines 1892 uraufgeführten Dramas "Baumeister Solness" nicht sonderlich sympathisch gezeichnet - als einen egoistischen Aufsteigertypen, der andere skrupellos ausnutzt. In der Inszenierung von Christian Stückl am Münchner Volkstheater wird er gänzlich zum Kotzbrocken. Maximilian Brückner, als Schauspieler an Stückls Haus groß geworden, in den letzten Jahren aber fast ausschließlich dem Film zugewandt, spielt Solness als widerwärtigen Rammler, Macho, Borderliner, hitzig-übertourig wie auf Koks. Anfangs wirkt das aufgesetzt. Brückner braucht Zeit, um in die Rolle hineinzufinden. Je heftiger Solness dann mit seinen inneren Angst- und Schuldgefühlen konfrontiert wird, desto stärker wird auch Brückner. Vielleicht liegen ihm die Arschlöcher einfach nicht. Modisch ist dieser Solness ganz auf der Höhe der Zeit: Hipster-Bart, Sneakers, lässiger weißer Designeranzug. Sein Frauenbild aber - oder das des Regisseurs - ist so von gestern, dass er die ihm verfallene Kaja Fosli tatsächlich noch "Fräulein" nennt, sie nach Gusto packt, kost oder schnell mal von hinten nimmt, um sie dann eiskalt mit einem Klaps auf den Po abzuservieren. Widerlich. Wie ergeben Luise Kinner als eilfertiges Bürofohlen das alles mitmacht, wie sie im ausgestellten Satinkleidchen weibchenhaft hereinstöckelt und naiv-verliebt wieder hinaustänzelt, ist nicht weniger ärgerlich. "Baumeister Solness" ist ein Seelendrama mit autobiografischen Zügen, in dem Ibsen nach dem Preis fragt, den ein Künstler für sein Lebenswerk zahlt. Und nach den Ängsten, die ihn umtreiben - vor allem der Angst des Alternden vor der Jugend. Solness hat einst selber seinen Chef ausgebootet, den Architekten Knut Brovik (bei Stückl gestrichen), dessen Sohn Ragnar er nun als technischen Zeichner beschäftigt, aber nicht hochkommen lässt. So stocksteif und verkniffen, wie Mehmet Sözer ihn als braven Angestellten gibt, ist dieser Ragnar allerdings weder eine Gefahr noch eine Herausforderung. Mit einem vergleichsweise jungen Solness wie dem 38-jährigen Brückner rückt die Altersangst-Thematik in den Hintergrund, Stückl forciert mehr das Gewissensdrama und den Psycho-Krimi. Das todschicke Büro-Loft mit der breiten Glasfensterfront aus Schiebetüren, das Stefan Hageneier ihm auf die Bühne gebaut hat, ist insofern auch ein Seelenlabyrinth. Mehrere Plexiglaswände sind da wie in einem Spiegelkabinett hintereinander gestaffelt, und aus ihrer Mitte schimmert in großen weißen Buchstabenklötzen der Name des Imperiums: Solness. Halvard Solness hat seinen Aufstieg zum Stararchitekten jenem Brand zu verdanken, der das Elternhaus seiner Frau vernichtete. Dass durch eine Erkrankung infolge des Feuers auch seine Kinder starben, Zwillinge, weiß er ebenso gut zu verdrängen wie seine Frau Aline. Die ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Magdalena Wiedenhofer gibt ihr, in einem schwarzen Catsuit steckend, eine geheimnisvolle Gangsterbraut-Aura. Die extra-elegante Diven-Art, in der sie unablässig Zigaretten raucht, scheint sie sich, ebenso wie ihren rasiermesserscharf geschnittenen Pony, von Uma Thurman aus Quentin Tarantinos "Pulp Fiction" abgeschaut zu haben. Sehr cool. Man traut ihr alles Mögliche zu. Etwa, dass sie gegen ihren Mann etwas im Schilde führt. Oder dass sie mit Doktor Herdal ein Verhältnis hat. Nur leider ist der bei Timocin Ziegler auch wieder nur so eine gestriegelte Beamten-Witzfigur. Das Psychodrama in Fahrt bringt die junge Hilde Wangel, die von Solness jenes Königreich einfordert, das dieser vor zehn Jahren der damals Zwölfjährigen versprochen hat. Der Baumeister, der die Kleine offenbar geküsst, wenn nicht missbraucht hat, ist Hildes Held. Sie sieht ihn noch vor sich, wie er beim Richtfest auf den von ihm erbauten Kirchturm hinaufgeklettert ist und oben einen Kranz anbrachte. Genauso will sie den inzwischen Ängstlichen wieder haben: stolz und groß und frei. Solness lässt sich von ihr anstacheln. Lässt sich so stark in Ich-Bedrängnis bringen, dass es ihm zum Verhängnis wird. Man kann diese Hilde als das Alter Ego von Solness betrachten. Bei Pola Jane O'Mara ist sie die Robustheit in Person, ein tätowiertes Punk-Girl mit blondem Schopf und nervensägender Pumuckl-Energie. In schnarrendem Ton treibt sie Solness inquisitorisch schier an die Wand. Dabei gibt es intensive Momente der Selbsterkenntnis, insgesamt aber bleibt der von Stückl intendierte Psycho-Thriller lau. Allein schon die breitformatige Bühne verhindert jene Tiefenschärfe, an der es der Inszenierung auch sonst an allen Ecken und Enden fehlt. Da hebt nichts ab, da bebt kein Abgrund, da stehen sich die Figuren im Dialog meist brav gegenüber, und die paar ironisch gemeinten Musik-Einlagen (Tom Wörndl) funktionieren auch nicht. Der Sache fehlt der Zug zum höheren Wahnsinn. Von Christine Dössel, SZ-online, 2. April 2017 So ist "Baumeister Solness" in der Regie von Christian Stückl Christian Stückl inszeniert Henrik Ibsens eher selten gespielten „Baumeister Solness“ mit einem furiosen Maximilian Brückner im Volkstheater Der Architekt mit Höhenangst ist traditionell eine Aufgabe für einen Schauspieler im bereits gesetzteren Alter. Als 1893 sein „Baumeister Solness“ uraufgeführt wurde, war Henrik Ibsen bereits 65 und wusste, wie sich ein gelebtes Leben anfühlt. Dem Halvard Solness, der als einer der größten Architekten seiner Zeit gefeiert wird, gab der als größter moderne Dichter seines Landes geltende Ibsen eine bewegte Vita einschließlich tragödischer Verstrickungen mit: Wie es einst zum Brand des Hauses der Schwiegereltern kam, der einerseits den Grundstein für die berufliche Karriere legte, andererseits die beiden Kinder tötete, bleibt unklar. Aber es bleiben Schuldgefühle. Frank Castorf hatte vor drei Jahren die Titelrolle mit dem damals 43-jährigen Marc Hosemann besetzt. In der Inszenierung von Christian Stückl im Münchner Volkstheater ist Solness der erst 38-jährige Maximilian Brückner, beliebt sowohl als Boandlkramer im „Brandner Kasper“ am gleichen Haus oder für einige Folgen als saarländischer „Tatort“-Kommissar mit bayerischem Migrationshintergrund. Die Castorfschen Selbsthuldigungsorgien sind freilich nicht zu erwarten, wenn Stückl Ibsen macht. Abgesehen von spürbar entschlackenden Strichen kommt der norwegische Naturalist vom Blatt. Ausstatter Stefan Hageneier, Stückls Baumeister des Vertrauens, entwarf das Eigenheim des Ehepaars Solness in transparentem Hyper-Bauhausstil. Die Wände sind durchsichtig von der Rampe bis in die Tiefe des Bühnenraums, gerahmt von einem Käfig aus edel glänzendem Aluminium. Das Unheil ist schon im ersten Bild zu sehen: Halvard Solness schläft in Unterwäsche und mit einer Tüte aus einem Fastfood-Imbiss auf dem Kopf einen Rausch aus. Sanft wird er von der Mitarbeiterin Kaja (Luise Kinner), die ihren Chef verehrt und verlobt ist mit seinen Assistenten Ragnar (Mehmet Sözer), geweckt. Der Baumeister kommt schnell als Kotzbrocken in Hochform, wirft mit den Resten von Burger und Fritten, pöbelt die Angestellten autoritär an und entfaltet die ganze Kunst eines skrupellosen Manipulators. Das Motiv für diesen Horror von Unternehmenskultur ist auch bald klar: Angst. Die Furcht etwa vor dem noch jüngeren Ragnar, der gut ist in seinem Fach und Solness vielleicht eines Tages von seinem Firmenthron stoßen könnte, so wie dieser es selbst mit seinem Vorgänger gemacht hat. Sein schlechtes Gewissen manifestiert sich in zwei Frauen, die ihn hier wie schwarze Vögel umlauern. Ehefrau Aline (Magdalena Wiedenhofer) hält die Erinnerung an den Tod der Kinder still und leicht verstört wach. Dann taucht auch noch Hilde Wangel (Pola Jane O´Mara) auf. Die junge Frau ist eine Bewunderin des Baumeisters seit ihrer Kinderzeit und wird ihr Idol in den Tod treiben - trotz seiner Höhenangst will er, um Hilde zu imponieren, den Richtkranz auf sein neues Haus bringen und stürzt ab. Bei Stückl ist dieser Sturz ein richtig guter Theatereffekt. Aber Solness fliegt so schnell vorbei wie Vieles in diesem Hochgeschwindigkeits-Drama. Das Personal aus dem Büro des von seiner Karriere berauschten Baumeisters bleibt als entschlossen hingeworfene Skizze haften, weniger als detailliert ausgefeilte Architekturzeichnung. Von Mathias Hejny, Abendzeitung, Online + Druck, S. 25, 2. April 2017 Ibsen, der harte Knochen -
Maximilian Brückner brilliert in Christian Stückls
Inszenierung des "Baumeister Solness" und genehmigt sich ein
Bier
Allerdings eine ziemlich anstrengende, wenn man sich den Protagonisten auf der Premierenfeier so ansieht: Die Bierflasche in der Hand scheint tonnenschwer zu sein. 110 Minuten dauert die Aufführung, rund 100 davon steht Maxi Brückner auf der Bühne und dabei meist im Mittelpunkt. "Ein ganz schön langer Spannungsbogen. Ich bin dann schon froh, wenn ich mal kurz von der Bühne darf", erzählt er, "in ,Peer Gynt' stand ich allerdings dreieinhalb Stunden am Stück auf der Bühne. Und in der Pause bekam ich da auch noch einen Bart angeklebt. Dagegen ist das hier ja fast easy." Was die reine Bühnenzeit angeht vielleicht schon, nicht aber, wenn es um die Intensität geht. "Ich hatte drei Tage lang so einen Knoten im Bauch", gibt Brückner zu, "in der Generalprobe war ich total schlecht, wollte nur noch runter von der Bühne. Aber so was darf dich nicht vereinnahmen, gerade bei so einem schweren Knochen wie Ibsen." Dabei hat sein Leib-und-Magen-Theaterregisseur versucht, diesen Ibsen einzufangen, "heutiger zu gestalten", wie Christian Stückl sagt. Vor 16 Jahren hatte der Volkstheater-Chef den jungen Brückner an der Bayerischen Theaterakademie mal zur Sommerakademie für bairisches Volksschauspiel eingeladen, und seitdem hat Brückner am Theater unter keinem anderen Regisseur gespielt: den Franz Moor in "Die Räuber", den "Räuber Kneißl", "Peer Gynt", "Geierwally", "Jedermann" und natürlich den Boandlkramer im "Brandner Kaspar". Theater? Spiele ich nur beim Stückl! Erschöpft, aber glücklich stoßen die beiden schließlich mit einem Bier an, und Stückl fragt: "Am Anfang warst nervös, oder?" Darauf Brückner: "Naa, das waren keine Hänger. Ich bin bloß gesprungen im Text." Am Schluss springt Solness ohne Text, der finale Knalleffekt. Ein saftiges Stück Bühnenkunst hat der Oberammergauer Stückl da mal wieder aufgetischt, Schauspieler-Theater halt, bei dem vor allem Brückner sich mit dem ganzen Körper austoben darf, auch mal mit runtergelassener Unterhose. Der "Solness" wird sein Publikum finden, keine Frage. Bei der Premiere gehörten Brückners Kollegen August Zirner und Alexander Duda dazu, Ex-Staatsminister Wolfgang Heubisch, "quer"-Moderator Christoph Süß, Schriftsteller Albert Ostermaier, Ernst-Hoferichter-Preisträger Michael Skasa und BR-Fernsehdirektor Reinhard Scolik. Gerade Letzterer wird sich freuen, was er sich da für eine Schauspielgranate gesichert hat. Denn Saft und Kraft wird er bald wieder haben, der Brückner Maxi. Von Thomas Becker, Süddeutsche Zeitung, 2. April 2017
Psychotheater im gläsernen Käfig Welch unsäglicher Kotzbrocken ist doch dieser Halvard Solness in der Interpretation des Regisseurs Christian Stückl und der kongenialen Darstellung durch Maximilian Brückner. Ein gefeierter, mit zahlreichen Auszeichnungen geradezu überhäufter Stararchitekt ist er gewesen. Doch die Erfolge sind ihm zu Kopf gestiegen, weshalb er nun - von Selbstzweifeln über den Sinn seines bisherigen Lebens und von Zukunftsangst gepeinigt - in einer gewaltigen Lebens- und Schaffenskrise sich befindet. Zum fiesen Arbeitgeber hat er sich entwickelt, der seine Angestellten und die von ihm Abhängigen nicht nur materiell ausbeutet, sondern sie auch psychisch zugrunde richtet. Eine ideale Stückvorlage also für den Intendanten des Münchner Volkstheaters, dieses Spätwerk des norwegischen Dramatikers Henrik Ibsen (1828-1906) über die gescheiterte Existenz dieses Baumeisters Solness mit geradezu überbordender Regievitalität in Szene zu setzen. Furios lässt Stückl diesen Egomanen wie eine wild gewordene Dogge von der Leine. In einem labyrinthartigen, klaustrophobischen - natürlich ganz symbolischen - Großraumbüro als gläsernem Käfig (von Stefan Hageneier) mit Schiebetüren für all die Fluchten aus der Realität lässt er diesen privat wie beruflich gescheiterten Solness als Psychowrack über die Bühne toben, brüllen und rasen. Als einen exzentrischen Tyrannen und Choleriker führt Brückner diesen Chaoten vor, dass die Glaswände nur so wackeln und die Menschen seiner Umgebung schier verzweifeln. Nicht durch eigene Leistung kam Solness zu seinem kometenhaften Aufstieg, sondern durch Intrigen gegenüber der Konkurrenz und durch den Besitz eines Grundstückes in bester Wohnlage, das seine Frau in die Ehe mitgebracht hat und das er, nachdem es (auf seine Veranlassung hin) abgebrannt war, parzellierte und nun lukrativ vermarktet. Und die traurige Tatsache, dass seine beiden Kinder durch den Brand ums Leben kamen, versuchte er durch gesteigerte berufliche Aktivitäten und vor allem durch die Verdrängung der Realität vergessen zu machen. Doch nicht - wie bei anderen Inszenierungen meist üblich - als melodramatisches bürgerliches Salonstück aus dem 19. Jahrhundert führt Stückl dieses 1892 uraufgeführte Schauspiel in dieser an Dramatik schier überbordenden Neuinszenierung vor, sondern er transportierte die Problematik eines vom Erfolg zerfressenen sozialen Aufsteigers, der über Leichen geht, in unsere heutige Zeit. Vor allem die Frauen, die Solness verehrt, ausbeutet und auch sexuell missbraucht, sind Figuren der Jetztzeit. Allen voran Luise Kinner als Solness' unterwürfige, masochistisch ihn liebende Sekretärin und Buchhalterin, die aus Angst um den Verlust ihres Jobs all die Eskapaden ihres Chefs widerwillig schluckt, selbst als sie von ihm vergewaltigt wird. Pola Jane O'Mara gibt als Solness' Jugendliebe Hilde Wangel eine ebenso schnoddrige wie resolute Punklady ab, die all die Lebenslügen ihres ehemaligen Lovers aufdeckt. Vor allem jedoch zeigt Magdalena Wiedenhofer in einer brillanten psychologischen Studie die Seelenverwerfungen von Solness' Ehefrau Aline auf, die sich in den letzten Jahren, spätestens jedoch seit dem Tod ihrer Kinder, von ihrem Gatten völlig entfremdet hat. Verstört geistert sie zwischen den Glaswänden hin und her. All die beruflichen Machenschaften und sexuellen Eskapaden des einst so geliebten Baumeisters hat sie bis jetzt stumm leidend geduldet. Doch jetzt liest sie, die in jeglicher Hinsicht Betrogene, ihm abwechselnd mit eisiger Coolness und absolut nachvollziehbarem hysterischem Furor die Leviten. Ein hinreißendes schauspielerisches Glanzstück. Dazu in feinen Charakterstudien Mehmet Sözer als vorwärtsstrebender, aber aus Konkurrenzangst von Solness gedemütigter Jungarchitekt und Timocin Ziegler als Doktor Herdal, der seinen Patienten Solness ins Gewissen redet. Doch auch dies vergeblich. Eine vom Premierenpublikum umjubelte Neuinszenierung, bei der - wie so häufig im Münchner Volkstheater - intelligente Regie und fulminante Schauspielerleistungen zu einer betroffen machenden Einheit verschmelzen. Von Hannes S. Macher, Donaukurier, 3. April 2017 Solness
(Maximilian Brückner) und Hilde Wangel (Pola Jane O´Mara)
Proll im Penthouse Christian Stückl inszeniert Ibsens "Baumeister Solness" am Münchner Volkstheater als strenges Kammerspiel. Filmstar Maximilian Brückner spielt überzeugend den Baumeister, der es mit Ellenbogenpraktiken zu etwas gebracht hat - dann aber tief stürzt. Seine Gattin bringt es treffend auf den Punkt: „’n krankes Arschloch bist du“, faucht sie den Baumeister Halvard Solness an. Das steht so zwar nicht bei Ibsen, aber es passt auf den Titelhelden seines Künstlerdramas Baumeister Solness (1892), das Hausherr Christian Stückl jetzt mit etlichen Text-Aktualisierungen im Münchner Volkstheater inszenierte. Für die Hauptrolle kehrte der Film- und Fernsehstar Maximilian Brückner an den Ort zurück, wo seine Karriere einst startete. Da sieht man ihn zu Beginn als Star-Architekten Solness in Feinripp-Unterwäsche auf dem Boden flacken und Pommes aus der Pappschachtel fressen, damit er gleich als prolliger Aufsteiger erkennbar ist. In großen weißen Leuchtbuchstaben steht SOLNESS an dem schicken Stahl-Glas-Penthouse seines Architekturbüros (Bühne: Stefan Hageneier), wo er mit eiserner Hand regiert: damit keiner ihn überflügelt und verdrängt, so wie es der brutale Solness einst selbst mit anderen gemacht hat. Vor allem dieser Ellenbogenkarrierist wirkt bei Brückner sehr glaubhaft. Sein Baumeister ist ein hypermotorisches Springinkerl, ein fieser, zwischendurch larmoyanter Choleriker und Kraftlackl. Stückl selbst hingegen hat sich diesmal wohltuend im Zaum gehalten: Statt seiner Neigung zum saftig berserkernden Bauerntheater zu frönen, inszeniert er ein fast strenges Kammerspiel - so klar und strukturiert wie ein Bauhaus-Bungalow. Das Ergebnis ist folglich auch keine hochsymbolistische Tragödie über Schöpfertum und Schuld, als die der Solness gerne gegeben wird, sondern ein psychologisches Beziehungsdrama, das durch leichte Tendenzen zur Klamotte sogar von seiner allzu tiefgründelnden Schwere befreit scheint. So folgt man gespannt einer angenehm verknappten Aufführung, an der vor allem die präzise gezeichneten Mitglieder der Solness-„Factory“ faszinieren: Magdalena Wiedenhofer als kettenrauchende Architektengattin stakst im hautengen schwarzen Ganzkörperdress daher, und ihre Prinz-Eisenherz-Frisur deutet schon an, wie erstarrt ihr Herz sein muss. Die Trauer über den Tod ihrer beiden kleinen Kinder hat sie in ihrem Inneren verkapselt. Dagegen trippelt Solness' Sekretärin Kaja (wunderbar komisch: Luise Kinner) als durchtriebenes Büro-Mäuschen auf superhohen Absätzen durchs Stahl-Glas-Labyrinth, als wandelnde Männerphantasie und Weibchen-Schema auf zwei langen Beinen quasi, das mit jeder Geste zu sagen scheint: „Vernasch mich!“ „Störe ich?“, fragt darum auch die coole Frau Solness, als sie ihren Gatten in flagranti erwischt, wie er Kaja von hinten an die Wäsche geht. Das steht so natürlich auch nicht bei Ibsen, ist aber so gemeint - und sorgt für Heiterkeit im Publikum. Und dann ist da noch Fräulein Wangel, die unversehens hereinschneit, weil ihr der Baumeister vor zehn Jahren, als sie zwölf war, ein Königreich versprochen hat, das sie jetzt einfordert. In Stückls Fassung hat er sie damals auch sexuell missbraucht - eine durchaus plausible Zuspitzung der ganzen Konstellation. Als rotzig-zarte Punk-Göre mit Tattoos und Kapuzenpulli spielt Pola Jane O’ Mara diese klug-naive Kindfrau, diesen unschuldigen Todesengel, der wie ein Katalysator die ganze verfahrene Situation buchstäblich ins Rutschen bringt, sodass der egomanische Baumeister schließlich von einem Gerüst in den Tod stürzt. Von Alexander Altmann, Bayerische Staatszeitung, 7. April 2017
Größenwahn gebiert Machtrausch Publikumsliebling Maximilian Brückner spielt im Volkstheater "Baumeister Solness" SOLNESS steht in Riesenlettern über die ganze Bühnenbreite zwischen transparenten Folienwänden. Da könnte auch TRUMP TOWER stehen. Wer sein Ego so ausstellt, muss ein Narzisst sein. Dieser Narzisst sitzt in Unterwäsche auf dem Boden seines kalt-sterilen Büros (Bühne und Kostüme: Stefan Hageneier), eine McD-Tüte über dem Kopf. Er mampft eine Breze [nein, tut er nicht – es ist ein Hamburger! EFi, Admin], windet sich erbärmlich zwischen verstreuten Pommes: Der Mann ist schon zu Beginn im Suff abgestürzt. Das ist Baumeister Solness, Titelfigur des gleichnamigen Dramas, das Henrik Ibsen 1892 schrieb. Und ihn spielt Maximilian Brückner, der in dieser Inszenierung von Christian Stückl nach Jahren wieder eine große Rolle am Volkstheater hat. Meist sieht man Solness als seriösen älteren Herren: Am Resi 2006 mit Lambert Hamel und 1983 mit Hans-Michael Rehberg (unter Zadek). Brückner dagegen wirkt wie ein heutiger Aufsteiger, der berauscht von schnellem Geld und Erfolg jedes Maß verloren hat. Sein einziges Maß sind er und seine vermeintliche Größe - daneben darf es niemanden geben. Wer ihm in die Quere kommt, wird gnadenlos vernichtet. Wütendes Brüllen reicht. Dieser Solness torkelt unkontrolliert zwischen Gewalt-Explosionen und weinerlichem Selbstmitleid - ein kaputter Kotzbrocken, der aber noch Macht hat. Das ist eine mutige Setzung - und ebenso gewagt inszenierte Christian Stückl mit einem aggressiven, gewalttätigen und sexuell aufgeladenen Duktus (samt mancher verbalen und szenischen Verdeutlichung). So ist die junge Hilde Wangel, die plötzlich auftaucht und ein unerfüllbares Versprechen einfordert, kein netter Gast, sondern bringt Zerstörung. Pola Jane O'Mara ist bedrohlich geschminkt und schwarz gekleidet als Gothic-Punk, mit Stiefeln und Hoodie. Mit der fanatischen Unbedingtheit einer Terroristin verlangt sie das Königreich, das Solness ihr als Kind versprochen hat. Ihn will sie natürlich auch, und kitzelt als scheinbare Seelenverwandte aus dem geschmeichelten Architekten seine wunden Punkte heraus und seine Lebenslüge. Aber damit er ihr Held bleibt, bestärkt sie seine Selbsttäuschung und seinen Größenwahn und treibt ihn zum tödlichen Beweis. Der Turm,den er besteigen sol, ist ein deutliches Phallus-Symbol. Alle drei Frauen inszeniert Stückl recht klischiert: Magdalena Wiedenhofer darf als Gattin Aline von einer schönen Statue im hautengen Catsuit, immer mit Zigarette, erst langsam zu Gefühlen auftauen. Die verliebt-ergebene Sekretärin Kaja muss Luise Kinner als kokette Trippel-Karikatur spielen - inklusive Quickie im Türrahmen. Überzeugend entwickelt Mehmet Sözer als Ragnar, den Solness als Angestellten ausbeutet, einen wilden Zorn. Und Timocin Zieglers Hausarzt Herdal erschrickt komisch konsterniert, als Solness sich an seiner Brust ausheult und erotisch übergriffig wird. Die Aufführung leidet an Überdruck und zu viel hysterischem Geschrei von Brückner, bestärkt von Tom Wörndls emotionaler Musik mit vielen Pop-Zitaten. Aber sie ist eine schlüssige, heutige Interpretation. Von Gabriella Lorenz, Münchner Feuilleton, Nr. 62, 8.4. - 5.5.2017, S. 13 Porträt eines Egomanen Mit geschickten Textaktualisierungen holt Christian Stückl Henrik Ibsens "Baumeister Solness" in die Gegenwart. Maximilian Brückner, seit Langem endlich wieder auf der Bühne des Münchner Volkstheaters, spielt die Facetten des psychisch lädierten Fieslings und Manipulators lustvoll aus. Ein schicker gläserner Büro-Bungalow erstreckt sich in Christian Stückls Ibsen-Inszenierung "Baumeister Solness" über die Bühne. Davor krümmt sich Halvard Solness in Unterwäsche auf dem Boden. Der große Baumeister ist ein Wrack, ein abgefucktes, arrogantes Arschloch. Ungeniert lässt der Hamburger und Pommes mampfende Stararchitekt seinen Zeichner die Reste seines Fast-Food-Gelages wegputzen. Er erniedrigt Ragnar (Mehmet Sözer), vor dessen Jugend und Begabung er sich fürchtet und dessen Verlobte Kaja (Luise Kinner) er vögelt, eine sich devot dem Machoschwein unterwerfende und hinterhertrippelnde Weibchenkarikatur. Er begrabscht den Arzt seiner Frau (Timocin Ziegler), spielt mit den Menschen, provoziert, verführt und demütigt sie brutal. Sogar Bekenntnisse sind bei Solness Posse, der sich kokett in Selbstbeschimpfungen suhlt, sich in der Rolle des bösen Buben, Tabubrechers und zynischen Despoten gefällt. Doch all das selbstherrliche Auftrumpfen und Niedertrampeln dient nur dazu zu kaschieren, dass er längst nicht mehr an sich glaubt, seinen schöpferischen Elan verloren hat. Insgeheim ist Solness, der seinen Aufstieg einem Feuer verdankt, durch das das Haus seiner Schwiegereltern niederbrannte und seine Kinder starben, zerfressen von Angst und Schuldgefühlen. Seine in der Puppenstube ihrer eigenen Kindheit gefangene Frau betrachtet ihre Ehe als pure Pflichterfüllung. Magdalena Wiedenhofer stöckelt als Aline kettenrauchend in einem schwarzen Catsuit steif und innerlich erloschen umher, dabei wird ihre Stimme immer wieder kurz brüchig und macht die tiefe Verstörung dieser Frau spürbar. Einmal scheint es, als würde Solness seine Masken ablegen. Erschöpft bettet er seinen Kopf in Alines Arme, die ihn auf den Scheitel küsst. Für einen Augenblick sind sie einander nahe, ehe er über sie herfällt, weil Sex die einzige Form der Berührung ist, die er beherrscht. Maximilian Brückner, der seit Langem wieder einmal in München auf der Bühne steht, spielt lustvoll alle Facetten des psychisch lädierten Fieslings und Manipulators aus. Der 38-Jährige ist eine ungewöhnlich junge Besetzung für Ibsens Baumeister. Man muss sich von den Solness-Bildern im Kopf lösen, dann aber sieht man das eindringliche Porträt eines egomanischen Menschenmissbrauchers, der über seine Eitelkeit in den Tod stürzt. Die treibende Kraft dafür ist Hilde Wangel, die unerwartet auftaucht und das Königreich verlangt, das er ihr einst versprochen hatte. Pola Jane O‘Mara stampft als ein punkiges Girlie herein, eine burschikose Nervensäge, die die Erfüllung ihrer Träume für ihr Recht hält und in ihrer herrisch fordernden Haltung gegenüber anderen und dem Leben Solness gleicht. Noch einmal will sie den Helden ihrer Klein-Mädchen-Fantasien, der unter Höhenangst leidet, beim Richtfest triumphierend ganz oben auf dem Turm sehen. Stückl holt Ibsens Stück mit geschickten Textaktualisierungen, die nie störend wirken, in die Gegenwart. Nur leider pendelt sich die Aufführung ab der Mitte auf einem zu wenig nuancierten Ton ein, eilt zu hochtourig hitzig und laut voran. Zunehmend fehlt es der Inszenierung an kluger Kontrastierung und differenzierendem Feinschliff, sodass sie schließlich zu früh abrupt in die Ironisierung kippt und der Schlussszene etwas von ihrer Wucht nimmt. Dennoch: Über weite Passagen gelingt im Volkstheater ein fesselndes Psychogramm eines sich an seine Macht klammernden zeitgenössischen Karrieremannes und Narzissten. Von Petra Hallmayer, Applaus.de
Bei der gestrigen, inzwischen 7. Vorstellung vor Publikum (bei ausverkauften Haus) haben sich die Rollen und ihre Darsteller aufeinander eingespielt, und Maxi tobt nicht mehr wie ein durchgedrehter Hamster im Rad über die Bühne. Sein Solness ist nun wirklich ein Mensch, und auch die anderen SchauspielerInnen sind in ihren Charakteren angekommen. Der sehr lange Applaus gestern Abend bewies das. Davor eine Einführung durch den Dramaturgen Dima Schneider, im beinahe voll besetzten großen Saal, bei der das Publikum auch Fragen stellen durfte, wie z.B.: "Warum Ibsen und warum gerade dieses Stück?" Diese Frage müsste eigentlich Christian Stückl beantworten, denn der ist ja für die Auswahl und die Inszenierung verantwortlich. Ich werde versuchen in seinem Namen zu antworten: Es sollte einen aktuellen Ansatz haben, und die Figur des Baumeisters hat ja tatsächlich Parallelen mit Donald Trump oder unserem ganz besonderen 'Freund' in der Türkei. "Was war zuerst da? Maximilian Brückner und sie suchten ein Stück für ihn? Oder das Stück und es passte für ihn?" Christian Stückl und Maximilian Brückner wollten ja schon seit Jahren wieder etwas zusammen machen, und eigentlich auch zusammen mit den Riederingern. Aber da diese ja eigentlich keine Schauspieler und nicht am Haus engagiert sind, ist das sehr schwierig, und auch terminlich ist es schwierig, aber hoffentlich finden wir doch mal wieder was. Es war aber nicht so, dass das Stück und die Rolle gewaltsam an Maxi angepasst werden mussten. © EFi, 22. April 2017 Die letzte Vorstellung am Samstag, 19. Januar 2019 – Ich war bei der öffentlichen Generalprobe am 30.3.2017 dabei, bei der Premiere am 31.3.2017, bei der ersten ausführlichen Einführung in die Inszenierung am 21.4.2017, bei der Wiederaufführungspremiere am 29.9.2018 (Maxi drehte ab November 2017 für die 10-teilige finnisch-deutsche Fernsehserie "Arctic Circle" (Ivalo) in Finnland und konnte daher über Monate nicht in München Theaterspielen) und so habe ich mich heute Nachmittag kurzfristig überredet, auch heute bei der letzten Vorstellung von Henrik Ibsens "Baumeister Solness" in der Regie von Christian Stückl im Münchner Volkstheater dabei zu sein. Ich habe es nicht bereut. Vor der ausverkauften Vorstellung trat Hausregisseur Abdullah Kenan Karaca auf die Bühne und verkündete, dass Luise Kinner leider erkrankt sei, und deshalb Luise Deborah Daberkow, die erst gestern Nachmittag davon erfahren hätte, heute die Rolle der Kaja Fosli übernehmen würde. Wie meist bei der allerletzten Vorstellung einer Inszenierung durften die Schauspieler Gottseidank auch hier eigene Improvisationen und Gags einbringen. Halvard Solness (Maximilian Brückner) ging wirklich jedem heftigst an die Wäsche - sogar seiner Ehefrau Aline (Magdalena Wiedenhofer). Diese trug in der letzten Szene den roten Glitzeranzug, der auf einigen Probenfotos zu sehen war, und nicht nur im Publikum sondern auch auf der Bühne Begeisterungsseufzer hervorrief. Auch ihre Einkaufstüten wurden heute geöffnet - Hilde Wangel (Pola Jane O´Mara) zog aus einer ein pinkes Unterwäscheteil, dass sie aber sofort wieder zurückwarf. Solness zerstörte lustvoll endgültig Ragnar Broviks (Mehmet Sözer) papierene Baupläne, der Doktor (Timocin Ziegler) begrapschte Aline Solness aufs Innigste und Solness präsentierte seinen ansehnlichen Six-Pack länger als die Male davor. Auch im Text gab es Änderungen, die allerdings wohl nur denen auffielen, die diese Inszenierung schon gesehen hatten. Das Publikum war anderes als sonst, das Durchschnittsalter höher und die Applausbereitschaft am Schluss geringer. Hätte ich nicht angefangen zu klatschen wäre es vermutlich ziemlich still geblieben, aber so gab es etwa acht Verbeugungsrunden. Um 21:30 Uhr war es dann endgültig vorbei mit dem Treiben der wild gewordenen norwegischen Trolle im Münchner Volkstheater. © EFi, 19. Januar 2019
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Trivia: Als Fernsehspiel wurde das Stück unter der Regie von Hans Schweikart mit Peter Lühr (Solness), Andrea Jonasson, Christine Ostermayer, Inge Birkmann, Kurt Horwitz, Alexander von Rosen und Peter Paul 1966 fürs ZDF verfilmt. 1976 zeigte die ARD eine Inszenierung der Neuen Schaubühne München mit Peter Pasetti (Solness), Gertrud Kückelmann, Susanne Barth, Eva Berthold, Albert Lippert, Wilfried Klaus und Joachim Wichmann in der Regie von Rolf Henninger. 1984 gab es eine Fernseh-Fassung des ZDF einer Aufführung des Bayerischen Staatsschauspiels in München von 1983 unter der Regie von Peter Zadek mit Hans-Michael Rehberg (Solness), Barbara Sukowa, Annemarie Düringer, Paulus Manker und Toni Berger. Zuletzt 2006 im Münchner Residenztheater mit Lambert Hamel (Solness), Beatrix Doderer, Cornelia Froboess, Marina Galic, Gerd Anthoff, Jan-Peter Kampwirth und Fred Stillkrauth unter der Regie von Tina Lanik. Zwischen Mai 2014 und Juli 2017 lief das Stück unter der Regie von Frank Castorf an der Berliner Volksbühne. Mit Marc Hosemann (Solness), Kathrin Angerer, Harald Warmbrunn, Daniel Zillmann, Hanna Hilsdorf und Mex Schlüpfer. Spieldauer: 4 Stunden/1 Pause. Es war die letzte Vorstellung des Theaters unter dem scheidenden Intendanten Frank Castorf. 2015 wurde das Werk von Michael Klette unter dem Titel "Solness" mit Thomas Sarbacher in der Titelrolle verfilmt. |
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