Geständige
Ermittler Josef Wilfling und Schauspieler Maximilian Brückner über Berufswünsche, Schusswechsel und Gefängnis-Aufenthalte - von Hüseyin Ince und Tina Nachtmann AZ-Interview mit Josef Wilfling (62) und Maximilian Brückner (30). Der eine war 42 Jahre lang bei der Polizei, zuletzt als Chef der Münchner Mordkommission, der andere spielt seit 2006 den Ermittler Franz Kappl im "Tatort". AZ: Herr Brückner, hatten Sie jemals Ärger mit der Polizei? MAXIMILIAN BRÜCKNER: Ich wurde mal geblitzt. JOSEF WILFLING: Das müssen Sie mich fragen. Ich hatte großen Ärger. AZ: Was war denn? JW: Ich war im Gefängnis. MB: Im Gefängnis? Was haben Sie denn angestellt? JW: Als 16-jähriger habe ich einen ganzen Wochenendarrest gekriegt. Ich bin bundesweit wahrscheinlich der einzige Kriminal-Oberrat, der schon mal im Knast war. MB: Das ist ja super. Das sind immer diese Klischees. Künstler nehmen viele Drogen und führen ein furchtbar schlimmes Leben. Aber ich war ganz brav. Und der Kommissar nicht. JW: Es gab eine Rauferei im Zeltlager. Dann kam die Polizei. Ich sollte 50 Mark zahlen, aber ich bin lieber ins Gefängnis marschiert. Ich war schon ein wilder Hund. Aber dieses Erlebnis hat mich auf die richtige Bahn gebracht. Einfach das Rausschauen durch die Gitterstäbe bei Wasser und Brot. Darum sage ich heute: Der rechtzeitige Schuss vor den Bug ist wichtig. AZ: Wollten Sie damals auch schon Polizist werden? JW: Nein, Journalist. Das habe ich mir spannend vorgestellt. Ist auch nicht weit weg von meinem Beruf: Als Journalist recherchiert man, wir ermitteln. Aber meine Mutter wollte, dass ich Beamter werde. Das sei was Sicheres und Anständiges, sagte sie. MB: Ich wollte als Kind Agent werden. Ich habe gern James Bond angeschaut und spielte mit einem blauen Agentenköfferchen. Später wollte ich unbedingt Medizin studieren. AZ: Haben Sie sich für das Medizin-Studium beworben? MB: Ja, aber dann hat mir meine Mutter mal beim Dorftheater zugeschaut. Sie fand das sehr gut, wie viele andere. Und dann hat sie mir 50 Mark gegeben und gesagt, ich soll mich auf der Otto-Falckenberg-Schauspielschule hier in München bewerben. Ich habe gesagt: "Mama, Schauspieler ist doch kein richtiger Beruf." Aber ich bin hingegangen und habe vorgesprochen, ein bayerisches Hirtenstück. Das hat wohl kein Mensch verstanden, glaube ich. JW: Da haben die zum Glück gleich Ihr Talent entdeckt. MB: Ich weiß nicht. Sie dachten wahrscheinlich, das ist so etwas Skurriles, dass wir ihn nehmen müssen. JW: Aber Sie sind auch ein Naturtalent. Als so junger Kerl eine Rolle wie den Boandlkramer im "Brandner Kaspar“ zu spielen, das verdient Anerkennung. Schließlich hat das Stück in Bayern Tradition und die Figur des Boandlkramers bringt jeder mit dem Münchner Volksschauspieler Toni Berger in Verbindung. AZ: Wie oft schauen Sie "Tatort"? JW: Hin und wieder. MB: Ich sehe generell kaum fern, aber den Münchner Tatort finde ich gut. AZ: Herr Brückner, wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet? MB: Ich ließ es auf mich zukommen. Und, in der Serie spielen echte Polizisten von der Spurensicherung mit. Die kann ich immer um Rat fragen. Ich habe sogar bei einem Schusstraining der saarländischen Polizei mitgemacht. Schließlich hatte ich davor noch nie eine Waffe in der Hand. Mussten Sie Ihre Waffe schon mal gebrauchen? JW: Früher als Zivilfahnder öfter. Als Mordkommissar am Tatort brauchte ich normalerweise keine Waffe mehr. AZ: Hat denn schon mal jemand auf Sie geschossen? JW: Einmal. Ich habe nur überlebt, weil ich kurz davor über etwas gestolpert bin und die Kugel über meinen Kopf hinweg geflogen ist. MB: Da hatten Sie einen Schutzengel! AZ: Wie realistisch ist denn der "Tatort“, Herr Wilfling? JW: Kein Regisseur kann die Fälle erfinden, die das Leben schreibt. AZ: Ein Beispiel? JW: Jemand hat Streit mit seinem Chef, es kommt zum Prozess. Am Tag des Gerichtstermins lauert er ihm in der Tiefgarage auf, erschlägt ihn mit dem Wagenheber, lädt die Leiche in den Kofferraum und fährt schnurstracks zum Gericht. Dort wundern sich alle, wo der Chef bleibt. MB: Das ist ja Wahnsinn. JW: Es geht noch weiter. Er fährt mit dem Toten im Kofferraum durch halb Deutschland, sucht einen Friedhof, verbuddelt den Chef in einem frisch ausgehobenen Grab, verbrennt dessen Klamotten. Am nächsten Tag kommt der Sarg mit dem Toten, für den das Grab gedacht war, darauf, und die Leiche ist verschwunden. Ich kenne einige solcher Fälle. MB: Haben Sie schon mal das Angebot bekommen, diese Geschichten aufzuschreiben? JW: Ich werde schon umworben. Ich soll meine Memoiren als Leiter der Mordkommission zu Papier bringen. ** MB: Wenn ich Drehbuchautor wäre, würde ich mir ein paar von Ihren Geschichten erzählen lassen. AZ: Lassen sich Tatort-Kommissare von Ihnen beraten? JW: Die vom Münchner Tatort gehen hier in der Mordkommission ein und aus. Ottfried Fischer, der "Bulle von Tölz", war auch schon da. AZ: Mit welchem TV-Kommissar können Sie sich denn identifizieren, Herr Wilfling? JW: Mit Columbo. Der ist toll. MB: Columbos Taktik ist doch so zu tun, als wäre er ein wenig blöd. Das hat auch viel mit Schauspielerei zu tun. JW: Das ist die amerikanische Reid-Methode. Dabei nimmt man sich selber als Befrager zurück und lässt den anderen seine Meinung sagen. So analysiert man dessen Charakter. Ich finde das raffiniert. MB: Verhöre zu führen ist doch eine Gabe, oder? JW: Man muss viel Einfühlungsvermögen haben. Talent gehört sicher auch dazu. Und das Tempo muss man bestimmen können. Ein bisschen lauter, dann wieder leiser. MB: Vielleicht wären Sie ein guter Schauspieler geworden. Standen Sie schon mal auf der Bühne, Herr Wilfling? JW: Ich habe einmal als Schüler den Peter Squenz in Shakespeares "Sommernachtstraum" gespielt. Meine Mutter war ganz stolz auf mich. Und der Lehrer hat gesagt: "In der Schule taugt er nichts, aber er wird mal ein guter Schauspieler". Vielleicht wäre ich das geworden, aber meine Mutter kannte den Polizeichef von Münchberg, wo wir gewohnt haben .... MB: Der Mutter kann man natürlich nicht entkommen. AZ: Lesen Sie eigentlich Krimis? MB: Ab und zu. Frank Schätzing hat ein paar spannende geschrieben. JW: Die Krimis mit Kommissar Wallander lese ich gerne. Ein guter Krimi hat schon was. AZ: Warum sind TV-Krimis wie der Tatort so beliebt? JW: Weil die Menschen halt gerne vor dem sicheren Fernseher sitzen und in eine Tüte Chips greifen. Was im Fernsehen passiert, ist schön weit weg, spannend und faszinierend. Wie böse die Menschen da drinnen doch sind! Aber wehe, es passiert etwas im eigenen Haus. Dann kommt die Angst. Dann kommt die Panik. AZ: Wie ist es, wenn man ständig mit dem Tod konfrontiert ist? JW: Entweder man kann das wegstecken, oder man muss ehrlich sagen: Ich pack' das nicht. Das stellt man schon nach ein paar Monaten fest. Das Belastende ist nicht die Leiche, sondern der Umgang mit den Hinterbliebenen. Die bleiben dir. Um manche kümmere ich mich seit 20 Jahren. AZ: Und wie ist das bei Ihnen, Herr Brückner? MB: Ich bin ja selbst der Tod im "Brandner Kaspar" im Münchner Volkstheater. Aber ich distanziere mich grundsätzlich von dem, was ich spiele. Ich spiel' einfach gerne. Auch einen Massenmörder. AZ: Was haben Sie im Ruhestand alles vor? JW: Meine Frau hat schon Pläne. Urlaub, Radfahren, was man als Rentner so macht. AZ: Herr Brückner, wie wird Ihr Ruhestand aussehen? MB: Keine Ahnung. Ich liebe die Schauspielerei. Aber ich glaube, es ist besser, wenn ich mir bis zu meinem Ruhestand noch einen zweiten Beruf suche. Dann bin ich nicht so abhängig. JW: Einen anderen Beruf werden Sie nicht brauchen, Herr Brückner. Da bin ich mir ganz sicher. Abendzeitung (Druckausgabe), 27. Januar 2009 ; Photo: Corinna Vermeersch - - - **Das Buch von Josef Wilfling "Abgründe: Wenn aus Menschen Mörder werden" erscheint im März 2010 im Heyne Verlag.
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