Was weg is, is weg
  -  Kinostart: 22. März 2012 ; Österreich: 30. März 2012 ; DVD/Blu-ray Start: 19. Oktober 2012


Offizielle Webseite ; Offizielle Facebook-Seite

Von: Christian Lerch
Mit: Florian Brückner - Lukas Baumgarten ; Mathias Kellner - Paul Baumgarten ; Maximilian Brückner - Hansi Baumgarten ; Johanna Bittenbinder - Mutter Baugarten ; Heinz-Josef Braun - Vater Baumgarten ; Jürgen Tonkel - Franz Much ; Nina Proll - Gini Much ; Marie Leuenberger - Luisa ; Siegfried Terpoorten - Pater Ben ; Johann Schuler - Onkel Sepp

Maxi bei "Volle Kanne" (ZDF) am 21. März 2012
Leider war es nur eine Stippvisite. Denn Maximilian Brückner hatte den Flieger verpasst und traf mit Verspätung im Studio ein. Für ein Gespräch über seinen neuen Film reichte die Zeit aber zum Glück.
Maxi in der "Abendschau" und "Die 2. Chance" (BR) am 22. März 2012
Tom Meiler spricht mit Maxi über seine bisherigen Filme, sein Regiedebüt mit 'Magdalena' und über seinen neuen Film.

- Premiere: 19. März 2012, Gloria Kinopalast München -



v.l. Franz Xaver, Florian und Maximilian Brückner beim Eintreffen im Gloria. Foto: Stephan Rumpf/SZ


v.l.: Anatol Nitschke (Produzent), Prof. Dr. Klaus Schaefer (FFF Bayern), Christian Lerch (Regie & Drehbuch) und Maximilian Brückner, Mathias Kellner & Florian Brückner. Foto: FFF Bayern

Prof. Dr. Klaus Schaefer (FFF Bayern), Christian Lerch (Regie & Drehbuch) und Maximilian Brückner, Mathias Kellner, Florian Brückner, Jürgen Tonkel und Nina Proll. Foto: BR/Max Hofstetter

v.l. Prof. Dr. Klaus Schaefer (FFF Bayern), Heinz Josef Braun, Johanna Bittenbinder, Hans Schuler und Nina Proll.
Foto: BR/Max Hofstetter

Jürgen Tonkel und Nina Proll. Foto: BR/Max Hofstetter

Franz Xaver, Maximilian und Florian Brückner. Foto: Breuel-Bild/Picture Alliance


v.l. Matthias Kellner, Maximilian Brückner und Florian Brückner. Foto: BR/Max Hofstetter

Christian Lerch und Maximilian Brückner. Foto: BR/Max Hofstetter

Johanna Bittenbinder und Heinz Josef Braun mit den jugendlichen Filmsöhnen Philipp Franck, Johannes Untereichmeier und Peter Dehnert. Foto: BR/Max Hofstetter


Marie Leuenberger. Foto: Petra Schönberger


Vorstellung der an "Was weg is is weg" Beteiligten nach der Premierenvorführung.
Foto: Senator

v.l. Anatol Nitschke, Heinz Josef Braun, Marie Leuenberger, Johanna Bittenbinder, Christian Lerch, Nina Proll, Jürgen Tonkel, Matthias Kellner, Maximilian Brückner, Florian Brückner und Lucca. Foto: Senator

Lucca. Foto: Petra Schönberger
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- Auswahl von Filmkritiken -

Drei Brüder, ein Unterarm
Der erfolgreiche neuere deutsche Heimatfilm spricht Bayerisch - und wird auch jenseits des Weißwurst-Äquators gern gesehen (trotz einiger Verständigungsprobleme). Den Grundstein für den Siegeszug skurril unterhaltender Eigenbrötler-Geschichten legte sicherlich Marcus H. Rosenmüller mit seiner augenzwinkernden Lausbuben-Komödie 'Wer früher stirbt ist länger tot' (2006). Und die Landlust steigt und steigt: Der Hinterwäldler-Sexhotline-Schwank 'Eine ganz heiße Nummer' (2011, Regie: Markus Goller) lockte über 1,2 Millionen Besucher in die Kinos.
Nicht weiter überraschend also, dass Christian Lerch, der mit Rosenmüller einst das Drehbuch für dessen legendäres Kinodebüt schrieb, bei seinem prominent besetzten Regie-Debüt 'Was weg is, is weg' auf ein aufgeschlossenes Publikum vertrauen darf. Seine teilweise recht schwarzhumoriger Bauernhof-Possen entfalten liebenswerten Charme, wenn auch das Abseitig-Makabere überzubrodeln droht.
Es ist eine latent verstörende Zeitreise zurück in ein nicht näher lokalisiertes Niederbayern, in dem eine Satelliten-Schüssel noch den Anschluss an die große weite Welt versprach.
Und dabei hätte die Moderne auf dem Einöd-Hof fast allzu rasant Einzug gehalten: Onkel Sepp (Johann Schuler) brütete bereits in den späten 60er-Jahren an einer reichlich 'alternativen' Lösung aller Energiesorgen. Als er seine Wundermaschine endlich in Gang setzen will, trifft ihn ein Stromschlag - und er stürzt von der Leiter. Seitdem liegt Sepp im Koma und wird liebevoll von seiner aufopferungswilligen Schwester Erika (wie so oft großartig: Johanna Bittenbinder) gepflegt. Und seine drei Neffen quält ein lebenslanges Trauma.
18 Jahre nach dem tragischen Unfall kommen die drei Bauernbrüder im April 1986, dem Monat des Tschernobyl-GAUs, durch merkwürdige Zufälle wieder zusammen: Öko-Aktivist Lukas (Florian Brückner) will eigentlich gerade das Land verlassen, um am anderen Ende der Welt Wale zu retten. Sein schnöseliger Bruder Hansi (genial gegen den Strich besetzt: Ex-'Tatort'-Ermittler Maximilian Brückner) ist kaum von seinem Schuhschachtel-großen Handy zu trennen und dreht als windiger Versicherungsmakler krumme Dinge.
Und auch der adipöse, verschlossene Paul (Mathias Kellner) wird in eine haarsträubende Handlung hineingezogen: Alle vereint eine mehr oder weniger geradlinig verlaufende Rettungsaktion, bei der es darum geht, einen durch ein dummes Missgeschick Schwerverletzten (Jürgen Tonkel) und seinen in der Metzgerei-Kreissäge abgetrennten Unterarm wieder zusammenzubringen. So weit, so drastisch, so eigenartig unterhaltsam: Regisseur und Drehbuchautor Lerch gelingt es, über weite Strecken die Fäden parallel geführter Erzählstränge stringent zusammenzuführen.
Zugutehalten muss man ihm eine souveräne Schauspielerführung, die vor allem die von Johanna Bittenbinder und Heinz-Josef Braun gespielten verschrobenen Eheleute glänzen lässt. Leider zünden nicht alle Pointen, und wie bei vielen Debüts wurde zu viel gleichzeitig gewagt: Die temperamentvolle Fabulierlust, die oft allzu wild wuchern darf, stand etwas konzentrierter Komik gelegentlich im Weg.
Rupert Sommer, m&c, 13. März 2012
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Heimatfilm skurril: "Was weg is, is weg"
Der Co-Autor des Erfolgsfilms "Wer früher stirbt, ist länger tot" legt sein Debüt als Regisseur vor: "Was weg is, is weg" ist ein skurriles Vergnügen an der Grenze des guten Geschmacks.
Es sind die 80er Jahre irgendwo in der bayerischen Provinz und alle sind irgendwohin unterwegs. Ein "Feldweg-Roadmovie" nennen die Macher von "Was weg is, is weg" folgerichtig ihre skurrile Komödie über drei ungleiche Brüder. Christian Lerch, Co-Autor des Erfolgsfilms «Wer früher stirbt, ist länger tot», legt damit sein Regiedebüt vor - und baut das Genre des neuen deutschen Heimatfilms mit einer absurd skurrilen, urkomischen Variante weiter aus.
Alles dreht sich um die Bauernsöhne Lukas (Florian Brückner), Hansi (Maximilian Brückner) und Paul (Mathias Kellner). Sie wollen weg: Lukas hat seinen Rucksack gepackt, um als Greenpeace-Aktivist die Welt zu retten. Hansi will lieber seine neues Mobiltelefon (damals noch ein fast koffergroßes Monstrum) im roten Sportwagen spazieren fahren, als Versicherungen zu verkaufen. Und Paul möchte nach Hause auf den elterlichen Bauernhof, wo die beiden Alten den nach einem rätselhaften Unfall ins Koma gefallenen Onkel pflegen.
Jetzt sind die zerstrittenen Brüder aber plötzlich mit den Folgen eines anderen Unfalls konfrontiert. Zu dem verhängnisvollen Vorfall mit der Fleischsäge kommt es, als Hansi dem bankrotten Metzger Much vorschlägt, für einen Versicherungsbetrug seinen Arm zu opfern, frei nach dem Motto "Was weg is, is weg". Schließlich ist der Arm tatsächlich ab, Much damit aber höchst unzufrieden - doch Pauls Hund mit dem Arm im Maul schon weg.
Es beginnt eine irre Verfolgungsjagd an der Grenze des guten Geschmacks. Natürlich ist es völlig unglaubwürdig, dass Metzger Much lieber seinem Arm nachjagt, statt sich im Krankenhaus behandeln zu lassen. Die Handlungsstränge fransen an ihren Enden ziemlich aus: Bayern-Vorurteile und 80er-Klischees wie Vokuhila und Kruzifix, Umweltschutz und Tschernobyl werden da munter verquirlt.
Doch "Was weg is, is weg" punktet mit unverbrauchten, urigen Charakteren - allen voran den wunderbaren Brückner-Brüdern. Aber auch Jürgen Tonkel als Metzger, Nina Proll als seine Ehefrau und vor allem die kauzigen Bauersleute, gespielt von Johanna Bittenbinder und Heinz-Josef Braun machen den in bayerischer Mundart gedrehten Film zum schwarzhumorigen Erlebnis, Showdown auf dem Einödhof inklusive.
Elke Vogel, volksfreund.de, 19. März 2012
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Bayerische Typenkomödie mit schwarzem Humor
Christian Lerch startet seine bayerische Typenkomödie "Was weg is, is weg" mit schwarzem Humor. Der Film widmet sich drei höchst unterschiedlichen Brüdern.
Einige der Qualitäten, die Marcus H. Rosenmüllers Kassenhit "Wer früher stirbt, ist länger tot" auszeichneten, sind auch in Christian Lerchs "Was weg is, is weg" zu finden. Herzhaft rustikales Ambiente, liebevolle Figurenzeichnung und originelle Handlungswendungen prägen auch diese neue bayerische Typenkomödie. Kein Wunder, denn der Regiedebütant Christian Lerch hatte als Drehbuchautor von „Rosis“ Erstlingswerk nicht unwesentlich zu dessen Erfolg beigetragen.
"Was weg is, is weg" widmet sich drei höchst unterschiedlichen Brüdern und deren schwierigen Beziehungen untereinander und zu den Eltern. Am Anfang steht ein traumatisches Erlebnis, das für Hansi, Lukas und Paul eine Zäsur ihrer idyllischen Kindheit auf einem bayrischen Hof bedeutet: Ein Stromschlag befördert den Lieblingsonkel Sepp, den bewunderten Techniktüftler, vor den Augen der drei Buben ins Koma.
Knapp zwanzig Jahre später, anno 1986, ist aus Hansi (Maximilian Brückner) ein windiger Versicherungsvertreter mit BMW und Vokuhila-Matte geworden, während der ökologisch bewegte Lukas (Florian Brückner) sein Heil in der Flucht auf ein Greenpeace-Schiff zu suchen gedenkt. Ganz aus den Niederungen des Alltags ausgeklinkt hat sich der schwergewichtige Paul (Mathias Kellner), der im Geiste ein großes Kind geblieben ist und in seiner eigenen Traumwelt lebt.
Bis es der aufopferungsvollen Mutter (Johanna Bittenbinder) vergönnt ist, nach vielen Turbulenzen, Hetzjagden und Verkehrs- wie zwischenmenschlichen Unfällen - eine Hauptrolle spielt der abgesägte Arm des geld- und glücklosen Metzgers Much (mit stoischer Leidensmiene: Jürgen Tonkel) - eine Familienzusammenführung zu erleben, bietet der Film weitgehend kurzweilige Unterhaltung. In diesem Kontext sehr effektvoll: das entfesselte, vitale Spiel der Brückner-Brüder, die anrührende Interpretation Johanna Bittenbinders und Heinz-Josef Brauns stimmiges Porträt des brummig-grantelnden Hofpatriarchen.
Die spezifische Dynamik eines Rosenmüller-Films hat "Was weg is, is weg" zwar nicht, aber Christian Lerch bemüht sich, trotz manchmal ein wenig grobschlächtiger Komik erfolgreich um eine in die Tiefe gehende Charakterisierung seiner Figuren. In den schwächeren Szenen dieser schwarz-humorigen bayrischen Dorfkomödie treten die Gags an die Stelle der Handlung, während sie in den (reichlich vorhandenen) stärkeren Sequenzen aus der Handlung und den Charakteren heraus sinn- und liebevoll entwickelt werden. ***
Thomas Niedermair, Augsburger Allgemeine, 20. März 2012
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Zum Lachen komisch: Die skurrile bayerische Komödie "Was weg is, is weg"
Lieber arm dran, als Arm ab. An diese Weisheit hätte sich der Metzger Much wohl halten sollen. Aber dann würde "Was weg is, is weg", die neue rabenschwarze bayerische Komödie nicht so in Fahrt kommen. Das Erstlingswerk von Regisseur Christian Lerch, der für "Wer früher stirbt, ist länger tot" das Drehbuch schrieb, feierte am Mittwochabend mit über 200 begeisterten Zuschauern Vorpremiere im Citydom. Mit abgetrenntem Kunststoffarm präsentierten zwei der Hauptdarsteller, Schauspieler Maximilian Brückner, und Liedermacher Mathias Kellner, der ein Heimspiel feierte, den liebenswerten Film über Heimat, Familie und das Lebensgefühl in den 80er Jahren.
Warum man sich "Was weg is, is weg" anschauen sollte? "Weil der Film natürlich total toll ist", erklärt Kellner, der in der Nähe von Straubing aufgewachsen ist, und führt die Sache näher aus: "Er wird vor allem in Bayern gut ankommen. Der Film spielt mit vielen Themen, zum Beispiel der Heimat, und wie es so ist, auf dem Land aufgewachsen zu sein." Stolz ist er auch, einen Teil der Filmmusik geschrieben zu haben, und gab auch gern vor Filmbeginn live eine kleine Kostprobe. Außerdem sei der Streifen auch ein Super-Kostümfilm - Synthetik aus den 80ern.
Da steigt auch Maximilian Brückner ein, der sich freut "als windiger Versicherungstandler, den man trotzdem mag", ein gackerlgelbes Jacket zu roten Cowboystiefeln und Vokuhila-Frisur zu tragen. Der jüngste Tatort-Kommissar aller Zeiten hat es genossen "täglich von daheim nur zehn Minuten zum Filmset zu haben." Gedreht wurde in Markt Kraiburg. Er freut sich auch darüber mit seinem Bruder Florian Brückner harmonisch spielen zu können. "Diesmal sind wir für das Streiten sogar bezahlt worden", grinst er und freut sich über seinen ersten Besuch in Straubing, obwohl er schon oft vor hatte, das Gäubodenvolksfest zu besuchen.
Schon im "Räuber Kneißl" standen die Brüder als Brüderpaar gemeinsam vor der Kamera. Die Geschichte diesmal läuft ohne Wild-Schießerei ab, aber wieder fließt etwas Blut: Nach dem Unfall von Onkel Sepp, der daraufhin 18 Jahre im Koma liegt, entwickeln sich die drei Baumgartner Brüder ganz unterschiedlich. Der Älteste scheitert als Möchtegern-Dorf-Yuppie (Max Brückner), der Mittlere (Florian Brückner) kämpft gegen Atomkonzerne und will mit Greenpeace-Schiffen hinaus in die weite Welt, der Jüngste (Mathias Kellner) ist geistig zurückgeblieben und rührt als Aushilfe das Blut für Blutwürste. Die Eltern leben da eintönig und eigentlich jeder allein, aber ohne den anderen sein zu können.
Hört sich komisch an? Eigentlich nicht. Die Charaktere nehmen es bayerisch pragmatisch - "eh klar!". Action ist drin, ein bisschen Liebe, ein bisschen Grusel - nicht wegen des Stils der 80er - und vor allem bissige und saukomische Dialoge, die jeder richtige Bayer sicher auch schon einmal auf den Lippen hatte.
In München war Kellner schon bei einer Premiere. 600 Zuschauer und alle haben an den richtigen Stellen gelacht, unseren Lieblingsszenen. Die Idee des Films ist also aufgegangen". Vergessen ist für den Liedermacher auch fast der "Nutella-Blues", den er schrieb, als er eine Szene, in der er das zuckersüße Brot verspeisen musste, "20 bis 30 Mal" wiederholen musste.
Wer sich erinnern will, als der Protest groß war in einer kleinen Welt, oder sehen will, wie Handys der ersten Generation mit Autobatterien funktionierten und wie "ein komischer Tag" eine total normal verrückte Familie wieder zusammenbringt, ist bei "Was weg is, is weg" absolut richtig. Seit gestern läuft er regulär in bayerischen Kinos.
Ulli Scharrer, Straubinger Tagblatt, 20. März 2012

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AZ München, 22. März 2012, Seite 21. Anklicken zur Lesbarkeit
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Liebe, Versöhnung und Atomkraft in der Provinz
Humor aus Bayern: "Was weg is, is weg"
Deutschland hätte mit der Energiewende nicht so lange warten müssen, bis in Japan ein Atomkraftwerk havariert. Der bayerische Bauer Sepp erfand schon 1968 eine Maschinerie, mit der sich Strom herstellen lässt, erfährt man in Christian Lerchs "Was weg is, is weg". Dummerweise wurde der Landwirt bei der Inbetriebnahme von seinen Neffen abgelenkt: ein Stromschlag versetzte in ein Koma. Die Komödie zeigt die Kraft, die das bayerische Kino seit Marcus H. Rosenmüllers "Wer früher stirbt, ist länger tot" aus der erneuerbaren Energie des Heimatfilms bezieht. "Was weg is, is weg" wirkt origineller und spritziger als die mittlerweile sehr routiniert heruntergedrehten Erzeugnisse des Vielfilmers Rosenmüller.
Der Film spielt 1986. Die Neffen des Komabauerns Sepp sind inzwischen Männer: Hansi (Maximilian Brückner) ist zu einem halbseidenen Versicherungsvertreter herangewachsen, der umweltbewegte Lukas (Florian Brückner) will auf einem Greenpeace-Schiff anheuern, der übergewichtige Paul (Mathias Kellner) schließlich ist geistig ein Kind geblieben. Zusammengeschmiedet werden die drei ungleichen Brüder durch einen abgetrennten Arm, den der bankrotte Kneipier Much (Jürgen Tonkel) auf Anraten seines Versicherungs-Hansi verloren hat. Bemerkenswert ist, dass es Lerch in seinem Debüt gelingt, mit diesen kruden Zutaten eine tolle Komödie hinzubekommen. Die süddeutsche Antwort auf "Am Tag, als Bobby Ewing starb": Es ist nur konsequent, dass Lerch die nach vorne drängende Energie des Road-Movie-Genres zum Schluss ad absurdum führt: Mit einem Rückwärtsgang, der bayrisches Seelen-Recycling verspricht.
Die Welt kompakt, 22. März 2012
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Urbayerische, rabenschwarze Komödie
Christian Lerch nimmt sich in seinem Regie-Debüt der Familie als Ort des Zerfalls und der Versöhnung zugleich an. Eine rabenschwarze Komödie. Unser Autor empfiehlt: Unbedingt reingehen!
Familie ist einfach was Wunderbares - und Grausames zugleich. Nirgendwo wirst du mehr geliebt und gleichzeitig so getriezt.
Gleich bei seinem Kinodebüt als Regisseur hat sich der Wasserburger Schauspieler ("München 7“) und Drehbuchautor ("Wer früher stirbt, ist länger tot“) Christian Lerch diesen ganz speziellen Kosmos vorgenommen - und ihn einfach wunderbar mit großer Rafinesse und Gespür für Tempo und Zurückhaltung auf die Leinwand gebannt.
In "Was weg is, is weg“, einer sehr freien Bearbeitung des Jugendbuchs "Bellboy“ von Jess Jochimsen, dreht sich alles um die drei ungleichen Brüder Paul, Lukas und Hansi, die 20 Jahre nach einem folgenschweren Unfall ihres Onkels Sepp mitten in den 80ern trotz recht unterschiedlicher Lebensentwürfe plötzlich wieder zueinander finden.
Die rabenschwarze Komödie - Auslöser einer wilden Verfolgungsjagd über die Dörfer ist ein verlorener Unterarm, der in versicherungsbetrügerischer Absicht abgetrennt wurde - macht großen Spaß.
Der 46-jährige Regie-Debütant versteht, sein Ensemble mit leichter Hand zu führen. "Es klingt unwahrscheinlich, aber die 28 Drehtage waren wirklich sehr harmonisch“, sagt Lerch. Diese Harmonie merkt man dem Film, in dem fast die gesamte bayerische Schauspielprominenz versammelt ist, auch an.
Neben Florian und Maximilian Brückner brilliert der bislang "nur“ als Sänger bekannte Mathias Kellner als dritter Bruder im Bunde. "Mathias spielt in einer starken Schlichtheit“, lobt sein Regisseur. Die Besetzung des Musikers als leicht zurückgebliebenes Riesenbaby war Zufall und ein großes Glück. Der leinwandfüllende, recht korpulente Musiker sorgt - so paradox es klingt - für die leichten Momente bei einem doch recht emotionalen Thema: Zerfall und Versöhnung einer Familie. Unbedingt reingehen!
Christian Böhm, Welt online, 22. März 2012
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In der Ruhe liegt die Kraft
Deutschland hätte mit der Energiewende nicht so lange warten müssen, bis in Japan ein Atomkraftwerk havariert. Schließlich erfand der bayerische Bauer Sepp schon 1968 eine Maschinerie, mit der sich sauberer Strom herstellen lässt, erfährt man in Christian Lerchs "Was weg is, is weg".
Dummerweise wurde der Landwirt bei der Inbetriebnahme seiner Apparatur aber so sehr von seinen drei Neffen abgelenkt, dass ihn ein Stromschlag in ein Koma versetzte.
Die Komödie zeigt die Kraft, die das bayerische Kino seit Marcus H. Rosenmüllers "Wer früher stirbt, ist länger tot" aus der erneuerbaren Energie des Heimatfilms bezieht. "Was weg is, is weg" wirkt origineller und spritziger als die mittlerweile sehr routiniert heruntergedrehten Erzeugnisse des Vielfilmers Rosenmüller.
Der Film spielt im Jahr 1986. Die Neffen des Komabauerns Sepp sind inzwischen Männer: Hansi (Maximilian Brückner) ist zu einem halbseidenen Versicherungsvertreter herangewachsen, der umweltbewegte Lukas (Florian Brückner) will auf einem Greenpeace-Schiff anheuern, der übergewichtige Paul (Matthias Kellner) schließlich ist geistig ein Kind geblieben. Zusammengeschmiedet werden die drei ungleichen Brüder durch einen abgetrennten Arm, den der bankrotte Kneipier Much (Jürgen Tonkel) auf Anraten seines Versicherungs-Hansi verloren hat.
Bemerkenswert ist, dass es Lerch in seinem Debüt gelingt, mit diesen kruden Zutaten eine wunderbare Komödie hinzubekommen. Es liegt zum einen daran, dass er seine Figuren niemals denunziert. Zum anderen verfügt der Film über erstaunlich gutes Timing: Im Gegensatz zu anderen deutschen Road-Movies, die sich verzweifelt um Rasanz bemühen, lässt Lerch sich und seinen Figuren - bayerisch dickköpfig - viel Zeit.
Die süddeutsche Antwort auf "Am Tag, als Bobby Ewing starb" findet ihr Fortkommen im Wald und auf dem Feldweg zuweilen im Schneckentempo. Es ist nur konsequent, dass Lerch die nach vorne drängende Energie des Road-Movie-Genres zum Schluss ad absurdum führt: Mit einem Rückwärtsgang, der Seelen-Recycling verspricht, und den es so nur in Bayern gibt.
Josef Engels, Berliner Morgenpost, 22. März 2012
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Das Sendlinger Tor Kino ist nicht nur eines der schönsten Kinos in München, sondern auch eines der wenigen, die noch eigene Werbeschilder für die von ihnen gezeigten Filme malen lassen.
Foto: EFi, 23. April 2012
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Jagd durch Ober-Öko-Bayern: Christian Lerchs feine 80er-Komödie "Was weg is, is weg"
Die 80er Jahre - das waren nicht nur Nena, Helmut Kohl und "Denver Clan". Es war auch das Jahrzehnt der Friedensaktivisten und Atomkraftgegner, der Bio-Pioniere und Öko-Freaks. Die Grünen zogen ins Parlament ein, Umweltschutz wurde zur neuen deutschen Welle, und Weltenretter wie Lukas Baumgarten brachten an Strommasten Protestplakate an ("Strom vom Atom schädigt das Genom"), während wieder andere Flur-Guerillas ebendiese Masten ansägten.
Inmitten dieses Jahrzehnts, dessen Umweltkatastrophenpotential sich 1986 im Super-GAU von Tschernobyl fürchterlich entlud, spielt Christian Lerchs kleiner, feiner Film "Was weg is, is weg" - eine schwarze bayerische Komödie in der Tradition der frühen Marcus-H.-Rosenmüller-Filme, diese aber nicht kopierend, sondern auf eigenem Weg selbstbewusst-skurril fortführend. Wo Rosenmüller seine Komödienstoffe zuletzt als gefällige Sommer-Design-Kollektion in doch sehr bewährter Musterung herausbrachte ("Sommer in Orange", "Sommer der Gaukler"), hat Lerchs Filmdebüt den Charme des kleinen, originellen Independent-Labels, das sich in den großen Kino-Boutiquen erst noch durchsetzen muss. Was allein schon aufgrund des bairischen Dialekts, der hier so unumwunden gesprochen wird, schwierig sein könnte. Und auch räumlich bleibt der Film trotz seines Road-Movie-Charakters doch sehr auf ein oberbayerisches Fleckchen Erde begrenzt - konkret: auf die Gegend um Kraiburg am Inn, welche zu verlassen zwar das Bestreben des Öko-Aktivisten Lukas Baumgarten (Florian Brückner) ist, doch aus dessen Plan, auf einem Greenpeace-Schiff anzuheuern, wird dann nichts. Zu viele Absonderlichkeiten funken an diesem einen merkwürdigen Tag, an dem der Film spielt, dazwischen. Die Jagd auf einen abgesägten Unterarm zum Beispiel. Oder die Liebe. Sie kommt in Gestalt der hübschen Luisa (Marie Leuenberger) daher und weicht Lukas nicht mehr von der Seite: "Kannst du nicht an mir die Welt retten?" Kann er natürlich. Weil die Bewegung in diesem sympathischen Film ohnehin eine Herzens- und (Land-)Kreisbewegung ist - und eine der Rückkehr: Heim ist das Ziel.
Alle Umwege führen nach Hause, ins Nest der Familie, wo vor zwanzig Jahren ein Unglück passierte, als Onkel Sepp (Hans Schuler) bei Inbetriebnahme eines selbsterfundenen Stromgenerators einen Schlag bekam. Seither liegt er im Koma, liebevoll gepflegt von seiner Schwester Erika, ganz zum Verdruss von deren Mann Johann – zwei, die ihr Eheleben in trauter Stumpfheit absolvieren und aufs Lottoglück spekulieren. Johanna Bittenbinder und Heinz-Josef Braun, auch im wahren Leben ein altgedientes Ehepaar, liefern da in aller Trockenheit und Ruhe urkomische Szenen ab: aus Erfahrung gut. Die beiden sind die Eltern der drei höchst unterschiedlichen Söhne Lukas, Paul und Hansi Baumgarten. Und sie sind es, die das im Titel angezeigte fehlende Teil haben: den an der Metzgereisäge abgetrennten Unterarm des bankrotten Gastwirts Much (Jürgen Tonkel), welchen der Hund fortgeschleppt, Johann beim Mistausfahren gefunden und seine Frau schließlich eingefroren hat, nicht wissend, wem das Körperteil gehört.
Die Suche danach führt zu absurden Unfällen, Verwechslungen und Verfolgungsjagden über Felder und Wiesen. Furios, welch aberwitzige Haken dabei der Plot schlägt, ohne der Logik Gewalt anzutun oder ins Stocken zu geraten. Christian Lerch, gebürtiger Wasserburger, aktiver Schauspieler und erprobter Ko-Autor bei Rosenmüllers "Wer früher stirbt, ist länger tot", hat das Drehbuch zu seinem Debütfilm selber geschrieben, sehr warmherzig, sehr witzig und sehr frei nach dem Buch "Bellboy" von Jess Jochimsen (der einen Kurzauftritt hat).
Eine gelungene Sache - mit Ausstattungsdetails und Prototypen aus den Achtzigern, die eine Freude sind. Großartig Maximilian Brückner als Hansi Baumgarten: ein windiger Versicherungsmacker mit blonder Vokuhila-Dauerwelle, knallrotem Angeber-BMW und kanariengelbem Geht-gar-nicht-Sakko, sein Funktelefon groß wie sein Ego. Sein Bruder Florian Brückner ist als Lukas der romantische Rebell, und auch der korpulente Mathias Kellner macht in der Rolle des zurückgebliebenen Paul, einem komischen Heiligen, keine schlechte Figur. Reschpekt!
Christine Dössel, Süddeutsche Zeitung, 23. März 2012, Seite 13
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Alles so schön bunt
Bayerischer Kino-Irrsinn: "Was weg is, is weg"
Mit Beginn der 80er Jahre wurde im Westen das Schwarz-Weiß-Fernsehen entsorgt, der Mensch suchte ein neues Verhältnis zur Farbe. Fand er eines? Leider ja. Er trug knallgelbe Sakkos, er zog sich an, als wäre er aus einem Überraschungsei geschlüpft.
Es muss ein Fest sein, im Film von Christian Lerch zu spielen. Verbotene Frisuren (Vokuhila), untersagte Modesünden (Cowboystiefel, dazu das Sakko bis zum Ellenbogen hochgekrempelt), überkommene Musik (Death Metal): Alles ist erlaubt bei Lerch und seinem Stück "Was weg is, is weg". Vieles bündelt sich in dieser einen Figur, Hansi, gespielt von Maximilian Brückner, der wie ein Kind im Sandkasten toben darf - und sich das allemal verdient hat, weil er so schnöde abserviert wurde als "Tatort"-Kommissar des Saarlandes. Trotz guter Quoten.
Maximilian Brückner spielt Hansi als Anti-Kommissar, als fadenscheinigen Gesellen, Versicherungsmakler, Hochstapler, Seelchen, Unschuld vom Lande. Denn auf dem Lande in Bayern hat sich der Film eingerichtet, sehr familiär, das liegt auch daran, dass Maximilians Bruder mitspielt, Florian Brückner. Der gibt den Lukas, einen Umweltaktivisten, der aufs Greenpeace-Schiff will. Er möchte die Welt retten. Er trägt keine gelben Sakkos, sondern Strickpullover. Und hasst das Gehabe seines Bruders. Ein Bruderzwist ist guter Stoff fürs Drama, das wissen wir seit Noel und Liam Gallagher von der Band Oasis.
Der Film ist aberwitzig, er ist auf Bayerisch eingespielt, man muss das als Warnung verstehen: Nicht alle Passagen sind verständlich für einen, der nicht aus Deutschlands Süden stammt. Doch die Handlung bleibt übersichtlich, sie braucht nicht viele Worte, und wer sich auf den Wahnsinn einlässt, hat Spaß an diesem Heimatstück. Oder eben: Gaudi.
Wie der Wahnsinn beginnt: Der Versicherungsbetrug des Metzgers Much (Jürgen Tonkel) scheitert, er verliert einen Arm an der Knochensäge, dieser Arm wird vom Hund verschleppt. Das ganze Dorf sucht diesen Arm , das Stück entwickelt sich zum Roadmovie. Monty Python in seiner bayerischen Spielart, so präsentiert sich das Werk. Es ist der helle Wahnsinn, und trotzdem wahrt es Charme.
Lars Grote, Märkische Allgemeine, 24. März 2012
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Mit "Wer früher stirbt ist länger tot" begann 2006 eine neue Ära des speziell bayerischen Heimatfilms. Sympathisch schräge Komödien über die komplizierten Seiten des Lebens in ländlich-bajuwarischer Umgebung. Trendsetter in diesem Genre ist Marcus H. Rosenmüller, der sich inzwischen zu einem der produktivsten deutschen Filmemacher entwickelt hat. Sein ständiger Co-Autor Christian Lerch hat sich jetzt auch an die Regie gewagt: "Was weg is, is weg" ist der Titel seines Debuts, das diese Woche in den deutschen Kinos startet.
Schwierige Familienverhältnisse zwischen grünen Matten, glücklichen Kühen und sanften Hügeln im bayerischen Voralpenland: Die Auf-und Umbrüche der 1968er haben die ländliche Idylle erreicht. Dem Nachwuchs ist die Lust an der Landwirtschaft vergangenen. Hansi (Maximilian Brückner) macht in Versicherungen und kann sich inzwischen sogar einen schicken roten BMW leisten; sein übergewichtige Bruder Paul (Matthias Keller) ist nicht ganz von dieser Welt und den Dritten im Bunde, Lukas (Florian Brückner), lockt die weite Welt ...
Während Lukas im Begriff ist, mit Greenpeace Wale in fernen Gewässern zu retten, fühlt sich Hansi daheim beim örtlichen Metzger (Jürgen Tonkel) ganz in seinem Element: dem Unternehmen mit angeschlossener Gastwirtschaft geht es auf Grund der allgemeinen Landflucht schlecht. Der gewiefte Versicherungsvertreter ist um eine Lösung des Problems nicht verlegen: Ein Berufsunfall wäre da zum Beispiel denkbar, um mit der Versicherungsumme den finanziellen Engpass zu überbrücken. Schließlich gehört der Umgang mit scharfem Gerät zum Alltag eines Metzgers. Da kann schon einmal ein Missgeschick passieren.
Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände gerät der Arm des Metzgers tatsächlich in die Knochensäge: Obwohl der saubere Schnitt keinen Grund zur Klage gibt, ist das Ergebnis keinem der Beteiligten recht: Was ab is, is ab oder?
Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Hund den Arm schnappt und Paul - er hilft gelegentlich in der Metzgerei aus - in Panik gerät. Aber die Welt in Niederbayern ist klein und so geht der abgetrennte Unterarm nicht verloren. Also: Was weg is, muss im Zeitalter von Tiefkühltruhen nicht immer weg bleiben!
Wie Christian Lerch das makabre Spiel mit dem verlorenen Arm in immer neue Varianten treibt ist enorm lustig und zeigt, dass er seinem Lehrmeister Rosenmüller mehr als nur über die Schulter geschaut hat. Zumal er bei "Was weg is, is weg" mit Florian und Maximilian Brückner, Jürgen Tonkel und Nina Proll das ständige Rosenmüller-Ensemble vor der Kamera versammelte.
Zu seinem Drehbuch ließ sich Lerch von "Bellboy" dem ziemlich komischen Roman des Firstclass-Kabarettisten Jess Jochimsen anregen, der im Film auch eine kleine Rolle spielt. Wer Spaß an schwarzem bayerischen Humor hat und im Kino gerne Tränen lacht, sollte sich "Was weg is, is weg" auf keinen Fall entgehen lassen!
P.S. Jess Jochimsens "Bellboy oder: Ich schulde Paul einen Sommer" ist bei DTV erschienen.
Herbert Spaich, SWR-Kino-Blog, 25. März 2012
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Heut samma net lustig! Ein starker Heimatfilm: "Was weg is, is weg"
Ein absaufender Kleinbus, ein umgestürzter Strommast, ein abgesägter Metzgerarm und ein Atommeiler, der gerade im fernen Tschernobyl durchglüht. Wenn solche Ereignisse gleichzeitig geschehen, handelt es sich um ein echtes Katastrophal. Das ist laut Karl Valentin "eine Art Energie, und wenn die exeplidiert, dann geht's los, dann is dö ganze Welt hi". In diesem Fall stürzt die Welt der drei Brüder Hansi, Lukas und Paul ein. Ihre verzwickte Geschichte beginnt anno 1968, als sie noch unschuldige Bauernbuben sind und miterleben, wie der Onkel Sepp seinen Pursogator in Betrieb nehmen will, eine Wundermaschine zur endgültigen Lösung der Energiefrage. Ein Stromschlag beendet das Jahrhundertexperiment. Seither liegt der Erfinder im Koma, und die Familie Baumgarten fällt auseinander. 18 Jahre später beschließt Lukas, die Welt zu retten, und heuert auf einem Greenpeace-Schiff an. Der Prolet Hansi, Vokuhila-Frisur, kanariengelbes Sakko, knallrote Zuhälter-Schleuder, macht windige Geschäfte. Paul ist zu einem Riesenbaby mutiert und hält sich für Jesus. Am Ende führt das Katastrophal alle wieder zusammen, wobei der Lehrsatz von Beckett gilt, dass nichts so komisch ist wie das Unglück.
Was weg is, is weg ist die erste Regiearbeit von Christian Lerch. Der 46-jährige Schauspieler ist kein Neuling im Genre Schwarzer Humor. Er trat in Achternbusch-Filmen auf und war Co-Autor des Drehbuchs zu Marcus H. Rosenmüllers Wer früher stirbt, ist länger tot, einer Komödie, die 1,8 Millionen Kinobesucher begeisterte. Nun ist Lerch ein fulminantes Debüt gelungen: ein Roadmovie auf Feldwegen, ein wilder Schwank, der zwischen Kruzifix und Kernkraft, BMW-Kult und Ökorevolte, katholischer Frömmigkeit und blindem Zukunftsglauben spielt. Jenseits des Absurden treiben den Regisseur allerdings ganz andere Deformationen um: Es geht um das Säurebad der Modernisierung, in dem sich alle Traditionen auflösen, um den Fortschritt, der das ländliche Milieu, die heilige Familie, die sozialen Bindungen zersetzt. Und es geht um die Kraft des Beharrens, den urbayerischen Anarchismus, die List und den Witz der Provinz gegen den Irrsinn unseres Zeitalters.
Ein Heimatfilm im besten Sinne also: Er konterkariert die Heut-samma-lustig-Industrie und ihre leitkulturelle Jodelseligkeit. Was weg is, is weg ist eine Parabel auf das Unwiederbringliche, frei von Schmalz und Nostalgie, zutiefst provinziell und zugleich universell, denn sie thematisiert das Unbehagen an der Globalisierung und ihren Verwerfungen. "Der Mensch braucht so etwas wie Heimat", sagt Lerch. Sein Film verströmt jenen rückbesinnlichen Zeitgeist, der in den vergangenen Jahren jede Menge Dorfgeschichten und Familienepen hervorgebracht hat, darunter auch grimmige Romane wie Josef Bierbichlers Mittelreich, die den Mythos von der guten alten Zeit dekonstruieren.
Die Drehorte im Umland von Kraiburg am Inn, einer unverkitschten Gegend an der Peripherie Oberbayerns, die Authentizität der Darsteller (herausragend: Maximilian Brückner als Hansi und Johanna Bittenbinder als Mutter Baumgarten), die unverkünstelte Mundart, die valentinös-becketteske Komik - man weiß nicht, ob das in der Norddeutschen Tiefebene ankommt. Aber wer wissen will, was ein Katastrophal ist, sollte sich Was weg is, is weg unbedingt anschauen.
Bartholomäus Grill, Die Zeit, 29. März 2012, Nr. 14



Screenshot von der Webseite des Münchner Mathäser Filmpalast, Juni 2019. Quelle

Seite erstellt im März 2012 von EFi; zuletzt ergänzt im Juni 2019
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