Münchner Volkstheater 2008 - 2010
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Premiere am 25. März 2008 - Wiederaufnahme am 6. Juli 2009
Christian Stückl und Maximilian Brückner über das Stück: Stückl: Wir haben eigentlich immer rumüberlegt, wir gehen a bissl aus dem Bayerischen raus und versuchen amoi ganz was anderes. Wir haben da verschiedene Ideen gehabt, von der Dreigroschenoper, die wir nicht machen durften, weil die Weill-Erben die Musik nicht akzeptiert hatten und irgendwann saß ich vor dem Peer Gynt und dann hab ich den Maxi angerufen und gesagt: "Lies amoi Peer Gynt." Und irgendwann hat der Maxi gesagt: "Guat, gfoit ma guat", und dann haben wir angefangen zum Proben. Letztlich ist es die Geschichte eines jungen Menschen, der aufm Dorf aufwächst und er sitzt ganz oft am Dach droben und träumt sich in eine ganz eigene Welt hinein und diese eigene Welt, die funktioniert halt nicht mit der Welt drunten z'samm. Es gibt Konflikte. Er verliebt sich, er hat Frauengeschichten, irgendwo will er aus dieser Welt raus. Er sucht allerweil ganz stark nach dem, was er ist. Die Mutter stirbt, er geht in die Welt hinaus, landet plötzlich in Afrika in der Wüste. Dort hat er unterschiedliche Geschichten, er ist reich, dann wird er ausgenommen, dann hat er sich verliebt, dann wird er betrogen von der Liebe, dann möchte er Kaiser und König werden - was immer sein Traum war. Dann wird er Kaiser eines Irrenhauses und irgendwann verzweifelt kehrt er zurück in seine Heimat, und sagt: "Wo bin ich eigentlich?" "Wo lebe ich eigentlich?" "Was bin ich eigentlich?" "Wer bin ich eigentlich?" Und letztlich findet er eine Frau, die er ganz am Anfang schon mal kennen gelernt hat. Und wir hoffen, es geht ihm jetzt gut in diesem Dorf. Aber was das Spannende war, dass wir uns bei den Proben natürlich ganz oft gefragt haben: "Wo sind WIR eigentlich?" Und irgendwie hat das ganz gut zusammengepasst, weil ich gesagt hab, ich möchte mit'm Maxi wieder zusammenarbeiten und ich möchte mit den Riederingern wieder arbeiten. Herr Stückl, wenn sie so ein Stück auswählen wie Ibsens Peer Gynt, wie geht das bei ihnen? Sie haben ja erstmal so eine Musikkapelle, die sie lieben. Stückl: Ja, es ist eigentlich, in dem Fall ist es so, wir haben die Riederinger, die Blaskapelle und der Maxi Brückner, der ja aus dem gleichen Dorf kommt, das ist eigentlich sein Freundeskreis, und über den habe ich die Blaskapelle kennen gelernt. Wir haben uns verabredet zu einem neuen Stück und dann haben wir uns auf die Suche gemacht. Im letzten Sommer dachten wir noch, wir machen irgendwie die Nibelungen. Wir erzählen nochmal die Siegfried-Sage und dann haben wir uns auf der Suche trotzdem nochmal zurückgezogen und gesagt, jetzt lesen wir nochmal und letztlich sind wir bei Peer Gynt gelandet. Weil wir einfach gemerkt haben, das ist so eine Geschichte von einem Bauernbua, der irgendwie auf der Suche nach sich selbst in die Welt hinaus wandert, die Mutter hat ihn rausgeschickt Und irgendwie hat uns dann die Geschichte so gut gefallen, dass wir gesagt haben: Wir machen die. Dieses Stück ist ja zum Teil so verquer geschrieben, dass wir uns bei den Proben kaputt gelacht haben, und gesagt haben: Wie sollen wir das machen? Und letztlich hat das aber sehr viel Spaß gemacht, dass ma gesagt haben: So verrückt spielt das Leben manchmal! Herr Brückner, sie spielen ja hier ein ganzes Leben. Maximilian Brückner: Ja. Beschreiben sie mir mal diese Schlußszene. Sie sind ja alt. Maximilian Brückner: Man ist alt ja. Aber im Geist versucht er immer noch zu kämpfen gegen diesen Satz den ihm der Teufel eingebläut hat: Wer bist du? Ich glaub' die größte Arroganz von Peer Gynt war, zu sagen: Ich weiß wer ich bin. Man kann das beantworten und zwar im Ausschlußverfahren und sagen, wer ich nicht bin. Aus 'News & Stories: Wer bin "Ich"? - Der Mann des Jahrhunderts', Mai 2008 und 'Nachtlinie', Juni 2008 Premieren-Gespräch: Zusammenwirken wie Zahnradl München - Das Münchner Volkstheater geht die Welt der Trolle erforschen: Am kommenden Dienstag hat Henrik Ibsens "Peer Gynt" mit Maximilian Brückner in der Titelrolle Premiere. Maximilian Brückner wirkt ehrlich erstaunt: "So lang ist das her?" Vor drei Jahren erarbeitete er am Münchner Volkstheater den Boandlkramer, den er mit Schalk und Schusseligkeit so neckisch wie rührend in "Brandner Kaspar und das ewig' Leben" spielt. Kein Wunder, dass die Zeit für den 29-Jährigen so schnell vorbei ging, es ist ja auch eine Menge passiert mit dem Schauspieler: Nach dem Theaterpreis dieser Zeitung regnete es weitere Auszeichnungen, vom "German Shooting Star" bis zum Bayerischen Kunstförderpreis. Brückner erhielt eine Filmrolle nach der anderen aktuell ist er in Doris Dörries "Kirschblüten Hanami" zu sehen und wurde außerdem Saarbrücker "Tatort"-Kommissar. Endlich ist er wieder in München in einer Neuproduktion zu sehen: Er spielt die Titelrolle in Ibsens "Peer Gynt". Christian Stückl inszeniert das dramatische Gedicht, das am Dienstag Premiere hat, wieder mit den Jungen Riederinger Musikanten, die nicht Edvard Griegs Musik spielen werden, sondern ein eigenes Potpurri. Ist das für Brückner eine Rückkehr ans Theater, will er vielleicht wieder mehr auf der Bühne stehen? "Ich war doch immer hier", sagt er. "Filme drehen, ein 'Tatort' im Jahr und dann die zwei Stücke hier am Volkstheater mit meinen zwei Brüdern und meinen besten Freunden: Damit bin ich wunschlos glücklich. Und die Arbeit beim Film ist gar nicht so viel anders." Als Brückner dann aber von den Proben zum "Peer Gynt" erzählt von der Zusammenarbeit mit Stückl, dem gemeinsamen Humor, dem Zusammenwirken wie "Zahnradl", dass es manchmal keiner Worte bedarf oder so urkomisch ist, dass sich beide kaputtlachen, als Brückner seine Begeisterung schildert, da rutscht es doch heraus: "Ich merke jetzt, wie mir das abgegangen ist, es macht einen unglaublichen Spaß." Nie, meint er, könne er nur der Erfüllungsgehilfe für einen Regisseur oder ein Konzeptheater sein; Stückl lasse ihn, bei aller kritischen Anleitung, immer erst einmal machen. Und das gefällt ihm. Fast wäre ja aus dem blonden Schauspieler diesmal ein Siegfried in einer geplanten "Nibelungen"-Inszenierung geworden. Aber dann ist man in der künstlerischen Leitung des Hauses doch vom Rhein durchs Bücherregal hinauf nach Skandinavien gewandert. "Es ist gar nicht so leicht, für unsere Besetzung mit den Riederingern einen geeigneten Stoff zu finden", sagt Brückner. Und aus der bayerischen Ecke wollte man diesmal, nachdem vor drei Jahren die Weill-Erben die "Dreigroschenoper" als Blasmusikversion verhindert hatten, endgültig heraus. Brückner findet den Ibsen Stoff toll: "Das Stück ist verspielt wie ein Märchen. Am Ende wird es ganz unkonkret. Da muss man den schwierigen Text auf eine einfache Ebene herunterholen." Der norwegische Bauernbub, ein abenteuerlustiger Tunichtgut, unverbesserlicher Fantast und Schummler: Die Braut eines anderen entführt er, um sie sitzen zu lassen. Die arme Mutter verlässt er, um sie später liebevoll in den Tod zu wiegen. Durch die Welt jagt er, um Kaiser zu werden und sein Reich schließlich daheim bei der geliebten Solvejg zu finden. Gibt's Gemeinsamkeiten zwischen Peer und Maxi? "Den nordischen Typ kriege ich schon hin", lacht er. "Und Gemeinsamkeiten gibt's immer. Aber ich versuche, nur an die Figuren zu denken beim Spielen." Ein Unterschied zu Peer ist jedoch deutlich: Wenn Brückner so durch die Welt jagt, von Dreh zu Dreh, dann weiß er trotzdem genau, wo er hingehört: nach Riedering, in seine Großfamilie mit den sieben Geschwistern, die ihm bei allen Verlockungen und Gefahren des Erfolgs bewusst sein "Netz mit doppeltem Boden" ist. "Ob einer gerade auf dem Dach gearbeitet hat oder vor der Kamera, ist doch egal", sagt Brückner. Riedering mit seinen urigen Ortsteilen rings um den Simssee ist sein Refugium: "So wie andere Schutz suchen in der Anonymität der Großstadt, so tauche ich hier unter. Da geht mir die Welt am Allerwertesten vorbei." Vielleicht war er deshalb so überrascht, dass sich die Medien auf ihn stürzten, als er kürzlich für die CSU in den Gemeinderat gewählt wurde. Es spricht für ihn, dass er das nicht an die große Glocke hängen mag: Er sieht es als seine Privatsache an, sich dort, wo er sich wohlfühlt, zu engagieren. "Ich denke halt manchmal noch als Maxi Brückner, nicht als Schauspieler", entschuldigt er sich. Aber Stückl hat ihm bereits gesagt, dass er das weiterhin tun soll: Sonst werde er ein komischer Mensch. Und das wäre schade für ein Talent, das sich bisher nicht verbiegen ließ. Münchner Merkur, 21. März 2008 Vom Dorf auf die Großstadtbühne Die Jungen Riederinger Musikanten sind die heimlichen Stars des Münchner Volkstheaters. Das zeigt ihr Auftritt in Ibsens "Peer Gynt". Es sei "so etwas wie Liebe auf den ersten Blick" gewesen, sagt Volkstheater-Intendant Christian Stückl über den Beginn seiner Beziehung zu den Jungen Riederinger Musikanten. Damals waren sie noch nicht ihr eigener Mythos. Sie saßen brav auf unbequemen Stühlen im Riederinger Gemeindesaal und warteten auf ihren Einsatz. Der Schauspieler Maximilian Brückner, bekannt als "Boandlkramer" und "Tatort"-Kommissar, hatte Stückl zu einer Theaterpremiere in sein Heimatdorf eingeladen. Ob es darum ging, dass der Oberammergauer Christian Stückl in Riedering mal wieder einen biblischen Stoff zu sehen bekam, oder ob Brückner - als Gründungsmitglied der Jungen Riederinger - von vorneherein anderes im Schilde führte, weiß keiner so genau. Aber es ist auch egal. Denn Stückl hatte sowieso nur Augen fürs "Orchester". "Ich sah eine Blaskapelle. Buben und Mädeln im Bauerng'wand mit Zuckerwasser in den Haaren. Mir war gleich klar, dass ich mit denen arbeiten will." Heute, wenige Jahre später, gehören die Riederinger zu Stückls Kernmannschaft. Man hört und sieht sie in der "Geierwally" und im "Brandner Kasper", in Stücken, die zum Hausschatz des bayerischen, volkstümlichen Theaters gehören. Daneben geistern sie durch die Lustspiele Shakespeares ("Wie es Euch gefällt") oder, wie jetzt, durch Stückls Neuinszenierung von Ibsens "Peer Gynt", die am 25. März Premiere hat. Die Riederinger sind Stückls Allzweckwaffe: Sie sind komisch, aber keine Spaßtruppe. Sie sind konservativ, aber ihr Spieltrieb macht sie unberechenbar. Wenn auf der Bühne nichts mehr geht, sagt einer von ihnen einen schrägen Satz oder bläst, windschief, in eine Tuba. Danach ist die (Theater-)Welt wieder in Ordnung. Das Phänomen Riederinger aber ist so noch nicht abschließend erklärt. "Manche tun sich halt schwer, uns einzuordnen", sagt Sepp Staber junior, der das Flügelhorn spielt. Die einen vergleichen die Truppe bereits mit der Biermöslblosn. Die anderen würden sie am liebsten für die nächste Dorfhochzeit engagieren. Tatsächlich aber sind die Riederinger weder ein Fall fürs Kabarett, noch sind sie Profimusiker oder gar Animateure, sagt Staber: "Wir sind, wie wir sind." Der Festschrift zum 100. Gründungsjubiläum des Trachtenvereins Riedering zum Beispiel kann man entnehmen, dass die Jungen Riederinger Musikanten Anfang der 90er-Jahre als traditionelle Weisenbläser gegründet wurden. Außerdem sind sie allesamt Mitglied im Trachtenverein. "Musik und Tracht gehören zusammen", sagt Staber. Dann fällt ihm der Blick in den Spiegel, und er muss lachen. Weil er und Dominikus Brückner (Bass-Flügelhorn) direkt aus den Proben zu "Peer Gynt" zum Interview gekommen sind, tragen sie noch die operettenhaften, epaulettenbeschwerten Wüsten-Uniformen aus dem 4. Akt, die Gesichter unter den Tropenhelmen sind schwarz geschminkt. Tracht ist das keine. Eher schon eine Travestie. "Im Theater ist das erlaubt", sagt Staber. "Im Theater ist es ja auch der Stückl, der anschafft." Es hat eine Weile gedauert, bis sich die Riederinger mit den Regie-Einfällen des Volkstheater-Intendanten anfreunden konnten. Ganz am Anfang, als er sie in der "Geierwally" mit roten Clownsnasen schuhplatteln lassen wollte, haben sie erst einmal gestreikt. "Als Trachtler waren wir da natürlich in der Zwickmühle. Denn es sah ja so aus, als ob wir unser Ideal verarschen wollten." Mit der Zeit ist das Vertrauen gewachsen. In "Peer Gynt" schickt der Regisseur die Riederinger zusammen mit dem Helden auf einen Selbstfindungstrip, der über Norwegen nach Marokko und Ägypten führt. "Peer Gynt" ist ein quietschbuntes Abenteuer. Und Markus Zwink, Hausarrangeur am Volkstheater, hat dazu eine Musik geschrieben, bei der kein Stein auf dem andern bleibt. Nein, es ist nicht der Kiem Pauli, der hier Pate gestanden hat oder sonst ein bayerisches Original. Es ist die als Erste Allgemeine Verunsicherung, kurz: EAV bekannt gewordene österreichische Schlagertruppe. Die Riederinger machen Popmusik! Und vertrauen auch da auf Christian Stückl: "Wenn er will, dass sich die Musik falsch anhört, dann spielen wir auch falsch. Das ist dann aber sein Problem." Beide Seiten gehen entspannt miteinander um. Von der Zusammenarbeit am Theater haben sowohl Stückl wie auch die Riederinger profitiert. Wenn der Intendant seine Volkstheater-Produktionen an exotischen Schauplätzen zeigt - wie zuletzt den "Boandlkramer" in Rio de Janeiro - werden die Riederinger zu Kulturbotschaftern: Sympathischere Werbeträger kann man sich kaum wünschen. Umgekehrt wäre die Entwicklung des einen oder anderen Riederingers wohl anders verlaufen, wenn es Stückl und das Volkstheater nicht gäbe. Nicht nur Maximilian Brückner hat ja inzwischen Karriere beim Fernsehen und im Kino gemacht - Andreas Buntscheck (Flügelhorn) spielte eine Hauptrolle in dem Film "Grenzverkehr", Franz Staber (Baryton) war Werner Scholl in "Sophie Scholl" und Florian Brückner (Trompete) war in "Beste Zeit" von Markus H. Rosenmüller zu sehen. Wie sehr sie, ungeachtet dessen, ihren Wurzeln verhaftet bleiben, führte Maximilian Brückner in seinem ersten "Tatort" mustergültig vor, als er neben einem Fresspaket vom Vater auch eine Tuba in die Film-Wohnung schleppte. Das Bild vom Kommissar, der vor lauter Heimweh für sich selber spielt, mag gewollt erscheinen. Manche werden es auch kitschig finden. Aber es beschreibt sehr gut das innere Zentrum, um das sich bei den Riederingern alles dreht: Sie wissen, wo sie hingehören. Der Hoagascht mit Tanz im Riederinger Landkreisbauhof ist ihnen mindestens so wichtig wie ihre Theater-Auftritte. Nur, dass Riedering - wegen ihnen - als Künstlerdorf zur Marke geworden ist, ist ihnen manchmal nicht geheuer. "Sagst was, steht's gleich in der Zeitung", sagt Dominikus Brückner. "Und als der Max jetzt in den Gemeinderat gewählt worden ist, da war das ein Riesenrummel." Vor allem, dass Maximilian Brückner auf der CSU-Liste kandidierte, sorgte für Aufsehen. Dabei gehe es ihm doch nur darum, "in Riedering was vorwärts zu bringen", sagt sein Bruder Dominikus - in einem Ton, der jeden Zweifel im Keim erstickt. Hermann Weiß, Die Welt, 23. März 2008
Allein in der Unterhose in der Wüste Premiere heute im Volkstheater: Maximilian Brückner spielt die Hauptrolle in Ibsens "Peer Gynt". In den vergangenen Jahren wurde er mit Filmpreisen überhäuft, er ist der jüngste "Tatort"-Kommissar aller Zeiten, war mit Doris Dörries Film "Kirschblüten - Hanami" bei der Berlinale. Und vor allem ist er der Boandlkramer in 130 ausverkauften Aufführungen am Münchner Volkstheater, wo er auch den Räuber Kneißl und in den "Räubern" spielte. In der Premiere spielt Brückner die Titelfigur in Ibsens "Peer Gynt". Mit dabei: die Jungen Riederinger Musikanten. Regie führt Christian Stückl. SZ: Peer sucht den Kern seiner Person in einer Zwiebel - und findet nur Schalen. Wo liegt der Kern Ihres Daseins? Brückner: Der Kern? Ich finde ihn nicht. Ich mache einfach das, was ich tue. SZ: Suchen Sie ihn denn? Brückner: Nein. Wenn man sich in Gedanken verliert, kann man leicht stolpern. SZ: Eine Erkenntnis aus dem Stück. Brückner: Wenn ich den Boandlkramer spiele, denke ich ja auch nicht über den Tod nach. Eine Rolle hat nichts mit meinem Privatleben zu tun. SZ: Und rein künstlerisch gesehen? Wo liegt da der Kern? Brückner: Also, die Basis ist daheim, ist die Familie. Das ist wie ein Netz: Richtig auf die Schnauze fallen kann ich nicht, außer vielleicht gesundheitlich. Und im Beruf habe ich einfach viel Glück gehabt. Ich habe Glück gehabt am Volkstheater, mit den Kinofilmen, mit all dem, was ich spielen darf. Und das Sahnehäubchen darüber ist der "Tatort". Vor allem, weil es ein kleiner "Tatort" ist. Einen großen hätte ich nie gemacht. Ich kann nicht viermal im Jahr das Gleiche spielen, da werde ich wahnsinnig, auch wenn ich die Figur weiterentwickeln kann. SZ: Wie kommen Sie von den bajuwarischen Produktionen am Volkstheater zu einem Klassiker wie "Peer Gynt"? Brückner: Na, ein großer Klassiker ist das gar nicht. Das wird ja immer völlig überhoben. Du musst es herunterbringen. Wer ist denn Peer Gynt? Ein Bua aus dem Dorf, der immer umeinander träumt, überall aneckt, weil er, bei all seinem Charme, ein bisserl wirr ist, einfach nicht dazu passt. Dann geht er in die große weite Welt und sucht sich irgendwo selbst. Und weiß auch am Ende nicht, was das eigentlich ist. Das muss man ins Leben ziehen; dann kann man darüber verhandeln. Dann versteht's auch der Zuschauer. SZ: Wie zieht Ihr die Trolle ins Leben? Brückner: Das darf ich nicht sagen. SZ: Ach was. Brückner: Das müssen Sie sich anschauen. Wir haben da eine richtige Gaudi gemacht. Ob's funktioniert, weiß ich nicht. Du musst das Zeug zusammenkürzen, das hält ja sonst kein Mensch aus. Ibsen selbst hat ja viele Teile herausgenommen, als er es selbst inszenierte. Das sprengt die Möglichkeiten des Theaters. Wir haben hier keinen Unterbau, keine Oberbühne, wenn ich vorne spiele, wird hinten mordsmäßig umgebaut. Die Riederinger kommen gar nicht mehr aus den Kostümen raus. Das ist an der Grenze des Möglichen. SZ: Wer inspiriert eigentlich wen: Sie Christian Stückl oder umgekehrt? Brückner: Das kann man gar nicht sagen. In der ganzen Inszenierung kann man nicht mehr auseinanderhalten, was von wem kam. Wenn wir zwei miteinander proben, hocken die anderen Darsteller teilweise daneben und verstehen nichts mehr. Also auch dialektmäßig, klar. Einer sagt einen Satz, auf den der andere sofort reagiert. Das ist manchmal schwierig, weil man drauf achten muss, dass man die anderen wieder mit einbezieht. Man merkt halt, das wir beiden die gleichen Gedankengänge haben. Vielleicht liegt's daran, dass wir beide vom Dorf kommen. SZ: Führt das nicht zu einer Schieflage im Ensemble, dieses gegenseitige Verstehen? Brückner: Man muss auch sehen, dass ich, wie wenige, an diesem Theater bin, seit es das so gibt. Viele sind gekommen und wieder gegangen. Das heißt aber nicht, dass ich mir herausnehme, hier der Platzhirsch zu sein. Das ist doch schön, wenn jeder Ideen hat. Nur Christian und ich galoppieren halt manchmal in den Gedanken so weit, dass man schauen muss, dass die anderen mitkommen. Solange es um die Sache geht, darf jeder mitreden. Auch jeder Techniker. Nur sobald es um Eitelkeiten geht, wird's scheiße. Das kann ich gar nicht ausstehen. SZ: Eitelkeiten gehören nun mal zum Schauspielen dazu. Sie mögen auch eine Rolle gespielt haben bei der Entscheidung von fünf Ensemblemitgliedern, am Ende der Spielzeit zu gehen. Brückner: Das ist halt immer schwierig. Es gibt nur eine bestimmte Anzahl von Stücken. Und wenn ein Regisseur kommt, sagt der halt, mit wem er arbeiten muss. Und wenn dann einer ein paar mal übergangen wird, ist das nicht schön. Ich habe mich ja am Anfang auch nicht leicht getan. Bei den "Räubern", mit denen ich sehr zu kämpfen hatte, bin ich in der Kritik überhaupt nicht erwähnt worden. Du musst halt einfach anfangen. Und dann weitergehen. Die ersten zwei "Tatorte" etwa waren nicht die stärksten, die jemals gemacht wurden. Aber das entwickelt sich alles. SZ: Apropos Entwicklung: Glauben Sie, Sie werden einmal in einer Volkstheater-Produktion ohne die Riederinger spielen? Brückner: Sagen wir es mal so: Ich versuche momentan, alles daran zu setzen, dass ich mit ihnen spielen kann. Das wird sich nicht mehr lange halten. Die kriegen jetzt alle Familie. Und die Musik ist das Hauptding für sie. Die wurden ja nur für den Christian zu Unterhaltungsmusikern. Die nehmen die Musik ernst. Das ist ja momentan ein Traum. Ich bin der einzige Schauspieler in ganz Deutschland, der mit seinen besten Spezln auf der Bühne steht und spielen darf. Ob das das große Hehre ist, ist mir scheißegal, solange es gefällt. Das darf es auch geben. Überkunst wird genug gemacht. SZ: Dürfen Sie bei den Riederingern noch mitspielen? Brückner: Seit einem Jahr habe ich wieder Tuba-Unterricht, und in Riedering habe ich auch eine Musik, bei der ich einmal in der Woche mitspiele. Wenn du das einmal gemacht hast, dann hörst du das nicht auf. Als kleiner Bua bin ich rumgekommen, das war großartig. Mit 14, 15 bin ich um drei in der Früh’ heimgekommen, und die Eltern haben nichts gesagt, weil wir ja Musik gemacht haben. Die Riederinger haben auch überhaupt keine Berührungsängste. Die sind auf der Bühne oft professioneller als ich. Die arbeiten den ganzen Tag, kommen abends auf die Bühne - und funktionieren. Mit denen müssen Sie ein Interview machen. Die sind viel spannender als ich. SZ: Wird’s denn nun eine lustige Aufführung? Brückner: Ich finde ja das Stück schon lustig. Wie Karl Valentin in der Wüste. Der Typ ist ja unfassbar. Wird reich, wird ausgeraubt, dann steht er da und sagt: Lieber Gott, jetzt tu mal was. Ich hab' die Negerplantage verkauft, ich hab' Missionare nach Asien geschickt. Eine Hand wäscht die andere. Und in dem Moment fliegt das Boot in die Luft, auf dem er grad ist. Das nimmt man dann einfach so hin. Vielleicht war's der liebe Gott. Oder einer hat eine Zigarette fallen lassen. Und dann steht er allein in der Unterhose in der Wüste und meint, dass alles in Ordnung und er Herr der Lage sei. Man muss sich das so vorstellen: Der Ibsen hockte in Südtirol, schleppte alle Weiber, die nicht bei drei auf dem Baum waren mit nach Hause und ließ sich beim Rotwein über Norwegen, die Welt und deren gegenwärtige Lage aus. Und dabei hat er das Stück in einem Rutsch runtergeschrieben. Quelle: Egbert Tholl, Süddeutsche Zeitung, 25. März 2008
Seit der Kommunalwahl ist Brückner auch Gemeinderat in Riedering: "Ich habe keinerlei politische Ambitionen", sagt er, "ich engagier' mich für Mülltrennung und Kultur. Man kann ja net nur jammern, sondern muß mal was machen. Mit dem Verein D' Spielleut will ich kulturelle Veranstaltungen machen." Ob er dafür genug Zeit haben wird? "Der Rosenmüller hat's in Hausham ja auch g'schafft, und der Christian ist in Oberammergau auch Gemeinderat. Wenn's net hinhaut, hab i's halt probiert." Volkstheater, 25. und 26. 3., 19.30 Uhr, Tel. 523 46 55 Gabriella Lorenz, AZ, 25. März 2008
Christian Stückl inszeniert Ibsens "Peer Gynt" am Münchner Volkstheater "Du lügst!", sagt seine Mutter Aase. "Nein nein, ich lüge nicht!", beteuert Peer Gynt gleich zu Anfang des Stücks. Und er weiß wohl selbst nicht so genau, was er sich nur herbei fantasiert hat und was er wirklich getan und erlebt hat. Denn der junge Mann hat sich perfekt in seiner Traumwelt eingerichtet. Er ist König und residiert in einem prächtigen Palast - zumindest in seinen Träumen. In Wirklichkeit ist der 20-jährige Peer Gynt ein verarmter Bauernsohn: Sein Vater Jon, der einst einen großen Hof bewirtschaftet hatte, hat durch Mißwirtschaft und Alkoholexzesse das gesamte Anwesen verpraßt. Nachdem der große Träumer Peer zu allem Überfluß auch noch die Braut eines anderen entführt, muß er nicht nur die harten Realitäten, sondern auch aus seiner Heimat fliehen. In der Fremde hat er Erfolg - zunächst jedenfalls. Er sucht Gold in Amerika und verdient sich wirklich eine goldene Nase als Sklavenhändler. Doch dann sinkt sein Schiff und Peer landet in der Wüste, wird für den Propheten gehalten, und endet in Kairo in einer Nervenheilanstalt. Nach einer kleinen Ewigkeit kehrt er in seine Heimat zurück, in der sich so gar nichts verändert hat und findet schließlich dort sein Glück: die große Liebe von und zu Solveig, die die ganzen Jahre auf ihn gewartet hat. Mit diesem Drama hat der Norweger Henrik Ibsen (1828 bis 1906) ein Stück Trauerarbeit geleistet. Er verarbeitete hier ein Trauma seiner eigenen Kindheit. Als er acht Jahre alt war, hatte sein Vater - bis dato ein reicher Kaufmann - Bankrott gemacht. Die Gesellschaft quittierte das mit radikaler Ausgrenzung, die ersten großen bitteren Erfahrungen für den kleinen Ibsen. BR, 25. März 2008
Peer Gynt - bei Christian Stückls Ibsen-Inszenierung ist alles Spiel und darf es auch sein Die Macht des bayerischen Dorflebens "Brautraub!" - "Was? Blaukraut?" - "Nein, Braaautraaaub!" brüllt Ingrids Vater ins orangene Telefon. Drei Schritte weiter steht Peer Gynts Mutter Aase auf ihrem Hof und will an ihrem Apparat, der ländlich pittoresk direkt am Telefonmast hängt, nichts verstehen. Was hat der Bub jetzt schon wieder angerichtet? Beschützen kann sie ihn nicht: Die gleichaltrigen Männer aus dem Dorf locken Peer, der kurz zuvor Ingrid vor ihrer Hochzeit entführt hat, mit einer Travestienummer vom Dach, und Peer landet kopfüber auf dem Misthaufen. Hinterher ist er so richtig schön braun im Gesicht. Auch ein Modell von Welt und Wirklichkeit Im Münchner Volkstheater hat man bei Henrik Ibsens dramatischem Gedicht "Peer Gynt" in der Inszenierung von Hausherr Christian Stückl über weite Strecken den Eindruck, Co-Autoren seien Ludwig Thoma oder Franz von Kobell. Peer ist ein Bub in der bayerischen Provinz der 1950er, ein sympathisches Großmaul, das bei Maximilian Brückner oft vor sich hinschwatzt wie der Kobold Pumuckl. Die Bühne ist mit klappernden Stall-Kulissen vollgestellt, und auf Ingrids Hochzeit spielt die Blasmusik der Jungen Riederinger Musikanten unter einer spießig bunten Lichterkette "Buona Sera, Signorina, Buona Sera". Bis zur Pause weiß man nicht recht, ob man lachen oder weinen soll. Danach ist klar: lachen! Schon davor ist Stückls "Peer Gynt“ über weite Strecken eine Mordsgaudi. Nur eben eine, die sich in der Durchführung bierernst nimmt, in der Kulissen behandelt werden wie echte Mauern, Pannen schlicht lächerlich wirken und Kalauer platt. Schon davor hat Stückl auch prächtige Ideen, etwa den Großen Krummen aus dem Misthaufen auftauchen zu lassen oder Peer einen Rückzugsort zu geben, von dem er sich zu emanzipieren versucht: "Das ist ein Pappkarton und kein Schloss aus dem Mittelalter." Wasserpfeife, Palmen, Sphinx und tobende See Doch nach der Pause wird weniger vor- als schlicht gespielt, was das Zeug hält. "Na gut, mein Freund, wir haben Takt: Man stirbt nicht mitten im 5. Akt," heißt es schließlich schon bei Ibsen. So ironisch geht es immer fort: Die Riederinger sind in der Wüste eine dressierte Neger-Kapelle, die Wasserpfeife entpuppt sich als Mikrofon, in das Peer Schlager singt, und als ihm die Beduinen auf den Keks gehen und er mit Anitra allein sein will, zieht er einfach einen Zwischenvorhang, auf dem die Wüste gemalt ist. Gekonnt zieht sich Brückner zudem aus der Affäre, als ein Glas zerdeppert und die Scherben irgendwie von der Bühne verschwinden müssen. Er fügt seinem launigen Zwiegespräch mit Gott, der immerhin gerade die falschen Freunde mitsamt der geklauten Yacht hatte untergehen lassen, noch die Bitte um einen Besen hinzu. Überhaupt findet Brückner jetzt endlich zu seiner Form, ist mit Bart und Thomas-Gottschalk-Frisur ein Ego-Hippie und Erlöser-Kapitalist auf Selbstfindungstrip. Nun, da alles Spiel ist und Spiel sein darf, fügen sich auch die Kalauer und Karikaturen problemlos ins bunte Konzept zwischen Palmen, Sphinx und tobender See (lustig wie in der Augsburger Puppenkiste: wallende Stoffbahnen und dazwischen eine Haiflosse). Mordsgaudi der nicht so handelsüblichen Form Nebenbei gehen einem noch einige Lichter auf. So bricht Stückl die Bergkönigepisode im ersten Teil auf einen Traum herunter, in dem Ingrids Vater zum italienischen Mafiosi mutiert, sie selbst zur Grünen; Peer muss Pasta mit frisch gezapfter Kuhscheiße essen. Am Ende wird für Peer der Traum zum realen Erlebnis, wenn er der Dorfgemeinschaft vorwirft, sie hätten ihm den Schnitt in die Linse setzen wollen. Auch die Besetzung der wechselnden Rollen ist klug gewählt: Barbara Romaner spielt die Verführerinnen mit erotischem Schalk, die unerlösende Seite des ewig Weiblichen. Friedrich Mücke, Gabriel Raab und Tobias van Dieken zeigen in genauen Skizzen, dass Peer auch in der Fremde den Konflikten seiner Jugend kaum ausweichen kann. Andreas Tobias übernimmt mit spiegelnder Glatze die mephistophelischen Figuren, und das mit einer faszinierend alerten Körperlichkeit, bei der die Zähne so funkeln wie der Geist. So werden die jedermannschen Diskussionen zwischen Peer und dem Knopfgießer zu den intensivsten und beglückendsten Momenten des Abends. Hier lässt einer einen mittelmäßigen Menschen am ausgestreckten Arm verhungern; hier aber rechnet Peer mit sich selbst ab, klagt Gott und den Teufel an, ist ganz bei sich als nacktem Menschen. Und beim dankbaren Publikum. Georg Kasch, Nachtkritik, 25. März 2008 Peer
ist nach seiner Flucht aus Norwegen zu
immensem Reichttum
gekommen, in der Wüste gelandet, hat
Freunde gefunden, die ihn
allerdings um sein Geld bringen. Peer
bleibt allein zurück,
aber das Schiff mit dem sie flüchten
wollen sinkt. Er und eine
Palme - und ein Löwe. Bis dann eine
Karawane des Weges kommt
...
"Norwegen - a bissl in den Alpen" Regisseur Christian Stückl zu Ibsens "Peer Gynt" am Münchner Volkstheater Christian Stückl ist bekannt für die Inszenierung der Oberammergauer Passionsspiele. Nun hat er sich "Peer Gynt" von Henrik Ibsen vorgenommen. Das Stück spielt in Norwegen, in Marokko, in Ägypten - und ein bißchen auch in Bayern, verriet der Regisseur kurz vor der Premiere. Das Münchner Volkstheater sei randvoll mit Kulissen für das Stück gepackt, erzählte Intendant und Regisseur Christian Stückl im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ein ganzes Dorf werde aufgebaut, es gebe eine Sphinx und statt auf Bergspitzen sei der von Maximilian Brückner gespielte Gynt viel auf Dächern unterwegs. Ein Gesprächsausschnitt: Jürgen Liebing: Kommt denn "Peer Gynt" heute abend bayerisch daher, zumal es auch Blasmusik geben wird? Christian Stückl: Nein, er kommt nicht wirklich bayrisch daher. Beim Lesen dieses Stückes haben wir uns gefragt: Wo ist denn dieses Dorf? Maximilian Brückner und auch einige andere Schauspieler geraten vom Klang her so leicht ins Bayrische, aber wir halten uns an die Vorlage der Übersetzung und von daher wird es kein bayrischer "Peer Gynt". Das Bayrisch klingt raus, das ist ein bißchen wie in Shakespeares "Wintermärchen": Böhmen liegt am Meer - und Norwegen bei uns a bissl in den Alpen. (...) Letztlich behandelt das Stück die große Frage nach dem Sinn des Lebens, die Suche nach dem Ich und die Suche nach dem, zu was man bestimmt ist. Und von daher ist das nicht der große Philosoph oder Theologe oder wie auch immer "Faust", sondern es ist ein Bauernbub, der nach dem eigentlichen Sinn des Lebens sucht und ihn am Ende doch auch nicht findet. Deutschlandradio, 25. März 2008 "Peer Gynt" mit Volksmusik - Christian Stückl inszeniert Ibsens Drama am eigenen Haus in München Christian Stückl ist viel herumgekommen, nicht unähnlich dem Titelhelden "Peer Gynt" aus Henrik Ibsens Theaterstück. 1961 in Oberammergau geboren, spielte Stückl dort als Kind bei den Passionen mit, machte Laientheater, wurde in München entdeckt und inszenierte bald an allen großen deutschsprachigen Bühnen. In der Heimat er Spielleiter der Passionsspiele und übernahm 2002 die Leitung des Volkstheaters in München. Dort hat er nun "Peer Gynt" neu gedeutet mit bekannten Schauspielern und zünftigen Musikanten. Es ist sicherlich eine inszenierungsprägende Entscheidung von Christian Stückl in seinem Münchner Volkstheater wieder einmal mit den jungen Riederinger Musikanten aus Riedering bei Rosenheim zusammenzuarbeiten, wie er das schon bei seinen Publikumsrenner-Inszenierungen vom Brandner Kasper und dem Räuber Kneißl vor ein paar Jahren getan hat. Es ist ein Bekenntnis zu einem sozusagen wahrhaften Volkstheater und es ist die Entscheidung es mal wieder szenisch krachen zu lassen. Wie immer hat Christian Stückl als Regisseur die Riederinger Musikanten auch szenisch in seine Inszenierung integriert, diesmal spielen sie das Volk, dasjenige von Peer Gynts Heimatdorf ebenso wie dasjenige auf seiner Reise in die große Welt, auf der Sklavenfarm in Afrika z.B. oder bei den Muselmanen in der Wüste. Dann haben sie zwar Farbe im Gesicht oder es kleben ihnen lange Bärte an, ihre Musik aber bleibt die selbe, was zeigt, das letztlich alle Szenen den immer gleichen Ursprung haben, das Hirn des Dorfburschen Peer Gynt, denn welche andere Musik sollte der sich in sein Leben hinein phantasieren, als die, die er kennt. Im Münchner Volkstheater ist von Anfang an ganz klar, was Peer Gynt für Christian Stückl vor allem ist: ein Dorfbua - wie das so schön auf Bayerisch heißt - einer, der mit Phantasie begabt ist, einer, der sich aus dem grauen und auch durch seine Mutter stark verjammerten Dorfalltag in seine großen Träume flieht und dabei immer wieder auf die Schnauze fliegt und auf dem Mist landet. Ein realer Misthaufen bildet deshalb auch lange Zeit den ziemlich dreckigen Mittelpunkt des Bühnenbildes und wenn später, ganz am Schluß, Peer als alter Mann in sein Dorf zurückkehrt, dann werden die anderen ihn, den Heimkehrer und ehemaligen Brauträuber, kreuzigen: mit was? Mit einer Mistgabel. Volkstheater satt inszeniert Christian Stückl diesmal, ohne sich etwa bayerisch anzubiedern. Er, der weg will von dem Klischee, Volkstheater sei Mundarttheater, und der an seinem Münchner Volkstheater ebenso Shakespeare spielt wie Schiller oder die Stücke junger Libanesen, läßt die Blasmusik aufspielen, dort wo sie hingehört ohne die Musikanten dabei in Lederhosen zu stecken. Dabei gelingen Stückl die Dorfszenen auf einer Gradwanderung zwischen komisch derb und anrührend zart. Zugleich scheitert aber diese Inszenierung genau dort, wo schon vor ihr so viele gescheitert sind. Wenn Gynt in die große Welt reist, zum Kapitalisten wird, zum Propheten, zum Kaiser eines Irrenhauses oder zum Schiffbrüchigen, dort wo Ibsens Theater das Surreale und Absurde seiner dramatischen Nachfahren schon voraus nimmt, da weiß sich Stückl nur mit krachendem Slapstick zu helfen, die die bohrenden Fragen dieses Stückes fast vergessen machen. Trotzdem jedoch kann sich der Regisseur vor allem auf seinen Hauptdarsteller verlassen. Max Brückner, neuerdings einem breiten Publikum als jüngster Tatortkommissar bekannt, nimmt man vor allem den jugendlich strotzenden Phantasten ab, einen der schwankt dazwischen, Dorfdepp zu sein und zugleich die Frauen als Phantast zu betören. Aber er ist auch einer, der am Schluß die Verzweiflung meistert, im Grunde nicht zu wissen, wer er ist, warum er lebt oder gelebt hat. Und das sind dann wieder genau jene, die Ibsen mit seinem Stück stellt, ohne sie zu beantworten und sie gelten hier wie dort: im hohen Norwegen ebenso wie im tiefsten Bayern. Sven Ricklefs, Deutschlandradio, 26. März 2008
"Peer Gynt" im Volkstheater: Stolpernder Charmebolzen München - Die Wolkenträume, die Wolken-Spintisierereien sind es, die Anfang und Ende von "Peer Gynt" am Münchner Volkstheater zusammenhalten. Es ist nicht Ibsens "Peer, du schwindelst!", das seine Mutter ihm entgegenschleudert. Und der Münchner Peer auf dem Dach der elenden Hütte, die mehr nach Vorstadtarmut denn nach Bauernnot ausschaut, schwadroniert gleich von Größe und Kaisertum. Die will er sich erringen, will nicht mehr Angst haben, in den Misthaufen zu seinen Füßen zu stürzen oder gestoßen zu werden. Und während der blonde, hübsche Bursche mit seiner Kinderkrone da oben noch fabuliert, schleichen sich Stenzen im 30er-Jahre-Gewand samt Kollegin im Sommerkleid heran: die Jungen Riederinger Musikanten diesmal völlig unbayerisch - und ganz ohne Griegs berühmte Klänge. Volkstheater-Hausherr Christian Stückl hat selbst Henrik Ibsens "Dramatisches Gedicht" (1867, uraufgeführt 1876) inszeniert. Premiere war am Dienstagabend. In den knapp dreieinhalb Stunden unterstreicht der Regisseur immer wieder den Einfluss und die Präsenz der Dorfgemeinschaft. In ihr setzen Friedrich Mücke, Gabriel Raab, Tobias van Dieken und Andreas Tobias als Mann für die dunklen Mächte ihre Akzente. Dass die Riederinger als musikalische Kommentatoren dazugehören, ist nur logisch. Peer, der überzeugte Individualist, der stets nur er selbst sein will, ist also, ob er will oder nicht, in eine Gruppe, Gesellschaft, Sozialstruktur eingebunden. Weder Ibsen noch Stückl wollen Philosophie- und Sozialkundeunterricht abhalten. Das bedeutet, dass "Peer Gynt" einen Wirbelsturm an Szenen, Episoden, Abenteuern, Dia- und Monologen, an Sagen- und Satire-Stückchen, an Mythen-Häppchen und Literaturanspielungen entfacht. Und niemand kann dem wirklich standhalten, ob Leser des "Gedichts" - von Ibsen schon als theatraler Zwitter benannt , ob Zuschauer, Regisseur oder Schauspieler, der die Titelfigur formen, tragen, wahrhaftig und glaubhaft machen muss. Im Volkstheater ist das Maximilian Brückner. Er soll in dem Ibsen'schen Tornado mitwirbeln, soll zugleich fürs Publikum der verlässliche Leitfaden sein. Außerdem muss er das Stück zu Beginn abfeuern, als wär's eine Pistole. Bei der Premiere hat das nicht funktioniert. Die Ladehemmung löste sich erst allmählich und trat im Verlauf der Aufführung immer mal wieder ein. Brückner ist natürlich die Idealbesetzung des Hauses. Er hat die Anziehungskraft dieses Peer Gynt. Brückner bringt die Härte und Kälte, die Lächerlichkeit, Feigheit und den Hochmut dieses Kerls auf, aber immer mit dem Charme-Zuckerguss, der Frauen betört. Allerdings hat er - wie die Inszenierung ja auch - zum Teil (noch) Probleme, die Textmassen ökonomisch und differenziert zu gestalten. Abgesehen von Hängern bringen ihn die Verse der Fassung von Peter Stein und Botho Strauß (Grundlage: Übersetzung von Christian Morgenstern und Georg Schulte-Frohlinde) mitunter ins Schleudern. So ist die Anfangserzählung des Abenteuers auf dem rasenden Renbock, um die schimpfende Mutter (Ursula Burkhart) abzulenken, flau, auch der Auftritt bei Ingrids (Barbara Romaner) Hochzeit bleibt müde. Erst als Brückner den von den Dörflern gejagten Peer gibt, blüht er in einem "Das ist Leben!" auf. Stückl verschmilzt in seiner Inszenierung die Bauersleute und Ibsens Troll-Gesellschaft zu einem schrillen Mafiosi-Clan (samt der wiederum hinreißend anzusehenden und komischen Romaner), der als Initiationsritus von Peer unter anderem Kuhfladen-Essen fordert. Peer ist im Albtraum der totalen Anpassung gelandet. Er ist ganz unten. Und will nun vernünftig sein: Die Pappschachtel ist nichts als nur ein Karton - kein Schloss mehr. In einem wunderfeinen Theater-Schlenker macht die Inszenierung daraus ein Liebesnest. Solvejg erscheint, verkündet ihre Liebe und Treue. Sarah Sophia Meyer spielt das klar, schlicht, schön. Ihre Solvejg ist eine nüchterne junge Frau, keine Schwärmerin. Wenn Peer verbissen sein Selbst herauskehrt, ist sie sich ihrer mühelos bewusst. Das gibt Maximilian Brückner einen frischen Schub, sodass er nach der Pause die Wüsten-Episoden (Sklavenhändler, lüsterner Prophet, Ägyptentourist samt Irrenhausaufenthalt) relativ gut durchsteht. Alu Walters augenzwinkernd naives Dünen-, Palmen- und Sphinx-Ambiente nimmt nicht nur Ibsens Satire auf, sondern inspiriert auch Brückner zu lässig hingewoffenen Scherzen mit philosophischen Tupfern. Dennoch können er und die Inszenierung von Stückl dem "Peer Gynt" die zähen, überfrachteten Elemente nicht ganz austreiben. Gleichzeitig ist bewundernswert, dass sich Christian Stückl nicht durch noch mehr Kürzungen davor gedrückt hat, viele der von Ibsen angeschnittenen Themen und dessen Ethik anzupacken. Durchaus möglich, dass nach ein paar Vorstellungen Tempo und Rhythmus besser sitzen. Dann wird sich die Argumentation von "Peer Gynt" - dieses Auf-und-ab des Lebens und die Erlösung - deutlicher herausschälen. Die Handlung: Peer Gynt ist ein fauler Kerl und Aufschneider, aber toller Fabulierer. Er entführt die Braut eines anderen und geht, er lässt sich mit einer Troll-Frau ein und seine arme Mutter sowie seine große Liebe Solvejg im Stich. Bei seinen Streifzügen durch die weite Welt lebt er skrupellos - immer bedacht darauf, sein Selbst herauszustreichen. Wieder zuhause bedrohen ihn Tod und Teufel. Der Knopfgießer will sein Selbst als Fehlguss wieder zu ungeformter Masse einschmelzen. Peer versucht, seine Individualität zu retten. Das gelingt nicht ihm, sondern Solvejg, weil sie ihn liebt. Münchner Merkur, 26. März 2008 Gott, bitte einen Besen! Nicht ohne Ekel-Einlagen und Klamauk: Christian Stückl reibt sich gerne an der Disparatheit des "Peer Gynt" und verleiht seiner Inszenierung am Volkstheater sogar einen bayerischen Touch. Das war der Clou der Premiere: In der Wüstenszene ging ein Sektkelch zu Bruch, Scherben blieben auf der Bühne liegen. Der barfüßige Peer Gynt nutzte das Zwiegespräch, das er gerade mit dem Herrgott führte, und rief diesen um Hilfe an: "Gott, kann ich kurz einen Besen haben?"
Brückners komödiantischer Spiellust assistieren die anderen Darsteller in wechselnden Rollen: Tobias van Dieken schnulzt als Entertainer "Buona sera, signorina", Friedrich Mücke läßt als Aslak die Fäuste sprechen, Hubert Schmid ist ein bedrohlicher Brautvater und Andreas Tobias erscheint als Tod oder Teufel. Und souverän lächelnd wartet die liebende Solveig (Sarah Sophia Meyer) auf den Spätheimkehrer Peer. Aber bis der nach seinem Schiffbruch zu ihr finden darf, muß er noch quälend lange über sein wahres Selbst debattieren und wird mit einer Mistgabel im Kreuz an den Pranger gestellt - wie eine Vogelscheuche oder ein Gekreuzigter. Gabriella Lorenz, AZ, 26. März 2008 Der Bauer als Illusionär Von Herzen möchte man diesen "Peer Gynt", wie ihn Christian Stückl nun am Münchner Volkstheater als wilde Gaudi und faustdicke Moritat hingefetzt hat, lobpreisen, wäre dabei nicht dieses "dramatische Gedicht" aus dem Jahr 1867 eben in kabarettistische Fetzen gegangen. Eigentlich paßt das wie die Faust aufs Auge, wenn der Menschenfischer Stückl, dieser Wanderer zwischen altbairischem Passionsspiel und neudeutscher Großstadtdramatik, der über allen Zweifeln wandelt wie Jesus über dem Wasser, die nordische "Everyman"-Geschichte in sein welpenhaft wimmelndes junges Volkstheater eingemeindet - hielte denn diese Faust die Fäden zusammen.
... daß Stückl aus Ibsens düster-vergrübeltem "Peer Gynt" einen saftigen bayerischen Komödienstadl mache. Aber so abwegig ist es gar nicht, den nordischen Symbolismus des Stücks in eine rasante Gaudi mit Abgründen zu verwandeln. Schließlich erweise sich Peer Gynt ja als richtiger Hallodri, wie man ihn aus dem Bauerntheater kennt. Fazit: Der Regisseur und seine wunderbar spielfreudigen Akteure haben dieses Dramen-Dings ein wenig verrückt - und es kam herrlich unterhaltsames Theater dabei raus. Alexander Altmann, tz, 27. März 2008 Als süddeutscher Hans Guckindieluft wird Maximilian Brückner von Stückl auf die Volkstheater-Bühne gestellt. In einer "dreistündigen Faschingspirouette" jage Peer Gynt seinen Traumgespinsten nach. Doch treibe ihn "die Ich-Umrundung vom kindlich unbeschwerten Schwindeln in den verbitterten Schwindel der Vergeblichkeit". "Ernsthaft und maßvoll" ende Stückl "nach einem Abend wunderbar schräger bis sonderbar arger Parodie." Das Gyntsche/Ibsensche "Menschheits-Soll" "Sei du selbst" habe der Oberammergauer Intendant des Münchner Volkstheaters mit seinem bajuwarisch derben "Peer Gynt" nun einmal mehr erfüllt. Teresa Grenzmann, FAZ, 29. März 2008
Auf den Wegen des "großen Krummen" Peer ist ein Lügner, Egoist und Versager. Und weil er ein Egoist und Versager ist, muss er lügen, um überhaupt Aufmerksamkeit zu erregen. Und um Aufmerksamkeit geht es ihm, schließlich möchte er mindestens der Kaiser - nein, nicht eines Reiches - der ganzen Welt werden. Seine Lügen haben Charme und Poesie, haben das Zeug, Legenden zu werden. Mit einem Brautraub treibt er die Geschichte schließlich auf die Spitze und muss fliehen. Der junge Peer zieht aus, seine Weltherrschaft zu begründen. Unversehens läuft ihm im Hochgebirge eine "Prinzessin" über den Weg. Er wittert seine Chance und erwählt sie zur Frau. Bei Ibsen ist es die "Grüne", Tochter des Dovre-Alten, Herr der Trolle. Auch Peer soll zum Troll gemacht werden. Er läuft mit wehenden Fahnen über, denn in der Troll-Welt gilt: "Sei dir selbst genug." Das oberste menschliche Gebot: "Sei du selber", konnte er ohnehin nicht erfüllen. Später, seine Odyssee hat ihn auf höchst unmoralische Weise finanziell reich gemacht, verrät er das Geheimnis seines Erfolgs: Lass dir keinen Ring an den Finger stecken! Peer weiß nicht, dass Solveig, der er daheim Liebe schwur, ehe er sie sitzen ließ, an diese Liebe selbstlos glaubte und in ihrem Herzen bewahrte. Sie errettet den heimkehrenden, verwahrlosten und abgerissenen Peer vor dem Knopfgießer, Helfershelfer des Teufels, der ihn "umgießen" will, da er nichts "Halbes" und nichts "Ganzes" ist. Die große, geradezu Faustische Frage: Wer bin ich?, erfährt immer wieder neue Wandlungen. Peers Entwicklung bleibt eine Kreisbewegung des Selbstbetruges, denn sein Weg ist immer wieder nur der Weg des "großen Krummen". Am Ende muss er erkennen, dass ihn dieser Weg ein halbes Menschenleben lang an seinem "Kaiserreich" vorbei geführt hat. Dieses Reich ist die Liebe Solveigs. Durch diese Liebe wird Peer Gynt entsühnt. Die Handlungsstränge, die Situationen, in die Peer gerät, und die Personen, denen er begegnet, sind für Ibsen nur einem Ziel verpflichtet: ein höhnisches Zerrbild vom selbstzufriedenen Norwegertum zu zeichnen. Dass der Dichter weit über sein selbstgezeichnetes Ziel hinaus gelangte, beweist die Inszenierungstradition dieses "Weltbestsellers" und nicht zuletzt auch die Inszenierung am Münchner Volkstheater. Ibsens Peer Gynt stiegt zur satirisch-tragischen Personifikation von Egoismus, Selbstbetrug und schöpferischer Unfruchtbarkeit auf. Der Umgang mit diesem Werk ist augenscheinlich kein Leichtes. Ibsen schrieb es 1867. Zu der Zeit stand er noch stark unter dem Einfluss der Romantik. Die vom Autor selbst bei Edvard Grieg in Auftrag gegebene Bühnenmusik, ein Dauerbrenner in den Opernspielplänen, machte Ibsen selbst zum Epigonen der Romantik. Aber es kam noch krasser, wenngleich der Vorgang aus heutiger Sicht für uns Deutsche sehr erhellend war. Dietrich Eckhart, einer von Hitlers Hofschreiberlingen, probierte die Umarbeitung zu einem Germanen-Heros. Man versuche sich das vorzustellen! Wie näherte sich nun Christian Stückl diesem gewaltigen Stoff? Er machte daraus ein handfestes bayerisches Spektakel. Hauptdarsteller Maximilian Brückner fand einen zutreffenden Vergleich: "Valentin in der Wüste" (Zitat: Hallo München). Brückner war, wie er freimütig gestand, erstaunt, wie lustig das Stück sei. Eines kann mit Sicherheit bestätigt werden, der Zuschauer erlebt wahrhaft lustiges Theater. Stückl griff auf die Jungen Riederinger Musikanten zurück, womit er das Publikum auf seiner Seite hatte. (Siehe "Geierwally" und "Brandner Kasper") Warum sollte man auch auf Bewährtes verzichten? Die Textfassung entbehrte all der Romantik, die das Stück heute so schwer verdaulich macht. Das ist durchaus eine Tugend dieser Inszenierung! Trolle treten nicht auf, dafür schmierige Klischeemafiosie und damit richtig die Post abgeht wird noch gesungen, die "Erste Allgemeine Verunsicherung" beispielsweise, eine Band die im letzten Jahrtausend einiges bewegte. Stückls Regieeinfälle haben Feuerwerkcharakter, funktionieren und verfehlen die Wirkung nicht. Das Publikum erlebte drei Stunden lang viele Überraschungen. Die größte war vielleicht, dass man die Texte von Ibsen in fast jeder Situation auch ins Komische kippen kann. Man kann, man muss nicht! Stückl tat's und tat dem Stück gewaltig Gewalt an. Über längere Strecken hatte das Drama um eine Schlüsselfrage der menschlichen Existenz den Anstrich von Wirtshausgaudi. Die Botschaft, die große Fragestellung wurde zum Nebenprodukt einer sehr unterhaltsamen Aufführung. Zu Zeiten von Bildungsbürgertum wäre es angegangen, denn zu diesen Zeiten kannten die meisten Zuschauer das Stück von der Lektüre her. Aber heute? Wem diese Inszenierung als "Peer Gynt" von Henrik Ibsen im Gedächtnis bleibt, der liegt mit Sicherheit schief. Trotzdem sei diese Arbeit wärmstens empfohlen, denn sie ist ein theatralisches Ereignis für München. Maximilian Brückner in dieser Rolle zu erleben, ist sicherlich (wie auch als Boandlkramer) eine Sternstunde für das Volkstheater. Sein hochenergetisches, beinahe atemloses Spiel bleibt immer verständlich und präzise. Brückner ließ keinen Zweifel an seinem Talent und Können. Zugleich riss er seine Bühnenpartner wirbelsturmartig mit sich. Tobias van Dieken, Friedrich Mücke und Gabriel Raab, zumeist im Dreierpack agierend, hatten dabei gelegentlich Mühe, mitzuhalten. Jeder von ihnen hatte mindestens drei Rollen zu gestalten. Dabei wechselten sie scheinbar mühelos Spielgestus und Dialekt. Die Spielfreude war allen anzumerken und verhalf ihnen zu erstaunlichen Höhen. Bei den Damen war es Barbara Romaner, die bestach. Als Bauerntrampel Ingrid gab sie ihrem Affen so sehr Zucker, dass sie ihrer eignen Komik nur mit Mühe widerstand. Mit der Anitra, Tochter eines Beduinenhäuptlings, schuf sie das absolute Gegenteil, einen berückenden Hauch von "orientalischer" Weiblichkeit, die alle Klischees bediente. Ursula Burkhart hatte mit ihrer Rolle in dieser Inszenierung die schlechtesten Karten. Als Mutter Aase konnte sie sich nicht über Komik profilieren. Dennoch überzeugte ihre Gestaltung von menschlichem Elend und Hoffnungslosigkeit. Sie kam der Ibsenschen Vorgabe am nächsten. Unbedingt erwähnt werden sollte noch Andreas Tobias. Sein diabolisches Auftauchen aus dem Misthaufen war einer der besten Regieeinfälle. Christian Stückl hatte sich von Alu Walter ein Bühnenbild gestalten lassen, das dem Zuschauer wegen der Stimmigkeit im Gedächtnis bleiben wird. In der grauen Ärmlichkeit eines schäbigen norwegischen Dorfes konnten Trunksucht, Ignoranz und auch Gewalttätigkeit bestens gedeihen. Die Wüste mit bekletterbarer Palme, erst Sonnenbadeort für Kolonialisten, wurde schnell zur Ödnis, die Peer zu einem aus der Welt gefallenen machte. Und schließlich gelang es Alu Walter, den entfesselten Ozean auf die Bühne zu bringen, in dem Peer sein Sündenregister mit der schlimmsten Tat beschließt. Unter dem Motto: Jeder ist sich selbst der nächste!, verursacht er den Tod eines Menschen. Diese Inszenierung wird dem Volkstheater ein volles Haus bescheren. "Peer Gynt" ist Volkstheater im besten Sinne, doch was das dramatische Gedicht von Ibsen anbelangt, nur eine Light-Version. Übrigens, wer sich der Heiterkeit allzu hemmungslos hingibt, könnte in Ibsen einen ersten Mohammed-Karikaturisten erkennen. Aber nicht weitersagen! Wolf Banitzki, Theaterkritiken.com Peer
kommt nach
Hause zurück,
zuerst erkennt
ihn niemand,
doch dann
wollen ihn
alle umbringen
und der
Knopfgiesser
will seine
Seele
einschmelzen
um sie
wiederverwenden
zu können.
Aber dann
kommt
Solvejg, die
die ganze Zeit
auf ihn
gewartet hat
und immer noch
so jung
ist, wie
damals als
Peer das Dorf
verlassen hat.
Oder hat er
alle
Abenteuer
doch nur
geträumt?
Wahn-witzige Weltreise - "Peer Gynt" im Münchner Volkstheater Ein kraftvoller Theaterspaß, dem zum Ende hin ein wenig die Luft ausgeht, das ist Ibsens "Peer Gynt", in der Inszenierung von Christian Stückl am Münchner Volkstheater. Premiere war im Haus an der Brienner Straße 50 am 25. März, die nächsten Vorstellungen sind am Sonntag, 6. April, und Freitag, 11. April, Restkarten gibt es jeweils an der Abendkasse. Im Mai ist das Stück dann wieder am 14., 18. Und 19. Mai zu sehen. Karten kann man unter Tel. 523 46 55 reservieren. Genau drei Jahre nach dem immer noch stets ausverkauften "Brandner Kaspar" bietet Stückl endlich wieder mal pralles Volkstheater mit Hang zum exaltierten Klamauk. Der Volkstheater-Intendant schickt "Boandlkramer" und "Räuber Kneissl", Maximilian Brückner und die Jungen Riederinger Musikanten ins ferne Norwegen. Er fährt mit ihnen nach Afrika an die Küste Marokkos, schaut bei der Sphinx vorbei und landet am Ende wieder in den Bergen Norwegens, die den bayrischen vielleicht gar nicht so unähnlich sind. Auch finden sich immer wieder Anspielungen aus dem "Brandner Kaspar". Auf den Leib geschneidert und eine neue Erfolgs-Paraderolle scheint vor allem der Peer Gynt von Maximilian Brückner zu sein, der den größenwahnsinnigen Träumer gewohnt agil und mit viel Sinn für Komik gibt. Dafür heimst er beim Publikum mal wieder den meisten Applaus ein, doch auch das übrige Ensemble zeigt viel Spielfreude. Die Riederinger Musikanten begleiten den tollkühnen Weltenritt Peer Gynts musikalisch gekonnt, trotz Verkleidungsorgien. Auch Brückners Peer Gynt darf sich diesmal weltmännisch geben und in diverse Rollen schlüpfen. Aus der Enge seiner Dorfgemeinschaft rettet er sich in Phantasien von zukünftiger Größe: Er möchte König, Kaiser werden. Nachdem er auf einer Hochzeit die Braut entführt hat, muss er sein Dorf verlassen und flüchtet in die große Welt hinaus. Er wird Goldsucher und Reeder in Amerika, Sklavenhändler und Prophet in Afrika, um schließlich in einem Kairoer Irrenhaus zu landen. Immer auf der Suche nach sich selbst, doch sich nie findend. Ibsens wahnwitzige Reise durch Epochen und Milieus, Realität und Märchen, geschrieben in der Mitte des 19. Jahrhunderts, setzt Stückl mit einer oft zunächst waghalsig erscheinenden, aber dann doch schlüssigen wie mitreißenden Mischung aus ernsten Szenen und verspieltem Klamauk um: ob Peer Gynt in den Fängen der Mafia-Unterwelt oder im weißen Anzug wasserpfeifenschwingend vor einer Sphinx den Achtziger-Kulthit "Fata Morgana" von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung schmetternd. Und so wie sich die wüstenbedingte Sinnestäuschung und vieles scheinbar erstrebenswerte schnell als Nichts herausstellt, erkennt auch Peer Gynt, wieder zurück in der Heimat, dass dort sein Königreich die ganze Zeit auf ihn gewartet hat: im Herzen einer Frau. Michaela Schmid, Wochenanzeiger, 5. April 2008
Am
Ende schauen
Peer und
Solvejg in
den Himmel und
entdecken eine
Wolke die
ausschaut
wie ein Pferd
mit Reiter. So
eine haben die
beiden schon
vor seiner
Reise gesehen,
der Bogen
schließt sich
und Kaiser,
König,
Bettelmann
Peer Gynt ist
endlich
angekommen.
~~~~~
~~~~~ Die
letzte
Vorstellung
war am
8. Juni 2010.
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Seite
erstellt
am 8. Januar 2011 von EFi |
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