Kritiken zum "Tatort - Verschleppt"
 (2012)

Erstsendung: 22. Januar 2012, 20:15 Uhr ARD + ORF2 + SF1

Tatort #825  -  
"Verschleppt" ist der letzte Tatort von Kappl und Deininger. Am 8. November 2011 verkündete der SR das Aus: "Es war einmal ... Maxi im Tatort"

Besetzung:
Maximilian Brückner - Kriminalhauptkommissar Franz Kappl
Gregor Weber - Kriminalhauptkommissar Stefan Deininger
Alice Hoffmann - Sekretärin Gerda Braun
Hartmut Volle - Chef der Spurensicherung Horst Jordan
Lale Yavas - Gerichtsmedizinerin Dr. Rhea Singh
Mathilde Bundschuh - Barbara Romers
Andreas Anke - Dr. Vogeler
Thomas Bastkowski - Andi Mollet
Jörg Bundschuh - Josef Romers, Barbaras Vater
Hanne Wollharn - Gitte Romers, Barbaras Mutter
Michelle Boullay - Sonia Lehmann
Christiane Motter - Sabine Lehmann, Sonias Mutter
Martin Huber - Hilmar Lehmann, Sonias Vater
Alisa Hanke - Elisaberth Werth
Saskia Petzold - Karola Mahler
Patrick Hastert - Werner Mahler
Eike Schaumburg - BePo Einheitsführer
Stab:
Regie: Hannu Salonen
Drehbuch: Khyana el Bitar und Dörte Franke
Produzent: Martin Hoffmann
Redaktion: Christian Bauer
Produktion: ProSaar Medienproduktion / SR
Regieassistenz: Robert Obermair
Szenenbild: Andreas C. Schmid
Kamera: Wolf Siegelmann
Licht: Dirk Steiner-Sennheiser
Ton: Boris Wolfrum
Maske: Nicole Stoewesand und Carola Wetzel
Kostüme: Daniela Thomas
Schnitt: Julia Oehring
Musik: Michael Klaukien und Andreas Lonardoni
Drehorte: Saarbrücken, Völklingen-Wehrden, Neunkirchen, Waldgassen-Hostenbach
Drehzeit: 28.4. - 25.5. 2011 (21 Drehtage)


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Auf dem Teamfoto vom letzten Drehtag sind die meisten Beteiligten am Tatort zu sehen, wie immer leider nicht alle. Und wo hat sich Maxi versteckt?
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Zuschauerzahlen für "Verschleppt":
ARD: Eine weitere Ausgabe der erfolgreichen Krimireihe "Tatort" bescherte dem Ersten starke 9,25 Millionen Zuschauer ab drei Jahren. Bei allen kam das Format auf 24,3 %. Auch beim jungen Publikum lief es ausgezeichnet. Hier stehen 2,96 Millionen Zuschauer auf dem Papier; 18,9 % Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen waren die Folge. Quelle: AGF/GFK (Quotenmeter.de)
ORF1: 9% Sendungsreichweite, 20% MA = 645 Tsd. (= 1540 ausgew. repr. österr. Haushalte mit 3200 Erw. u. 350 Kindern). Quelle: GFK Austria (ORF Teletext)


Eine Auswahl der nur positiven Kritiken zur Episode (andere gibt es nicht) gemischt mit Berichten zum Rauswurf (darüber gibt es nur negatives):

Ein "Tatort" - Duo blickt zurück im Zorn
Am kommenden Sonntag ermitteln Maximilian Brückner und Gregor Weber zum letzten Mal in Saarbrücken
Die Zuschauerzahlen sind brillant, Stars wie Joachim Król oder Ulrich Tukur geben sich als Ermittler die Ehre - doch zuletzt sorgte ausgerechnet der kleine Saarländische Rundfunk (SR) bei der ARD-"Tatort"-Reihe für Misstöne. Die Verträge von Maximilian Brückner und Gregor Weber, die seit 2006 als Ermittler aus Saarbrücken auf Gaunerjagd gehen, wurden vom Sender nicht verlängert - obwohl sowohl Quoten als auch Kritiken gut waren und die beiden Darsteller gerne weitergemacht hätten. Nach nur sieben Einsätzen ist jetzt Schluss, der "Tatort: Verschleppt" (Sonntag, 22. Januar, 20.15 Uhr) ist der letzte Fall des Saar-Duos.
"Über das überraschende und unangekündigte Ende sind wir erstaunt und nehmen es mit Verwunderung zur Kenntnis", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Schauspieler, als sie im vergangenen November von ihrem Ende als Ermittler erfuhren.
Die Charaktere der Hauptfiguren
Bisher lebten die SR-"Tatorte" vor allem von den Charakteren ihrer Hauptfiguren. Das war bei dem "Genussmenschen" Kommissar Max Palu so, der 2006 nach 17 Jahren gehen musste - Schauspieler Jochen Senf äußerte damals großen Unmut über seinen Rauswurf und beklagte den schlechten Stil des Senders. Genau wie nun Brückner (32) und Weber (43). Das Aus der beiden löste bei den Betroffenen, aber auch in der "Tatort"-Fangemeinde Kopfschütteln und heftige Diskussionen aus. Schließlich erfreute sich das Ermittlerduo aus Saarbrücken regen Zuspruchs, im Schnitt sahen ihm 2010 und 2011 mehr als achteinhalb Millionen Menschen zu.
"Gerade die letzten 'Tatorte' zeigten für uns eine positive Entwicklung: steigende Quote, aktuell Platz sieben von 16 Kommissaren - und gute Kritiken", blicken Brückner und Weber im Zorn zurück. "Vor allem können wir die vermeintliche Begründung nicht nachvollziehen." Ironie des Schicksals: Die beiden verabschieden sich mit einem bemerkenswerten Krimi, der die Begründung des SR für das Aus des ungleichen Paares Franz Kappl (Brückner) und Stefan Deininger (Weber) - ihre Geschichte sei "zu Ende erzählt" - widerlegt. In dem Film geraten Kappl als nüchterner Profiler und der Gefühlsmensch Deininger mehrmals aneinander. Mit eindringlichen, dichten Nahaufnahmen setzt der renommierte, aus Finnland stammende Regisseur Hannu Salonen die verstörende Geschichte, die an das Schicksal von Natascha Kampusch oder an den Fall Josef Fritzl erinnert, um, teils mit albtraumhaften Bildern wie aus einem Horrorfilm.
Das hat nichts mit Stilverliebtheit oder Effekthascherei zu tun, sondern unterstreicht, wie sehr sich ein solches Verbrechen der Vorstellungskraft entzieht: Eine junge Frau wird am Rand einer Autobahn ermordet, ihre Leiche ist abgemagert, bleich, verwundet - offenbar war sie lange Zeit in Dunkelheit gefangen. Wenig später taucht eine zweite junge Frau auf, lebend, aber völlig verstört. Beide wurden Opfer desselben Entführers, der wohl ein drittes Mädchen in seiner Gewalt hat - die fieberhafte Jagd auf den Kidnapper wird zum Wettlauf gegen die Uhr.
Maximilian Brückner trat 2006 mit erst 27 Jahren als jüngster "Tatort"-Kommissar überhaupt seinen Dienst an. Der blonde Bayer war der Nachfolger von Jochen Senf, der den "Fahrrad"-Kommissar Palu spielte. Gregor Weber war schon zu Palus Zeiten als Assistent Stefan Deininger im Einsatz. Die Nachfolger von Brückner und Weber stehen bereits fest: Der erste Krimi mit dem norddeutschen Schauspielstar Devid Striesow und der bundesweit wenig bekannten Saarländerin Elisabeth Brück soll im Sommer gedreht werden. Für Lokalkolorit aus dem südwestlichen Zipfel der Republik werde gesorgt sein, versichert der SR: Das neue Gespann solle "immer auch ein Stück Saarland in die Republik transportieren", so Intendant Thomas Kleist. Am Konzept für die nächsten SR-"Tatorte" mit dem gemischten Doppel wird noch gebastelt.
ski/tbr/dpa, MainPost, 18.1.12

"Tatort: Verschleppt" - Ein Schuldiger für das Seelenheil
Auch in ihrem letzten "Tatort" überzeugen Kappl und Deininger, die Kommissare aus Saarbrücken, auf der ganzen Linie. Weshalb man sie nach wenigen Folgen absetzte, bleibt schleierhaft. So richtig ernst scheint die Themenabstimmung bei den Fernsehfilmredaktionen der ARD anscheinend niemand zu nehmen. Hatte Hauptkommissarin Lindholm erst vor wenigen Wochen für den NDR einen Fall mit entführten Mädchen zu lösen, die über Jahre hinweg in einem engen Kellerverlies festgehalten worden waren, legt schon am Sonntag der Saarländische Rundfunk mit einem ebenfalls an den Fall Kampusch erinnernden Plot nach. Für den Zuschauer ist die Doppelung allerdings zu verschmerzen, weil die neue Folge eine ganz eigene Spannung entwickelt und zu den besten der "Tatort"-Reihe in den letzten Jahren gehört. Es ist kaum zu glauben, dass dies der letzte Fall des noch vergleichsweise frischen Saarbrücken-Teams Kappl und Deininger sein soll, das nach Meinung des SR "auserzählt" ist. Demnächst übernehmen Devid Striesow und Elisabeth Brück. Wohl dem, der solche Luxusprobleme hat.
Hatte die Dramaturgie des Furtwängler-Falls noch unangenehm berührt, weil die grauenhaften Begebenheiten oberflächlich durch eine Liebesgeschichte und eine innerlich erschreckend aufgeräumte Ermittlerin kontrastiert wurden, zeigt der neue Saarland-"Tatort", wie man menschliche Gefühle am Rande des Grauens psychologisch überzeugend darstellt. Der knallharte Realismus des Verbrechens wird mit Albträumen, Weinkrämpfen und Gewaltausbrüchen der Ermittler aufgefangen.
Die Hauptkommissare Kappl (Maximilian Brückner) und Deininger (Gregor Weber) sind von Anfang an restlos überfordert von ihren jüngsten Ermittlungen. Die auf einer Autobahn spielende Anfangsszene, auf der die unruhige Kamera sich an die Fersen eines zombiehaft entstellten flüchtenden Mädchens heftet, gibt den Takt der Folge vor: Neue Spuren und Grauenhaftigkeiten flitzen wie Autos in Hochgeschwindigkeit an Ermittlern und Zuschauern vorüber, durch die Handlung zieht sich ein leicht metallisches Dauerdröhnen.
Das flüchtige Mädchen in einem eigens angefertigten Kittel wird wenig später tot unter einer Brücke aufgefunden. Es ist mit einem spitzen Gegenstand erstochen worden, hat, wie sich herausstellt, seit Monaten kein Tageslicht mehr gesehen und ist erheblich dehydriert. Die Spurensicherung und die Gerichtsmedizin haben alle Hände voll zu tun, fördern immer neue Erkenntnisse zutage.
Kurz darauf taucht ein zweites Mädchen auf, zusammengekauert liegt es in einer Kiste auf einem Spielplatz, derselbe Kittel, derselbe kaputte Körper. Es muss im Krankenhaus versorgt werden, wo die mutmaßlichen Eltern es nicht wiedererkennen und das auch gar nicht wollen. Als es sich plötzlich kerzengerade aus dem Krankenbett erhebt, um an der Klimaanlage nach Luft zu schnappen, ist ein schmaler Grat zwischen filmischer Spannungserzeugung und angemessener Darstellung von Entmenschlichung erreicht, der aber nicht, wie in manchen skandinavischen Krimis, in Richtung Horrorfilm überschritten wird.
Den psychisch gebrochenen Mädchen ist unfassbar großes Leid widerfahren, das der Zuschauer wenig später in kurzen Rückblenden ermessen kann. Sie wurden in wahren Horrorverliesen in einer Art Hundekäfig gehalten, mussten sich regelmäßig mit Chemiereiniger säubern und wurden mit militaristischen Befehlen angebellt. Kaspar Hauser in der Fascho-Version. Der behandelnde Psychiater umreißt das Profil des Täters mit dem Willen nach "Reinheit, Kontrolle, Macht". Dann tauchen Hinweise auf ein drittes Mädchen auf.
Auserzählt?
Die Spuren in diesem sehr engräumigen Fall, für den es in der Realität dann doch wohl kein Beispiel gibt, führen schnell zu einem verurteilten Pädophilen, den die manchmal etwas naseweise Kamera dem Zuschauer in einer unmotivierten Nebenszene bereits präsentiert hatte. Die überforderten Ermittler halten noch an ihm fest, als seine Unschuld kaum mehr von der Hand zu weisen ist. Für ihr Seelenheil brauchen sie einen Schuldigen, denn der wahre Täter verunsichert durch vollkommene Unsichtbarkeit. Hinzu kommt, dass Deininger alte Rechnungen aus einem vergangenen Entführungsfall zu begleichen hat, der sich für ihn als persönliches Desaster entpuppt hatte.
Wollte man ernsthaft erwägen, ob das Duo Kappl/Deininger "auserzählt" ist, wonach man nach dieser Folge nicht das geringste Bedürfnis verspürt, so kann man durchaus einige Schwächen in der Figurenanlage finden, die allerdings mehr auf das ansonsten glänzende Drehbuch (Khyana el Bitar und Dörte Franke) zurückzuführen sind und leicht zu beheben wären. So bricht diesmal bei den Partnern, die sich gerade erfolgreich angenähert hatten, plötzlich wieder das Kompetenzgerangel früherer Tage aus. Und bei Deininger wird diesmal eine extreme Ermittlungspannen-Karte gezogen, die in dem ohnehin dramatischen Fall völlig überflüssig ist und von einer gewissen Einfallslosigkeit zeugt. Es ist bedauerlich, dass zwei so außergewöhnliche Schauspieler wie Maximilian Brückner und Gregor Weber die Leidtragenden einer nicht nachvollziehbaren Entscheidung sind. Wollte man das Saarbrücker Kriterium der Auserzähltheit an sämtliche "Tatort"-Duos anlegen, müssten fast alle ersetzt werden.
Uwe Ebbinghaus, FAZ, 19.1.12

Schon gesehen: Tatort: Verschleppt
Dieser "Tatort" ist harter Stoff. Um das zu begreifen, braucht es nur ein paar Sekunden. Eine junge Frau irrt ausgemergelt über die Autobahn, wenig später wird sie ermordet aufgefunden. Eine zweite kann gerettet werden, allerdings auch in entsetzlichem Zustand. Schnell steht fest: Beide haben lange Zeit in Gefangenschaft verbracht.
Das Kampusch-Syndrom hat den "Tatort" ereilt, "Verschleppt" ist der zweite Fall in kürzester Zeit, der an den Entführungsfall in Österreich erinnert. Der ARD-Krimi versucht sich in Steigerungen des Grauens, der Saarbrücker Kommissar Kappl und sein Kollege Deininger gehen an die Grenzen der Belastbarkeit.
Sein unfreiwilliger Abschied vom "Tatort" hat Hauptdarsteller Maximilian Brückner offenbar so verärgert, dass er zu seinem letzten Auftritt keine Interviews geben wollte. Wer "Verschleppt" sieht, kann die Verärgerung nachvollziehen - der Film überzieht zwar zuweilen die psychedelische Komponente, ist aber dennoch weit über durchschnittlichem "Tatort"-Niveau. Statt Kappl und den Hamburger Ermittler Cenk Batu (Mehmet Kurtulus) hätte die ARD ganz andere Kommissare entsorgen sollen. Aber auch hier zählt Quote mehr als Qualität.
Wertung: 5 Sterne von 5 möglichen
Joachim Schmitz, Osnabrücker Zeitung, 20.1.12

Grandiose Abschieds-Vorstellung für letzten SR-Tatort
Das Aus für das Ermittler-Duo Kappl/Deininger brachte dem Saarländischen Rundfunk viel Negativ-Publicity. Am Sonntag läuft nun der siebte und letzte SR-"Tatort" in der alten Konstellation. Blick auf einen außergewöhnlich guten und harten Krimi - und seine Vorgeschichte.
Vielleicht wäre alles einfacher, wenn dieser letzte Tatort mit Maximilian Brückner und Gregor Weber gründlich missraten wäre. Tschüss, Ihr Nichtskönner!, wie leicht wäre das. Stattdessen hat der SR dem Bayer und dem Saarländer mit "Verschleppt" eine grandiose Abschieds-Vorstellung gegönnt. Die rasant erzählte Grusel-Geschichte über drei jahrelang gefangen gehaltene Mädchen fällt völlig aus dem Sozial-Drama-Rahmen der Tatort-Reihe. Dunkel, böse, gnadenlos geht es zu: abgemagerte, stumme Opfer, am Nervenlimit agierende Ermittler, vom Schmerz zerrissene Eltern, das Lokalkolorit ist Nebensache, trotz der Hostenbacher Halden Hermann und Dorothea, trotz Neunkircher Mietskasernen und dem coolen Saarbrücker Großstadt-Panorama. Statt sanft besonnter Reiseführer-Ansichten aus dem Saarland bombadieren uns Regisseur Hannu Salonen und Kameramann Wolf Siegelmann mit ortlosen Albtraum-Sequenzen, anonymen, flackernd beleuchteten Kellergängen, verzerrten Autobahn-Fluchten.

Photo: Becker & Bredel                                                  
Zusätzlich wird das ganze akustisch mit Kettenklirren oder Ventilatoren-Surren aufgeladen. Kurzum: "Verschleppt" dämonisiert das Geschehen, bewegt sich weit hinein ins Horror-Thriller-Genre - und schrammt dabei nur knapp vorbei an einer Überparfümierung. Zumal die Entführungs-Fälle nach dem Muster Kampusch einen gehörigen Resonanzraum bringen für Emotionalisierung. "Der Stoff diktiert die Ausrichtung", sagt SR-Tartort-Redakteur Christian, "Wir haben viel gewagt. Aber man sieht keine Gewalt, sie ist nur in der Phantasie des Zuschauers allgegenwärtig." Und so trägt es denn, das Gesamt-Konzept, auch dank einer hervorragenden Zusatz-Darsteller-Riege. Zudem tritt Deininger (Gregor Weber), vom Trauma eines ungelösten Falles gequält, endgültig aus dem Schatten von Kappl heraus. Beide Ermittler zeigen ihre ohnmächtige, verletzliche Seite - eine Annäherung der Figuren.
Ursprünglich hatte der SR allerdings ein "ungleiches Paar" zeigen wollen: Ein bayrischer Sonnyboy mit Karriere-Potenzial (Kappl) traf auf einen kauzigen, erfolglosen Saarländer. Im Kontrast sollte der Reiz liegen. Brückner blieb freilich immer unter seinen darstellerischen Möglichkeiten, kam nie ganz in der Figur an, während Weber über sie hinauswuchs, sie zu sich hinbog. Bei Max Palü (Jochen Senf) war Weber noch ein Herr Merkwürden im Tweed-Jackett, handelte sich das Etikett "klassischer zweiter Mann" ein. Mittlerweile beherrscht er als bulliger Typ mit extremer Hornbrille die Szene, eine markante Erscheinung mit gehörigem Selbstbewusstsein. Im Vergleich wirkt Brückner einfach nur hübsch.
In "Verschleppt" darf allerdings auch er durch Gefühls-Extreme jagen. "Wir wollten die beiden auf Augenhöhe bringen", sagt SR-Redakteur Christian Bauer. Das hat geklappt. Insofern ist die Konstellation nun tatsächlich "auserzählt". Das war vor acht Wochen das Argument für die Nichtvertrags-Verlängerung, die Negativ-Schlagzeilen provozierte, weil sie keiner verstand - ob steigender Quoten und steigender Qualität. Zudem packte Weber SR-Interna aus, kritisierte Inkompetenz, Mobbing und Chaos und beschädigte Bauer schwer. Obwohl unter dessen Leitung unstrittig der Aufwärtstrend eingesetzt hatte. Jetzt krönt "Verschleppt" die Serie von pulsierenden Stoffen, wie sie bereits "Hilflos" (2010) und "Heimatfront" (2011) lieferten. Weber bekommt einen großen Auftritt. Den er noch gar nicht gesehen hat. Er muss bis Sonntag warten. Denn anders als üblich wurde ihm vorab keine DVD geschickt.
Saar-Kommissar warnt vor dem eigenen "Tatort"
Gregor Weber, bekannt als Saarbrücker "Tatort"-Kommissar, hat sich abfällig über seinen letzten ARD-Krimi geäußert. Die Folge "Verschleppt" sei „eine horrormäßig aufgeblasene, schwache Story“, sagte Weber der SZ. Das Kölner Boulevard-Blatt "Express" zitierte ihn gestern mit der Aussage: "Gucken Sie sich die Folge bloß nicht an!" Weber, der seit 2001 den Ermittler Stefan Deininger spielt, ist am Sonntagabend letztmals in dieser Rolle zu sehen, an der Seite von Maximilian Brückner. Der Saarländische Rundfunk hatte sich im November von dem Duo getrennt, das seit 2006 zusammenwirkt. Die Geschichte sei "auserzä", hieß es. Bereits damals hatte Weber mit scharfer Kritik reagiert. Im Rahmen des Saarbrücker Max-Ophüls-Festivals können Neugierige den Film übrigens schon heute, zwei Tage vor der ARD-Ausstrahlung, in einer Vorab-Premiere sehen.
ce, Saarbrücker Zeitung, 20.1.12

Starker Abgang
In der letzten "Tatort"-Folge der beiden Saarbrücker Ermittler überzeugt das Duo Kappl/Deininger
Mit einem bedrückenden, aber ideenreich inszenierten Fall verabschiedet sich das Saarländer Duo Kappl und Deininger vom "Tatort". Schade - die beiden haben sich zu einem überzeugenden Gespann entwickelt.
In der siebten und letzten Folge des Saarbrücker "Tatort"-Duos Franz Kappl (Maximilian Brückner) und Stefan Deininger (Gregor Weber) wird richtig dick aufgetragen - ein bisschen zu dick, denn Drehbuch und Inszenierung wirken am Ende reichlich überladen. Vordergründig befasst sich der Fall "Verschleppt" zwar mit den Taten eines von Kontrollzwang besessenen Psychopathen, der bedrückend an die Fälle Kampusch und Fritzl erinnert. Doch die Autoren wollten sich damit offenbar nicht begnügen, packten den Umgang der Justiz mit Kinderschändern, den Personalmangel bei der Polizei sowie die Themen Polizeigewalt und Selbstjustiz überflüssigerweise mit auf die Geschichte drauf.
Eine junge Frau, die abgemagert, dehydriert, verwahrlost und letztlich erschlagen neben der Autobahn gefunden wird, ist vor Jahren als Kind entführt worden. Sie ist nicht das einzige Opfer, das das Saarbrücker Ermittler-Duo zu einem vorbestraften Kinderschänder führt. Ein zweites Mädchen, das völlig verstört, aber lebend entdeckt wird, scheint demselben Täter zum Opfer gefallen zu sein. Nachdem sich abzeichnet, dass der Entführer weitere Mädchen in seiner Gewalt haben könnte, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.
Der Druck auf die beiden Hauptkommissare ist enorm - sie pendeln zwischen extremer Hilflosigkeit und unbändiger Wut. Getrieben von einer Aggressivität, wie sie bei "Tatort"-Kommissaren in Mode zu kommen scheint (man denke nur an den Leipziger Fall vom vergangenen Sonntag), riskiert mal der eine, dann der andere den Job - wäre da nicht stets der jeweils besonnenere Partner, der energisch einschreitet. Beide indes beweisen Todesmut und Tatkraft (Kappl: "Wir graben jetzt diese Siedlung um"), und sind von einem Team umgeben, das auch mal aufmucken darf.
So stark und eindringlich diese "Tatort"-Folge ist, so auffallend und störend sind seine Schwachstellen: etwa der fast schon obligatorische Radionachrichten-Einspieler des öffentlichen-rechtlichen Senders, der die Folge produziert hat. Hinzu kommt eine bisweilen beleidigend plumpe Bildsprache oder das zielgerichtete Einbiegen der Ermittler in vorhersehbare Sackgassen.
Die Folge besticht jedoch mit einigen filmsprachlichen Raffinessen, die an ganz großes Kino erinnern: starke Symbolik, Rückblenden und Traumsequenzen, verblüffende Schnitte, raffinierte Kamerafahrten, starke Kulisse und überzeugende Darsteller - allen voran Kappl und Deininger. Der Bayer und der Saarländer haben sich zu einem überzeugenden Gespann entwickelt, das erfreulicherweise keine Zeit mit unsinnigen Privatgeschichten verliert und zuletzt Einschaltquoten von mehr als acht Millionen Zuschauern erspielte.
Schade, dass für die beiden nach nur sieben Folgen Schluss ist - angeblich, weil die Charaktere und ihre Geschichten "auserzählt" sind. So lautete zumindest die lapidare Begründung des Saarländischen Rundfunks, als dieser im Spätsommer überraschend das Aus des beliebten Duos verkündete. Darsteller und Fans zeigten sich gleichermaßen empört und verständnislos. Ihre Nachfolger, das gemischte Doppel Devid Striesow und Elisabeth Brück, müssen sich auf hohe Erwartungen gefasst machen.
Info: Tatort "Verschleppt", am Sonntag, 20.15 Uhr, in der ARD.
Gudrun Sokol, Blick in die Welt, 20.1.12

Abschied beim Saar-"Tatort" - Kommissar Kamikaze
Dampf ablassen bis zur Selbstdemontage: Der von Gregor Weber gespielte Kommissar Deininger war der wütendste Kerl im ganzen "Tatort"-Land. Mit dem saarländischen Walross-Schnauzer tritt der letzte Ermittler ab, der regional zuzuordnen war. Mach's gut, Mollekopp!
Wo hört der Schauspieler auf, wo fängt die Rolle an? Im Falle von Gregor Weber, der seit über zehn Jahren für den "Tatort" des Saarländischen Rundfunks (SR) im Einsatz ist, kann man das nicht so genau sagen. Als Honorarkraft des SR wetterte er gegen seinen Sender, in seiner TV-Rolle als Hauptkommissar Stefan Deininger geht er ebenfalls gerne auf Vorgesetze los. Auf Zeugen sowieso.
Der saarländische Mollekopp gibt, was er ist: den saarländischen Mollekopp. In der relativ durchkontrollierten "Tatort"-Welt bildet Weber/Deininger auf diese Weise eine große Ausnahme. Kommissare dürfen hier gerne ein wenig muffelig sein - aber müssen zugleich auch immer irgendwie liebenswürdig rüberkommen. Und äußert sich mal ein Kommissarsdarsteller öffentlich über seine Arbeitsverhältnisse, dann ist natürlich alles supi, auch wenn es vorher beinahe realen Mord und Totschlag am Filmset gegeben hat.
Der Saarländer aber hält sich nicht an solche Codes und Schicklichkeitsregeln, weder in seiner Rolle noch als TV-Prominenter. Manchmal glaubt man zu sehen, wie beim Kommissar Deininger vor lauter aufgestauter Wut die dicken Hornbrillengläser überm Walross-Schnauzer beschlagen. Besser er lässt Dampf ab. Oder doch nicht? In einer früheren Folge stellte sich heraus, dass der Ermittler schon mal von seinen Vorgesetzten dazu verdonnert wurde, ein Anti-Aggressions-Training zu absolvieren. Hat zum Glück nie was genützt, der Bulle steht auch so immer kurz davor, auszuticken.
Der Kommissar gibt sich die Kante
Der Schauspieler Weber indes findet einen anderen Weg, seine Wut rauszulassen. Zum Beispiel hat er mal einen Krimi geschrieben, in dem er sich in einigen Nebensätzen lustig macht über die Fernsehnasen und darüber, wie die sich Kriminalarbeit vorstellen. In letzter Zeit hat Weber dann ganz direkt gegen den SR gewettert: Da entschied man nämlich, Weber und seinen Kollegen Maximilian Brückner ihres TV-Ermittlerdienstes zu entbinden - allerdings ohne das mit den Betroffenen zu kommunizieren. Weber ließ zum Dank ein paar prima Tiraden gegen den zukünftigen Ex-Arbeitgeber los. Zuletzt bat er via Boulevardzeitung, sich bitte unbedingt NICHT seinen Abschieds-"Tatort" an diesem Wochenende anzuschauen.
Was kommt danach? Devid Striesow... Vielleicht gibt es so ja auch mal einen Fernsehpreis, das war mit einem wie Gregor Weber eben wirklich nicht zu machen. Trotzdem: Mit dem Abgang Webers, der US-Cop-Gebaren mit saarländischer Bockigkeit verbindet, tritt auch der letzte "Tatort"-Ermittler aus der ersten Reihe ab, der noch eindeutig regional zu verorten ist. Mundart, das sprechen jetzt nur noch die Sekretärinnen und Pathologen.
Was uns in Zukunft beim Saar-"Tatort" fehlen wird, zeigt sich jetzt noch mal in der finalen Folge mit Weber und Brückner: Webers Deininger wütet, als ginge es um sein Leben. Seine Zeit läuft ab, jetzt zeigt er es noch mal allen, auch wenn das in einer Art Selbstdemontage endet. Er springt einem Psychologen an die Gurgel, kippt einen Flachmann nach dem anderen rein, in einer Mischung aus Selbstüberschätzung und Selbstzweifeln schlägt er um sich. Da lässt sich selbst der von Brückner gespielte, besonnenere Kollege Kappl mitreißen: Lustvoll haut er in der Verhörzelle einem Verdächtigen in die Magengrube, weil er ihn für einen Päderasten hält. Saubere Polizeiarbeit geht anders.
Die Aufgewühltheit der Ermittler lässt sich nachvollziehen: In "Verschleppt" (Regie: Hannu Salonen) geht es um drei Mädchen, die über Jahre von einem Entführer in einem unterirdischen Verlies gehalten wurden, in dem man sie mit bizarren technischen Gerätschaften auf Gehorsamkeit konditionierte. Das Natascha-Kampusch-Motiv wird von den Drehbuchautorinnen Khyana El Bitar und Dörte Franke ("Das System") zu einem Thriller verarbeitet, der in einigen Momenten so feinsinnig daherkommt wie ein Folterschocker der Kinoreihe "Saw". Aber was sollen wir an dieser Stelle sagen - auch die fehlende Plausibilität des Plots hat Darsteller Gregor Weber schon in etlichen Interviews herausgestellt.
Doch lassen wir uns von seinen Beschwerden nicht in die Irre führen: Dieser "Tatort" ist - Logik hin, Logik her - wirklich eine Wucht. Weber spielt seinen Kommissar Kamikaze so seelenvoll wie nie zuvor. Schauen Sie sich ihn unbedingt an! Allzu oft werden sie ihn im deutschen Fernsehen wohl nicht mehr sehen.
Christian Buß, Spiegel, 20.1.12


Click to enlarge Scan aus Abendzeitung München, 21./22.1.12, Seite 24.
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Der letzte Saarbrücker "Tatort": Grusel ist garantiert
In diesem Gefängnis wird nicht wenigstens Normalität imitiert, hier gibt es keine Betten, keine Puppe und keinen Teddybär. In dieser Hölle werden drei Mädchen wie Tiere gehalten.
Angekettet, sich nach einem Napf mit Wasser streckend, verdammt dazu, nur noch zu vegetieren. Es sind drastische Bilder, die Regisseur Hannu Salonen den Zuschauern zumutet und so dafür sorgt, dass dieser letzte Saarbrücker "Tatort" (ARD) mit Maximilian Brückner und Gregor Weber als Kommissare Kappl und Deininger lange im Gedächtnis bleiben wird.
Zum zweiten Mal in kurzer Folge thematisiert die Krimireihe den Fall eines Menschen, der vollkommene Macht über andere ausübt, indem er sie entführt und wegsperrt, in ein Verlies tief unter der Erde. Grusel ist damit sozusagen garantiert. Geschickt umgehen der Regisseur und die Drehbuchautoren Khyana el Bitar und Dörte Franke die Frage, wie so ein Mensch wohl aussieht, wie er sich im "normalen" Leben verhält, spielen dafür mit Vorurteilen, indem sie exemplarisch den üblichen Verdächtigen sowie einen Spießer aus dem Bilderbuch als mögliche Täter vorführen. Der tatsächliche Täter wird nur noch als Leiche präsentiert. "Verschleppt" zeigt darüber hinaus, dass der Albtraum nicht vorbei ist, wenn Eltern ihr jahrelang eingekerkertes Kind endlich wiederbekommen.
Und doch hat dieser "Tatort" Mängel, die alle optischen Effekte, allen Thrill und alle krachende Emotionalität der beiden Kriminaler nicht überdecken können. Es beginnt bei dem "Stellvertretermord" eines Opfers an einer Leidensgenossin, der wenig plausibel scheint, sondern wohl nur ins Buch hineingeschrieben wurde, damit die Ermittlungsmaschinerie überhaupt erst anlaufen kann. Und diese Maschinerie ächzt gewaltig. Soko auf Saarländisch - das wirkt hier und da wie mühsam eingeübt, überschwappende Gefühle der Ermittler inklusive.
Vor allem Gregor Weber als echter "Typ" mit Mut zur Mundart wird dennoch künftig fehlen. Vielleicht wäre die Geschichte des SR-Tatort mit besseren Büchern doch ganz anders weitergegangen.
Rudolf Ogiermann, op-online.de, 23.1.12

Der Mord vom Sonntag: Die Hölle im Vorgarten
Die großen, leeren Augen. Der Kittel, der kraftlose Gang, die Schrunden an Beinen und Armen. Der Ventilator, das Geräusch der Belüftung, die Leben bringt. Die stählerne Klappe, die zufällt. "Verschleppt", der "Tatort" von Hannu Salonen, ist ein Horrorfilm, ein raffinierter dazu: Die entsättigten Farben, die Blicke über die Stadt, die Nachrichten-Einspielungen - Salonen filmt Saarbrücken, wie David Fincher im Thriller "Zodiac" San Francisco gefilmt hat, und die blassen Mädchen ähneln der Besessenen in "Der Exorzist".
Die Autoren Khyana el Bitar und Dörte Hansen locken die Kommissare Franz Kappl (Maximilian Brückner) und Stefan Deininger (Gregor Weber) zunächst auf eine falsche Fährte. In dem verurteilten Päderasten Andi Mollet erkennen sie sofort den Mörder eines Mädchens, das ihm nach bestialischer Gefangennahme entkommen ist. Besonders aggressiv geht der schnauzbärtige Deininger gegen den weichlichen Mollet vor, der im Halbdunkel seiner Wohnung mit dem Fernglas den Spielplatz beobachtet und sich ein Frettchen im Käfig hält. Ein Psychiater, der Mollet verteidigt, wird als "Dr. Freud" verunglimpft, und beide Polizisten demonstrieren ihre Homophobie und ihren Machismo so lange, bis Mollet entlastet wird. Bei Deininger sind schlechtes Gewissen und Selbsthass am Werk: Vor Jahren hatte er im Fall eines entführten Mädchens ermittelt, ohne Erfolg. Jetzt häufen sich die Flachmänner in seiner Schreibtischschublade.
"Verschleppt" ist ein Film, der den Schrecken der Fälle Kampusch und Fritzl albtraumhaft bebildert. Er zeigt die Hilflosigkeit und Verzweiflung von Ermittlern, Verwandten und Medizinern angesichts des stummen Leidens der Mädchen. Auch wenn kaum physische Gewalt gezeigt wird - nur einmal attackiert ein Vater den verdächtigen Pädophilen ungeschickt mit einem Messer - verfolgen einen die surrealen Bilder.
Arne Willander, Die Welt, 23.1.12

Letzter Fall des Saarbrücken-Tatort - Warum kickt der Sender die Super-Kommissare aus dem Programm?
Ihr letzter Fall war ihr bester - jetzt müssen die begnadeten TV-Kriminalbeamten gehen!
Mit einer Traumquote von 9,3 Millionen verabschiedete sich das saarländische Ermittlerduo Franz Kappl (Maximilian Brückner, 33) und Stefan Deininger (Gregor Weber, 43) am Sonntagabend vom deutschen TV-Publikum. Nach diesem düsteren und hochspannenden Tatort "Verschleppt" ist es einmal mehr unverständlich, warum der Saarländische Rundfunk (SR) die beliebten Kommissare in die Wüste schickte.
Das Ende kam überraschend. Nach Abschluss der Dreharbeiten hatte der kleine ARD-Sender die Verträge nicht verlängert - nach nur sieben Folgen. Die lapidare Begründung: Die Geschichte sei auserzählt.
Die Tatort-Fan-Gemeinde zeigte sich entrüstet. Auch die Schauspieler waren fassungslos: "Gerade die letzten Tatorte zeigten für uns eine positive Entwicklung: Steigende Quote - aktuelles Ranking Platz 7 von 16 Kommissaren - und gute Kritiken", erklärten beide im November.
Thema des letzten Tatorts: Mädchen in den Händen eines Psychopathen, der sie jahrelang gefangen hält. Aber nicht nur die Materie wühlte die Zuschauer auf, sondern auch die packende Darstellung von Brückner und Weber.
Der Fall geht den Kommissaren an die Nieren, sie zeigen Gefühl. Vergangene Ermittlungsfehler lassen Deininger verzweifeln, er glaubt als Kommissar versagt zu haben. Kappl treibt die Ignoranz und Borniertheit eines Mitbürgers, der hätte Schlimmeres verhindern können, Wuttränen in die Augen.
Webers eigener Boykott-Aufruf "Gucken Sie sich die Folge 'Verschleppt' bloß nicht an!" gegen seinen letzten Tatort - angesichts der brillanten Darstellung schwer nachvollziehbar.
Bei Maximilian Brückner klopfte indes Hollywood an die Tür. Oscar-Regisseur Steven Spielberg (65) engagierte ihn für sein Weltkriegs-Drama "Gefährten" (ab 16. Feb 2012 im Kino). Spielberg: "Ich sehe viele ausländische Filme. Wenn mich dabei ein Schauspieler beeindruckt, schreibe ich seinen Namen auf."
Bild.de, 23.1.12

"Tatort: Verschleppt": Verstörender Horror-Thriller
Verstörend, packend und hochspannend: Der letzte Fall des Saarbrücker "Tatort"-Duos Kappl (Maximilian Brückner) und Deininger (Gregor Weber) war eher ein Horror-Thriller als ein Sonntagabend-Krimi. Denn in "Verschleppt" waren die beiden Polizisten einem psychopathischen Kindesentführer auf der Spur, der gleich drei Mädchen über Jahre hinweg auf grausamste Weise peinigte. Angesichts des drastischen Falles lagen nicht nur bei den Kommissaren bald die Nerven blank. Düstere Szenen, gespenstische Musik und drastische Effekte ließen auch den Zuschauern das Blut in den Adern gefrieren. Dieser "Tatort" war definitiv nichts für zartbesaitete Gemüter.
Sprechen sich die "Tatort"-Macher untereinander eigentlich nicht ab? Dieses Eindrucks kann man sich gelegentlich nicht erwehren. Gab es im letzten Frühjahr innerhalb weniger Monate zwei "Tatorte" im Fußballumfeld, folgten nun kurz nacheinander zwei Fälle zum Thema Kindesentführung. Doch in Saarbrücken wurde das Thema völlig anders angepackt als Anfang Dezember von Kommissarin Lindholm (Maria Furtwängler) in Hannover. Während damals auf Bilder der entführten Mädchen in ihrem Verlies verzichtet wurde, gab es diese Szenen im aktuellen "Tatort" in Hülle und Fülle. Denn "Verschleppt" setzte auf drastische Bild- und Schock-Effekte.
An Spannung kaum zu überbieten
Das ging auf Kosten der Realitätsnähe: Einen derart perversen Täter, der gleich mehrere Mädchen entführt, um an ihnen seinen Kontroll- und Sauberkeitswahn auszuleben, ist kaum denkbar - ebenso wenig wie die Reaktion der entführten Barbara Romers (Mathilde Bundschuh), die ihre eigene Identität ausgelöscht und die ihres Entführers übernommen hatte. Auch wurde die Psychologie der Figuren nur oberflächlich beleuchtet: Starke Bilder, krasse Effekte und eine schockierende Story zählten mehr als feine Charakterzeichnungen. Doch die Effekte waren vom finnischen Regisseur Hannu Salonen durchaus gelungen eingesetzt. Denn an Spannung war dieser "Tatort" kaum zu überbieten: Lange saß man nicht mehr so gebannt und angespannt vor dem Sonntagabend-Krimi - und das für volle 90 Minuten.
Das lag auch an den Darstellern. Maximilian Brückner und Gregor Weber stellten eindringlich dar, wie sehr der Fall die Kommissare an ihre Grenzen führte. Dabei verriet Weber in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dapd, dass der Film ihm gar nicht zusagte: "Ich hatte von der Geschichte von Anfang an nicht viel gehalten. (...) Ich empfand es als eine dramaturgisch schwache Story, die mit Horroreffekten aufgeblasen ist." Gegenüber dem Kölner "Express warnte Weber sogar explizit davor, den "Tatort" einzuschalten: "Gucken Sie sich die Folge 'Verschleppt' am Sonntag bloß nicht an! Sie ist schlecht."
Zeigt, wie sehr die Kommissare unter Druck stehen
Doch so schlecht, wie der Schauspieler den "Tatort" machte, war er keinesfalls. Doch das mag auch an den eigenen Ideen gelegen haben, die die beiden Hauptdarsteller in den Film einbrachten: "Dass ich im Büro ausraste, dass ich einen Verdächtigen drangsaliere und Maximilian einen anderen sogar schlägt, das alles stand nicht im Buch, sondern haben wir am Set entwickelt", so Weber. "Uns war wichtig zu zeigen, wie sehr die Kommissare von diesem Fall überfordert sind und psychisch unter Druck stehen." Das wurde in "Verschleppt" in der Tat eindringlich dargestellt.
Kappl und Deiniger verabschiedeten sich mit Paukenschlag
Insgesamt lässt sich "Verschleppt" als hochspannender Film zusammenfassen, der die Zuschauer zwar fesselte, dies aber vor allem durch seine Effektgewalt und weniger durch realistische Darstellung vermochte. Horrorfans hatten daran vermutlich ihre helle Freude, der durchschnittliche "Tatort"-Gucker vielleicht eher weniger. Doch ob man den letzten Fall von Kappl und Deininger nun mochte oder nicht, in einem Punkt sind sich sicher alle Zuschauer einig: Die Saarbrücker Kommissare verabschiedeten sich mit einem echten Paukenschlag.
Rekordquote für Abschieds-"Tatort"
Für den Sender hat sich Kappls und Deiningers Abschied übrigens gelohnt: 9,25 Millionen verfolgten am Sonntagabend den ARD-Krimi. Das war die höchste Zuschauerzahl eines Saar-"Tatorts" seit 19 Jahren und entspricht einem Marktanteil von 24,3 Prozent. Angesichts dieser Rekordquote ist die Entscheidung des Saarländischen Rundfunks, die beiden Kommissare abzusägen, umso unverständlicher.
CK/dapd, T-online, 23.1.12

Beste SR-"Tatort"-Quote seit 19 Jahren
Jetzt werden sich die Oberen des Saarländischen Rundfunks noch mehr kritische Fragen gefallen lassen müssen: Das von ihnen rausgeschmissene "Tatort"-Ermittler-Duo Maximilian Brückner und Gregor Weber verabschiedete sich mit der höchsten Zuschauerzahl aller SR-"Tatorte" seit 1993. 9,25 Mio. sahen insgesamt zu - der klarer Tagessieg am Sonntag. Auch im jungen Publikum war der Krimi ein Hit, hier gewann aber das RTL-Duo "Ich bin ein Star" und "Der Tag, an dem die Erde stillstand".
Meedia.de, 23.1.12 & TV-KULT: SR-"Tatort" holt beste Quote seit fast zwei Jahrzehnten

Einschaltquoten: SR-"Tatort"-Kommissare zum Abschied mit Spitzenwert
9,25 Mio. Zuschauer (MA: 24,3 Prozent) waren gestern Abend in der ARD mit dabei, als Maximilian Brückner und Gregor Weber im "Tatort: Verschleppt" ihren letzten Fall als "Tatort"-Kommissare des Saarländischen Rundfunks gelöst haben. Damit erzielte das Erste die größte Reichweite des gesamten Wochenendes.
Mediabiz.de, 23.1.12


Photo: imago

Nach all der Aufregung im Vorfeld der Ausstrahlung war ich doch schon sehr auf den Grund gespannt, deshalb wurde das Telefon ausgesteckt damit ich nicht gestört werden konnte.
WOW - Es war ein toller, aufwühlender Fernsehabend, nach 90 Minuten ist mir dann auch schon aufgefallen, dass ich mal schnaufen hätte sollen und dass die Sofakante nicht sehr gemütlich zum Draufsitzen ist. Maxi und Gregor Weber in einer atemberaubenden Höchstform - Kappl und Deininger endlich mal nicht mehr nett und verbindlich, sondern die bei ihnen schon immer vermuteten Abgründe ausspielend! Auch ihre Albträume wurden eindrucksvoll gezeigt - ein solcher Fall lässt keinerlei Privatleben zu. Ebenso die Hilflosigkeit und Verzweiflung aller Beteiligten, nicht nur der Ermittler, kam äußerst glaubhaft über den Bildschirm. Auch Maxis nur spärlich bedeckter Luxuskörper, so erfreulich der Anblick auch ist, diente vor allem dem Fortgang der Handlung.
- Eine löchrige Handlung mit Haken in der Logik? Und wenn schon! Im wahren Leben passt auch nicht alles ineinander.
- Eine in einem anderen Tatort kürzlich erst abgehandelte Geschichte? Geschenkt! Hier ist der Ansatz ein anderer und der Fokus liegt auf anderen Gesichtspunkten. Und die Schauspieler sind überzeugender.
- Der Zufallsfund der Lösung beim Glücksgriff in die Drecksbrühe? Ppffhhww - Kappl ist halt nicht nur schön, sondern auch schlau und bereit, sich unbekannten Flüssigkeiten zu stellen! Und vieles im Leben beruht auf Zufällen und Glücksgriffen.
- Gregor Weber riet vom Anschauen ab? Wurde Jesuseidank ignoriert! Er hatte ja die Folge noch nicht im fertigen Zustand gesehen, und sieht die Dinge naturgemäß von einem anderen Standpunkt aus als die Fernsehzuschauer.
Es ist wirklich sehr schade, dass das das Ende der beiden beim Tatort ist, aber wie sie offenbar von der verantwortlichen SR-Redaktion behandelt wurden, können sie zum einen froh sein, das hinter sich zu haben, und zum anderen, dass sie mit einem solchen Paukenschlag gegangen sind. Hoffentlich ärgern sich die Verantwortlichen des Rauswurfs jetzt - volkstümlich ausgedrückt "richtig grün und blau" und versuchen sich in nicht erreichbare Körperteile zu beißen!
Franz Kappl und Stefan Deininger - ihr habt mir viel Freude bereitet, also macht's es gut! Ab jetzt gibts für mich die Klärung der saarländischen Verbrechen nur noch als Wiederholung!
© EFi, 23. Januar 2012

Tatort: Verschleppt
Beim letzten Auftritt der Saarland-Kripokommissare Kappl & Deininger (Maximilian Brückner und Gregor Weber) wuchs aus dem spannenden Entführungsthriller "Verschleppt" (Buch: Khyana el Bitar, Dörte Franke, Regie: Hannu Salonen, ARD/SR) ein böser Horrorfilm: Ein Angstschocker sadistischer Machtquälereien an gefangenen Mädchen. Kellerverlies-Erinnerungsfetzen als imaginäre Blitzlichter alter, ungelöster Fälle - das ganze Aufgebot psychiatrischer Fehlschüsse und Albtraum-Visionen scheuert den Kommissaren die Nerven blank und lässt sie an ihrer Hilflosigkeit verzweifeln. Pathologen-Grausen und Unterbewusstseins-Ängste geistern durch bedrohliche Nachtbilder. Und was nun? Das schäbige Ausbooten der beiden Saar-Kommissare durch den Sender ist eine unschöne Hypothek für ihre Nachfolger im regionalen "Tatort"-Rivalenkampf.
Ponkie sieht fern, AZ Druckausgabe, Seite 17, 24.1.12

Eine der spannendsten „Tatort“-Folgen aller Zeiten kam ausgerechnet aus einer Stadt, die in der Vergangenheit nur selten mit guten Krimis überzeugte: Im Januar 2012 hatte der Saarländische Rundfunk im Rahmen einer medialen Schlammschlacht gerade erst seine beiden Hauptdarsteller Maximilian Brückner und Gregor Weber vor die Tür gesetzt, als deren düsterer Saarbrücker „Tatort: Verschleppt“ im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Ihr letzter gemeinsamer Fall, in dem unter anderem Motive aus Gore Verbinskis meisterhaftem Horror-Remake „Ring“ verarbeitet wurden, fiel dermaßen gruselig aus, dass viele Zuschauer nicht bis zum Ende durchhielten. [...]
aus: Kritik der Filmstarts-Redaktion zum NDR-Tatort "Borowski und das Haus der Geister" mit Axel Milberg am 2. Sep. 2018 im Ersten. Filmstarts.de, 31.8.18

Seite erstellt am 23./24. Januar 2012 von EFi weiter zu
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