Münchner Volkstheater 2003 - 2007
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Premiere am 4. Dezember 2003
Einladung zu den 22. Bayerischen Theatertagen 2004 in Regensburg. Vorstellung am 23. Juni 2004 im Velodrom.
Ich will bayerische Stoffe Der Bayerische Hiasl, ein echter Räuberhauptmann, wurde 1771 noch erdrosselt, gerädert und gevierteilt. Mathias Kneißl "bloß" guillotiniert. 1902 hatte der Prinzregent Luitpold das Gnadengesuch abgelehnt, obwohl Kneißl, 1875 in Unterweikertshofen bei Dachau geboren, keine Tötungsabsicht nachzuweisen war. Münchens Volkstheater-Prinzipal Christian Stückl bringt jetzt nach den Schiller'schen "Räubern" diesen bayerischen Gauner auf die Bühne. Das Stück haben er und das Ensemble erarbeitet. Maximilian Brückner spielt in "Räuber Kneißl" die Titelfigur. Wieder mit dabei im Bühnen-Team die Jungen Riederinger Musikanten. Premiere ist morgen Abend. Warum haben Sie als Intendant und Regisseur es sich auch noch angetan, ein Stück zu entwickeln? Christian Stückl: Schon im letzten Sommer, bei der "Geierwally", hatten wir die Idee, wieder einen bayerischen Stoff anzupacken. Thoma oder Ganghofer - wie damit umgehen? Da ist mir das Drehbuch Amerika-Blues von Martin Sperr zum Kneißl in die Hand gekommen. Aber ein Drehbuch ist eben kein Drama. Der Sperr ist unsere Grundlage, in Absprache mit dem Verlag, den Rest haben wir dazugebaut. Am Volkstheater war schon einmal der Kneißl aktiv - in Wolfgang Maria Bauers "Der Schatten eines Fluges". Stückl: Der Wolfi war, glaub' ich, ganz stark von Koltès' "Roberto Zucco" beeinflusst, hat den Text auf ganz wenige Personen begrenzt. Und die Münchner haben das Stück auch gar nicht recht als Kneißl-Geschichte wahrgenommen. Ich wollte mehr Figuren, um auch die Riederinger einbinden zu können. Wo setzt Ihr Stück Schwerpunkte? Stückl: Sperr hat bestimmte Episoden in der Kneißl-Biografie nur angerissen. Es gab keinen echten Gegenspieler, aber den braucht man auf der Bühne einfach. Wir haben den historischen Baron Schätzler - Grundbesitzer als Kontrast zu den Armen - zum Gegenspieler gemacht. Die Liebesgeschichte wurde natürlich auch ausgeweitet. Erzählen Sie in Ihrem Projekt mehr die Lebensgeschichte von Kneißl, von diesem armen Hund, oder eher, wie die Figur ausgeschlachtet beziehungsweise stilisiert wurde? Stückl: Wir wollen eigentlich alles erzählen, nicht nur vom Bösewicht. Kneißls Ausraster, wie er sich stilisiert hat, wie er von der Bevölkerung hochgejubelt wurde. Beim Woyzeck interessiert einen ja auch nicht nur der arme Militär-Bader. Ich will eine ganze Figur erzählen; nicht nur wie er durch die sozialen Umstände zum Verbrecher wurde, sondern auch wie er sich selber 'neireitet. Nach Schillers "Räubern" wieder ein Gangster aus der alten Zeit. Warum nicht ein jugendlicher Gewalttäter aus dem Jahr 2003? Stückl: Ich will ein Gegengewicht zum Komödienstadl und eine Kontinuität mit bayrischen Stoffen schaffen. Diese Sparte wird weder von den Kammerspielen noch vom Staatsschauspiel bedient. Außerdem: Wir wollten ein Mehmet-Projekt machen - aber Baumbauer war schneller. Ich möchte unbedingt die junge Blasmusik dabei haben. Wo bindest du die an ein heutiges Stück an; dazu würde eine andere Musik gehören. Ich habe also ganz bewusst ein Umfeld wie bei der "Geierwally" gewählt. Ärgern Sie sich manchmal, wenn Sie sehen, dass die Kammerspiele viel mehr Geld von der Stadt bekommen als das Volkstheater, aber das künstlerische Ergebnis dem gar nicht entspricht? Stückl: Nein. Man weiß, dass nicht jede Arbeit immer so perfekt funktioniert. Was mich ärgert, ist eher, wenn Kritiker uns mit den Kammerspielen vergleichen. Schließlich können wir uns nicht die Regisseure oder Schauspieler leisten, die sich Baumbauer engagieren kann. Es ist was Besonderes, wenn zum Beispiel August Zirner bei mir in Albees "Ziege" spielt - aber da bin ich schon an den Grenzen meiner Finanzen. Müssen Sie bei der augenblicklichen Geldnot der Stadt zusätzlich sparen? Stückl: In diesem Jahr noch nicht. Wie viel wir dann zur Konsolidierung beitragen müssen, werden wir sehen ... Es gibt viele Lieder über den Mathias Kneißl. Wie gehen's die Jungen Riederinger Musikanten an? Stückl: Die haben daheim einen neuen Wirtshaussaal - und basteln da viel herum. Nicht alles ist Eins-zu-eins-Blasmusik. Der Kneißl wollte nach Amerika auswandern, sein Traum: Da hab' ich gesagt, probiert's doch in die Richtung was aus - jetzt gibt es einen Blues. Für die Riederinger ist die Probenphase echt hart. Die arbeiten ja alle: um fünf Uhr raus ausm Arbeitsgwand, hierher fahren, auf die Bühne, nachts um eins wieder heim...
Der Kini der kleinen Leute "Der Räuber Kneißl" in der Bühnenfassung von Christian Stückl am Münchner Volkstheater Der Räuber Kneißl war ein kleiner unscheinbarer Mann aus Unterweikertshofen. Einer, der sich nicht ungerecht behandeln lassen wollte. Mehr nicht. Trotzdem ist aus Mathias Kneißl, dem "Schachermühl Hiasl" eine Legende geworden. Ein bayerischer Robin Hood, ein tragischer Volksheld, außerdem der Namenspatron eines Bieres und einer Oldtimer-Ralley. Die Geschichte des Mathias Kneißl, der 1902 mit 25 Jahren in Augsburg auf der Guillotine starb, hat die Menschen seither fasziniert. Es ist eine Geschichte, die vom Ausbruch aus der Enge der ländlichen Welt, vom Aufbegehren gegen die Obrigkeit berichtet. Eine Legende, die oft dazu inspiriert hat, den tragischen Kampf des jungen Mannes literarisch zu verarbeiten. In einer bayerischen Fassung und mit der Musik der Jungen Riederinger Musikanten bringt das Volkstheater nun das Leben des Räubers Kneißl (Maximilian Brückner) auf die Bühne. Regisseur Christian Stückl erzählt die Geschichte eines Mannes, der versucht, sich aus den Zwängen seines Umfelds zu befreien aber stets scheitert. Die schiefe Bahn, die sein Bruder Alois (Florian Brückner) mit seinem Kumpan Josef Schreck (Michael Lippold) einschlägt, schleudert auch den rechtschaffenen "Schachermühl Hiasl" aus der Bahn seines zwar armseligen aber unbescholtenen Lebens. Zu unrecht landet Mathias für fünf Jahre im Zuchthaus und kriegt nach seiner Entlassung keinen Fuß mehr auf den Boden. Der Großgrundbesitzer Schätzler (Alexander Duda), der die Familie Kneißl schon vor der Verhaftung wegen angeblicher Wilderei gegängelt hat, legt Mathias die Steine in den Weg, über die er zwangsläufig in seine kriminelle Karriere wider Willen stolpern muß. Nur in seinem Dasein als Räuber atmet Kneißl die Freiheit, um die er so verzweifelt gekämpft hatte. Dabei interessiert sich Regisseur Stückl weniger für die Darstellung historischer Fakten. Seine Inszenierung stellt vielmehr den Kampf eines Mannes gegen die Zwänge, die ihn fesseln und letztlich zerstören in den Mittelpunkt. Stückl will keine Legende erzählen, sondern einen aktuellen Kampf in der Gegenwart schildern. Sebastian Herrmann, Süddeutsche Zeitung, Extra, 4. Dezember 2003
Redlichkeit und Anarchie Ja, nach Schillers "Räubern" gehört auch das auf die Bühne des Münchner Volkstheaters. Weinen und lachen können, mitfühlen mit der geschundenen Kreatur, sich mitfreuen bei der Hatz auf die Obrigkeit. Sentiment und Gaudi. Heimatschnulze und Sozialdrama. Blasmusik und Gesang. Das alles ist "Der Räuber Kneißl", wie er jetzt in der Regie von Christian Stückl Premiere hatte. Aus den vorliegenden Materialien zum Fall Kneißl (1875-1901) hat Stückl unter Verwendung von Texten von Martin Sperr eine eigene Bühnenfassung erstellt. Mit Hauptaugenmerk auf die wiederholten, aber aussichtslosen Versuche Mathias Kneißls zu einem anständigen Leben. Und auf den Konflikt mit Großbauer Schätzler, der hier zum gefährlichsten Gegenspieler Kneißls wird. Für Stimmung und Milieu hat Stückl eine Schar wilder Burschen auf der Bühne versammelt. Als schlag-, schieß- und trinkfreudige Dörfler und Knechte fetzen, turnen und toben seine Schauspieler über die Szene und lassen sich, wenn's sein muss, dennoch Zeit für Momente der Ruhe, der Besinnung, des Dialogs. Oder der Musik. Dafür sorgen - wie schon bei der "Geierwally" - die Jungen Riederinger Musikanten, die auch Mitakteure sind. Authentisch und unwiderstehlich in ihrem schonungslosen Draufgängertum. Hasardeure der Szene, ob mit oder ohne Trompete, Basstuba und Horn. Dass die Geschichte, die in ihrer anfänglichen Langatmigkeit doch die straffende Hand eines Dramatikers vermissen lässt, dennoch über zwei Stunden interessiert und unterhält, liegt zum einen an Stückls bemerkenswerter Fähigkeit zu großen theatralischen und poetischen Bildern sowie an seiner unangestrengten, anfeuernden künstlerischen Kraft, die Profis und Laien zu einer Einheit formt. Zum anderen an dem hochbegabten jungen Schauspieler Maximilian Brückner, der mit Leidenschaft und Sensibilität die Kneißl-Figur in all ihren Widersprüchen überzeugend darstellt. Ein Junge zwischen Redlichkeit und Anarchie. Gewaltbereit und manchmal zärtlich. Opfer und Täter. Als zweites schauspielerisches Schwergewicht in dieser Aufführung erweist sich Alexander Duda als so schlauer wie Macht ausübender Großbauer Schätzler. Aber hier geben - in höchstem Maße engagiert - alle ihr Bestes. Auch Marlene Poley, die eine raffinierte Bretter-, Wände- und Brückenkonstruktion in Schwarz auf die Bühne gestellt hat, von schöner und wandelbarer Zweckmäßigkeit. Fragwürdig in dieser Inszenierung bleiben dennoch zwei Dinge. Erstens: Stückl verlegt die Geschichte vom Ende des 19. ans Ende des 20. Jahrhunderts. Die unvorstellbare Armut und Ausbeutung, die Menschen wie Kneißl ins Verbrechen trieben, stimmt 100 Jahre später so nicht mehr. Und zweitens: Aus diesem Zeitsprung ergibt sich, dass der Bühnenmord an den Dorfgendarmen insofern für Unbehagen sorgt, weil sie nun in die Polizeiuniform von heute gesteckt wurden. Wermutstropfen in einem von der Atmosphäre her insgesamt gelungenen Abend. Am Ende Heiterkeit und lachende Gesichter. Nur Puristen und Geschmäckler rümpfen hier die Nase. Sabine Dultz, Münchner Merkur 5. Dezember 2003
Nach
der
Haftentlassung versucht Mathias die ehrliche Arbeit als Schreiner zu
behalten und mit Mathilde glücklich zu werden,
am liebsten in Amerika
Es ist ein Elend mit der Armut Christian Stückl inszeniert "Der Räuber Kneißl" im Münchner Volkstheater Es wird ja keiner kriminell geboren. Es ist die Gesellschaft, die Verbrecher macht. Diese zugegeben etwas schlichte Botschaft der 68-er Generation steckt hinter Martin Sperrs 1971 entstandenem Fernseh-Drehbuch über den "Räuber Mathias Kneißl". Aber von Martin Sperr dürfen wir hier nur ganz, ganz leise schreiben. Nach dem Eklat um dessen "Jagdszenen aus Niederbayern" hat sich Volkstheater-Chef Christian Stückl diesmal abgesichert und spielt seine neue Inszenierung ganz ohne Autor, als Bühnenfassung von Christian Stückl unter Verwendung von Texten von Martin Sperr. Die Blockade der Sperr-Erben wird damit noch um ein Stück bizarrer: Juristisch betonierte Totenruhe kann ja doch nun nicht im Interesse des Dichters sein. Ob es die Inszenierung ist, steht auf einem andern Blatt (aber das ist immer und bei jedem Autor so, der nicht mehr mitreden kann). Stückl malt in der ersten Hälfte breit und zäh das Elend im Underdog-Milieu aus, in dem Kneißl aufwächst. Sieht alles ziemlich hasenbergelich-heutig aus in der Ausstattung von Marlene Poley - und die Frage drängt sich auf, wo der Kneißl seine Bauernschläue hergenommen hat in diesem Irrenhaus zwischen der dauernd keifenden Mutter-Domina (Ursula Burkhart), dem längst um jeden Rest Verstand gesoffenen Vater (Hans Schuler), dem schachterlteufelig-debilen Bruder (Florian Brückner), dem assigen Untermieter Schreck (Michael Lippold) der allein durch sein Hochdeutsch schon zur Bosheit prädestiniert scheint und dem jovial-fiesen Großbauern Schätzler (Alexander Duda). In der zweiten Hälfte wird dann die - sehr frei mit der historischen Wirklichkeit hantierende - eigentliche Räuber-Karriere des Mathias Kneißl abgehandelt: zu knapp für wirkliche (Er)Klärungen, zu ausführlich selbstverliebt in breit ausgepinselte Details. Da müßte ganz dringend noch die Schere ran, da fehlt ganz eindeutig die formale Stringenz. Die versucht Stückl mit seiner theatralen Leibgarde, den "Jungen Riederinger Musikanten", die als Jungbauern und Knechte auch ganz prima Figur machen - bloß eben mit ihrer Blasmusik mehr eingepappt als wirklich eingearbeitet sind. Der Versuch ist deutlich erkennbar: zwischen ironisch distanzierter Räuberballaden-Romantik und real existierender Elends-Geschichte einen Weg zu finden. In diesem Zwiespalt hat sich Stückl verfranzt. Katja Müller als Kneißls Geliebte Mathilde ist eine überzeugend heutige junge Frau (mit, wie im ganzen Stück, zu wenig geformter Sprache). Das Erlebnis des Abends ist Maximilian Brückner in der Titelrolle: erst ein sensibler Junge in der falschen Umgebung, dann ein mit Charme und Witz hinreißend jonglierender Verlierer der herrschenden Verhältnisse. Der lohnt den Abend. P.S.: Es wird heftig bairisch gesprochen, und nicht immer sehr deutlich artikuliert. Wer nicht von hier ist oder keinen Leistungskurs "Bairisch als Fremdsprache" absolviert hat, wird nicht viel verstehen ... Rolf May, Tages-Zeitung, 6./7. Dezember 2003
Ein räudiges Landleben Jagdszenen im Volkstheater: Christian Stückls "Räuber Kneißl" Manchmal geht es auf der Bühne des Volkstheaters zu wie beim Karl-May-Spiel: Die Büchsen krachen, bis so manche Rothaut bleich würde. Aber der Wilde Westen ist nur des Räubers Kneißl Sehnsuchtsziel - im Land, wo die "Indianerweiber" und unermeßlicher Reichtum locken, wird er nie ankommen. Er kam nur bis Augsburg, wo der bayerische Obrigkeitsstaat mit dem Ende 1901 vollstreckten Todesurteil an dem noch zu Lebzeiten zum Volkshelden mythisierten Räuberhauptmann ein Exempel statuieren wollte. Christian Stückl, Autor und Regisseur von "Räuber Kneißl" an seinem Volkstheater, nimmt sich viel Muße, die Zeit ausgangs des 19. Jahrhunderts als sozialen Brennpunkt zu entlarven. Aber die dramaturgisch wenig wirksame Anhäufung bäuerlichen Elends rund um den mit karger Kost gedeckten Küchentisch macht die erste Stunde trotz der gelungenen Actioneinlagen etwas zäh. Erst, wenn kurz vor der Pause der Tisch brennt und es unter dem Bretterboden glüht wie in Jörg Immendorfs "Café-Deutschland"-Bildern (Ausstattung: Marlene Poley), weitet sich der Misthaufen-Naturalismus. Der zweite Teil erscheint wie ein anderes Stück: Gleich die erste Wirtshaus-Szene entwickelt, nicht zuletzt durch den rustikalen Sound der Jungen Riederinger Musikanten, ungeheuren Schwung. Stückls Inszenierung ist von einer stets gewaltbereiten Körperlichkeit beherrscht. Maximilian Brückner in der Titelrolle zeigt eine Persönlichkeit mit brennender Lunte, die sich - mal Nervenbündel, mal Nervensäge - an der Unterscheidung zwischen Recht und Gerechtigkeit aufreibt. Beim Bemühen, nicht in die Romantik-Falle zu tappen, blieb allerdings auch die Emotionalität des Stoffes auf der Strecke. So kann die Liebe Kneißls zu Mathilde (Katja Müller) in einer Eifersuchtsszene nur behauptet werden. Um so liebevoller sind die schrägen Vögel gezeichnet: Michael Hippold als weiser Alt-Hippie Josef Schreck, Peter Mitterrutzner als Merklbauer von vitaler Greisenhaftigkeit und vor allem Monika Manz als dralle Merklbäuerin mit pragmatisch verhandelbarer Libido. Mathias Hejny, Abendzeitung, 6./7. Dezember 2003 Kneißl allerorten, jetzt auch im Volkstheater Regisseur Stückl recherchierte in Maisach und im Schöngeisinger Bauernhofmuseum Jexhof Fürstenfeldbruck - Im Landkreis haben sie ihm bereits im vergangenen Jahr die Ehre erwiesen: dem Räuber Kneißl, der seinen legendären Ruhm vor allem dem Tatbestand verdankt, daß er die Polizei im Brucker und Dachauer Hinterland monatelang an der Nase herumgeführt hat. Die Staatsgewalt blamiert! - das taugte den so genannten kleinen Leuten. Die Ausstellung, die dem Kneißl im Jexhof gewidmet war, ist nun schon wieder seit über einem Jahr abmontiert, da bricht - deutlich verspätet - in München das Kneißl-Fieber aus: Am Volkstheater ist der Volksheld auf der Bühne gelandet. In Anlehnung an ein Drehbuch des Dramatikers Martin Sperr für Reinhard Hauffs kritischen Heimatfilm "Mathias Kneißl" (1970) hat Volkstheater-Intendant Christian Stückl seine eigene Spielfassung gebastelt. Simpler Titel: "Der Räuber Kneißl". Mit Räuberromantik hat Stückl nichts am Hut. Wie schon Sperr zeigt er den Kneißl als Gauner wider willen; als einen, den erst Armut und Ausgrenzung auf die schiefe Bahn geraten lassen. Manchmal rutscht Stückl dabei ab in den Sozialkitsch. Streckenweise gelingt dem Regisseur aber auch saftiges Bauerntheater. Die Darsteller dazu hat er, allen voran Max Brückner in der Titelrolle, einen strubbelig-blonden Charakterschädel und hoch talentierten Nachwuchsschauspieler, dem man die Entwicklung vom Outcast zum Outlaw jederzeit abnimmt. Für sein Kneißl-Stück am Volkstheater hat Stückl übrigens Feldforschung betrieben: gemeinsam mit seinem Dramaturgen fuhr er nach Maisach, um sich bei den Brauern des dunklen Räuber-Biers Kneißl-Histörchen kredenzen zu lassen. Auch ein Besuch am Jexhof stand am Programm. Für die Ausstellung war's dort schon zu spät, aber immerhin: der aufschlußreiche Katalog dazu war noch zu haben. Historisch akribisch ist die Kneißl-Hommage des Münchner Volkstheaters dennoch nicht geworden. Was nicht weiter tragisch ist: Geschichte und Geschichten waren beim Räuber Kneißl nie leicht auseinander zu halten. Andernfalls wäre er ja auch kein bayerischer Mythos geworden. Für alle Kneißl-Treuen ist das neue Stück am Münchner Volkstheater ein Muß. Christoph Leibold, Süddeutsche Zeitung, 12. Dezember 2003 Ein
Erholungsbad
zur Entspannung auf der
anstrengenden Flucht vor der
Obrigkeit: Mathias Kneißl (Maximilian Brückner) und
die
Merklbäuerin (Monika Manz)
Ein Volksheld und sein Ende auf dem Schafott Stückl inszeniert 'Räuber Kneißl' München - Dass auch die Geschichte Bayerns ihre Figuren, ihre Helden, ihre verkörperten Mythen hat, mag beim "elitären" Theaterpublikum meist mit einem Anflug von Arroganz vom Tisch gewischt werden. Ganghofer, Thoma - ungeeignet für niveauvolle Schauspielkunst? Einer, der da anders denkt, ist Christian Stückl. Nach der "Geierwally" im vergangenen Jahr (mit großem Publikumszuspruch) hat der Oberammergauer nun an "seinem" Münchner Volkstheater die Geschichte des legendären Räubers Mathias Kneißl erarbeitet, nach einer Vorlage von Martin Sperr. Stückl will eine "Kontinuität mit bayerischen Stoffen schaffen", auch deswegen, weil die Kammerspiele und das Staatsschauspiel diesen Sektor nicht anbieten. Volkstheater ist Volkstheater. Mit dabei beim "Räuber Kneißl" (nächste Aufführungstermine 23. und 25. Dezember, 19.30 Uhr) sind auch wieder aus Oberammergau Ursula Burkhart (spielt die Mutter Kneißls) sowie Hubert Schmid, der einen Schreiner darstellt. Nicht zu vergessen die Jungen Riederinger Musikanten, die schon der "Geierwally" ihren Stempel aufdrückten. Im "Kneißl" erzählt Christian Stückl das kurze und bewegte Leben des "Schachermühl-Hiasl", der mit 18 Jahren zu Unrecht zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren verurteilt wird. Nach seiner Entlassung findet er als ehemaliger Häftling keine dauerhafte Arbeit. Er wird kriminell und bereits nach kurzer Zeit zum meistgesuchten Mann Bayerns. Seine spektakuläre Flucht vor der Polizei hält das ganze Land in Atem und macht ihn schon zu Lebzeiten zum Volkshelden. Mit 26 Jahren schließlich findet Kneißl auf dem Schafott sein Ende, als Symbolfigur des Kampfes der kleinen Leute gegen die Obrigkeit. Es ist die Geschichte eines jungen Mannes, der versucht, sich von den Zwängen seines Umfeldes zu befreien. Diese Befreiung mündet in Kriminalität. 1902 lehnt Prinzregent Luitpold ein Gnadengesuch ab: Mathias Kneißl wird zur Guillotine geführt. Ludwig Hutter, Münchner Merkur, 15. Dezember 2003
Die letzte
Vorstellung war
vermutlich am Freitag, den 18. Mai 2007.
Trivia: - Die Öffnung im Bühnenboden des Volkstheaters, die als Odelgrube ausgesägt worden war, ist bei der Renovierung im Sommer 2009 beseitigt worden. - In der Inszenierung "Zuag'richt ... herg'richt ... hig'richt" von Georg Meier der Münchner Iberl Bühne von 1988 spielte Hans Schuler den Kneißl Hias, der hier bei einem Bader Hilfe sucht, und mit dessen Hilfe noch einmal der Obrigkeit entkommen kann, wobei die Zenz, das Mündel des Baders, eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Interessanterweise schaut in dieser Version auch der Boandlkramer vorbei. - In der Verfilmung von Marcus H. Rosenmüller, "Räuber Kneissl", die im August 2008 in die Kinos kam, spielte Maxi wieder den Mathias Kneissl, und Florian wieder seinen Bruder Alois, Hans Schuler darin den Schneider-Bauern und Peter Mitterrutzner den Fahrer des Odelwagens. Ausserdem waren noch Isabella Brückner als Cilly Kneissl und Franz-Xaver Brückner als Sauerkraut-Essender mit dabei. Und hätte Maxi keine Zeit gehabt oder nicht gewollt, wäre der Film nach Aussage vom Rosi vermutlich nicht entstanden. ~~~~~
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