Kritiken zu "Kongo"   (2010)



Premiere: 28. Juni, 17 Uhr im Gasteig - in der Reihe 'Deutsche Fernsehfilme' des 28. Filmfests München (25. Juni - 3. Juli 2010)
20. Cologne Conference 2010, Internationales Film- und Fernsehfestival: 30. September, 19 Uhr im Residenz Filmtheater

Fernsehpremiere: Montag 18. Oktober 2010, 20:15 Uhr, ZDF
Einschaltquoten: 20:15 Uhr - 3,96 Mio Zuschauer (11,9% Marktanteil) ; Wdh. 1:50 Uhr - 0,15 Mio (4,9% MA)

Veröffentichung auf DVD: 22. Oktober 2010, Universum Film

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Seite für den Film bei Teamworx
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Die innere Unsicherheit
Christian Granderath wird im September neuer Fernsehspielchef des NDR. Eine seiner letzten Arbeiten als Produzent ist jetzt auf dem Münchner Filmfest zu sehen. "Kongo" erzählt von einem fiktiven Auslandseinsatz der Bundeswehr.
Der britische Autor John le Carré hat 2006 den Thriller Geheime Melodien veröffentlicht. Darin geht es um die Zukunft des Kongo und darum, wie ein kongolesischer Dolmetscher zwischen die Fronten in diesem Bürgerkriegsland und der internationalen Politik gerät. Le Carré kennt sich zwar aus in Afrika, das zeigt sein Roman "Der ewige Gärtner", aber er war zuvor noch nie im Kongo gewesen. Als er sein Buch fertig hatte, fuhr er in die ostkongolesische Stadt Bukavu, an der Grenze zu Ruanda. Danach fragte er sich: "Hätte ich denselben Roman geschrieben, wenn ich zuvor in den Kongo gereist wäre? Hätte ich überhaupt einen Roman geschrieben? Die Wirklichkeit ist so überwältigend, daß alle Fiktion dagegen verblaßt."

Maria Simon (Nicole Ziegler) - Maximilian Brückner (Werner Malinck)
Photo: © ZDF/Kelly Walsh
Der Teamworx-Produzent Christian Granderath, der Regisseur Peter Keglevic und der Autor Alexander Adolph waren bis heute nicht im Kongo. Trotzdem haben sie einen TV-Film gedreht, der Kongo heißt. Er wurde in Südafrika gedreht, es geht um einen fiktiven Auslandseinsatz deutscher Soldaten, die in Bukavu stationiert sind. Kongo wird am kommenden Montag als Premiere auf dem Münchner Filmfest gezeigt, im Oktober soll zur besten Sendezeit (20.15 Uhr) die ZDF-Ausstrahlung folgen.
Vermutlich wären Granderath, Keglevic und Adolph auf die gleichen Fragen gekommen wie John le Carré, wären sie je in den Ostkongo gereist. Nun aber haben sie diesen Film gedreht, und ob er gut geworden ist, kommt ganz auf die Perspektive an, die man einnimmt.
Für Menschen, die den Ostkongo kennen, ist es ein eigenartiges Werk geworden. Geschätzte fünf Millionen Menschen haben in diesem Krieg ihr Leben schon verloren, in keiner anderen Region der Welt werden so viele Frauen und Mädchen vergewaltigt und anschließend verstümmelt. Kein Konflikt dieser Dimension wird von der Welt so ignoriert wie der im Kongo. Für Menschen, die die ostkongolesische Realität kennen, ist diese internationale Ignoranz zum Verzweifeln. Und sehen sie dann Kongo, dann sagen sie sich wie John le Carré: Die Wirklichkeit übersteigt jede Fiktion. Deutsche Filmemacher können sich offensichtlich nicht vorstellen, wie kaputt die Welt an manchen Stellen wirklich ist. Da ist es dann auch nebensächlich, daß Kongo nur an sehr wenigen Stellen so aussieht, wie es im Kongo wirklich aussieht.
Für Menschen aber, die den Kongo nicht kennen, und das ist die überwiegende Mehrheit der Zuschauer, ist dieser Film sehr sehenswert. Es geht nämlich darum, wie es deutschen Soldaten bei einem Auslandseinsatz geht, unter welchem Druck sie stehen und was dabei passieren kann. Aus dieser Perspektive ist das Land lediglich Kulisse, und das auch zurecht. Denn eigentlich geht es in Kongo um Afghanistan, und dieses Thema, sagt der Produzent Christian Granderath, bekommt man als Spielfilm im deutschen Fernsehen nicht unter, schon gar nicht um 20.15 Uhr. Wenn aber der Kongo für Programmmacher schon attraktiver ist als Afghanistan, dann kann man sich vorstellen, wie es den deutschen Soldaten am Hindukusch geht, die täglich ihr Leben riskieren, die verletzt oder deren Kameraden getötet werden, und die mit ihren traumatischen Erlebnissen alleine zurechtkommen müssen. Fast kein Mensch interessiert sich für ihren Einsatz - außer wenn die Soldaten offensichtliche Fehler machen wie beim Angriff auf den Tanklastzug in Kundus.
Auch in "Kongo" geht es um Krieg und Verfehlungen. Um eine kleine Einheit deutscher Soldaten, die so überwältigt wird von der grausamen Realität, daß einer von ihnen tot aufgefunden wird. Offensichtlich hat er sich selbst erschossen.
Maria Simon spielt die Ermittlerin, die Feldjägerin, die diesen Selbstmord untersuchen soll und deshalb nach Bukavu reist. Sie ist jung, resolut, ziemlich ehrgeizig - und für die Truppe vor allem eine Nervensäge. Ihre Recherchen verursachen immer mehr Unruhe im Camp, und schließlich kommt sie einem Mord auf die Spur, verübt ganz offenbar von einem der deutschen Soldaten.
Was aber bedeutet Mord in einem Land, in dem anscheinend jeder jeden terrorisiert, in dem Tausende Menschen getötet werden und in dem die Bundeswehr trotz des Einsatzes ihrer Elite-Soldaten die Zivilisten nicht schützen kann? "Das hier ist Krieg", heißt es immer wieder. Und so ist es kein Wunder, daß Hauptmann Kosak, den Jörg Schüttauf wunderbar genervt spielt, die Frau Ermittlerin am liebsten eigenhändig zurück nach Deutschland bringen möchte, um seine Truppe vor ihr zu schützen.
Kongo ist ein spannender Film geworden, einer, der hochwertig ausschaut und deshalb aufwendig produziert erscheint, obwohl er mit einem Budget von zwei Millionen Euro nur ein wenig über den Kosten für eine gewöhnliche Tatort-Folge liegt. Auf dem Filmfest München ist er für den Bernd Burgemeister Fernsehpreis 2010 nominiert worden.
Am interessantesten aber ist, wie die Filmemacher an die Erfahrungen der Soldaten aus Afghanistan gelangt sind. Mit offiziellen Anfragen bei der Bundeswehr kamen sie immer nur an die Pressesprecher, aber nicht an die Soldaten heran, die über ihren Alltag erzählen könnten. Offensichtlich ist das Interesse nicht groß, daß die Truppe von ihrem wirklichen Leben am Hindukusch erzählt. Dann aber stieß Granderath auf einen militärischen Fachberater und auf eine Feldjägerin, die ihnen Dinge erzählten, so der Teamworx-Produzent, die sie bislang nirgendwo gelesen oder verfilmt gesehen haben. Sie konnten die Darstellungen oft eins zu eins auf Kongo übertragen. Beide Informanten seien von der Umsetzung im Film begeistert gewesen.
Im Verteidigungsministerium von Karl-Theodor zu Guttenberg ist man über Kongo offenbar nicht ganz so begeistert. Zumindest gab es die höflich abgefaßte Anfrage an Teamworx, ob der Film nicht schon vorab im Ministerium gezeigt werden könnte. Diese Bitte aber wurde nicht erfüllt.
Michael Bitala, Süddeutsche Zeitung, 23. Juni 2010
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Was macht der Krieg aus unseren Soldaten?
Packend nachdenklich: "Kongo" gewinnt den Burgemeister-Preis und ist heute zu sehen
"Das hier ist Krieg!" Diesen Satz bekommt Oberleutnant Nicole Ziegler immer wieder zu hören. Sie ist in den Kongo geflogen, wo die Bundeswehr im Einsatz ist und soll den Selbstmord eines Feldwebels aufklären. Offiziell ist die Bundeswehr freilich nicht im Krieg, offiziell unterstützt sie den Frieden. Doch Frau Oberleutnant bekommt eine Realität zu sehen, mit der sie nicht gerechnet hätte.
"Kongo", der Teamworx-Film (Produzent: Christian Granderath), der für das ZDF gedreht wurde, erzählt zwar eine fiktive Geschichte vor dem Hintergrund eines fiktiven Militäreinsatzes. Trotzdem erzählt er auch von deutscher Wirklichkeit, von der Bundeswehr im Ausland. Gestern Abend wurde "Kongo" auf dem Filmfest als bester Fernsehfilm mit dem Bernd-Burgemeister-Preis ausgezeichnet.
Das Drehbuch schrieb der Münchner Grimmepreisträger Alexander Adolph. Ein Film über den Einsatz in Afghanistan wäre wohl nur sehr schwer durchzusetzen gewesen - also ist es nun der Kongo. Adolph sprach für das Buch mit mehreren Soldaten, auch solchen, die in Afghanistan gewesen sind. "Das meiste beruht auf Dingen, die mir erzählt wurden", sagt er. Zum Beispiel, wie die Soldaten nachts von Unbekannten angehalten werden und im Auto in Todesangst ausharren müssen. Jeder geht mit Angst, und auch den Bildern, die sie zu sehen bekommen, anders um. Der Film erzählt auch von Aggression der Soldaten. Weil sie bekämpft werden, obwohl sie nur helfen wollen, weil sie keine Chance haben in der Anarchie eines kaputten Landes. "Es geht um Angst in einem Krieg, der nicht Krieg genannt werden darf, gleichzeitig geht es um das Gefühl, zu wenig Kompetenzen zu haben", sagt Adolph.
Die Bundeswehr war bei den Recherchen kein Türöffner. "Die Bundeswehr als Maschine ist undurchdringlich", sagt Adolph. "Aber die Menschen, mit denen ich schließlich gesprochen habe, waren sehr offen." Inszeniert wurde "Kongo" in Südafrika, Action gibt es wenig zu sehen - es geht mehr um Inneres, als um opulente Kriegsbilder. Die Schauspieler sind nicht die größten Stars, aber ausnahmslos gut: Maria Simon als ehrgeizige Ermittlerin, Jörg Schüttauf als strammer Hauptmann, Maxi Brückner als traumatisierter Soldat und David Rott als desillusionierter Rambo.
"Kongo" ist ein mutiger TV-Film geworden. Weil er die brisante Frage aufwirft, ob es einen friedlichen Einsatz im Krieg geben kann. Und weil er keine Lösung anbietet. "Ich beschreibe vieles, aber ich bewerte es nicht", sagt Autor Adolph. Am Ende sind die Guten von den Bösen schwer zu unterscheiden, wenn es sie überhaupt gibt.
Tina Angerer, AZ Druckausgabe (Seite 17), 28. Juni 2010
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Wie üblich schaue ich mich auf dem Münchner Filmfest durch eine breitgefächerte Auswahl an Filmen. Einer davon war gestern die Premiere von "Kongo", ein Film, der für mich wie auch die Verantwortliche der Reihe "Deutsche Fernsehfilme" Ulrike Frick, sowohl vom Thema als auch vom Aussehen her viel besser ins Kino passen würde als ins Fernsehen, wo er, wenn sich nicht das ZDF vor der Ausstrahlung wirklich hinter die Presse klemmt leicht übersehen oder ob seines Themas womöglich ignoriert werden wird.

Der Weg in den Carl-Orff-Saal des Gasteigs führte die Schauspieler und auch mich über einen roten Teppich, aber aus unerklärlichen Gründen befanden sich dort keine Photographen. Hm.

Der Film erzählt die Geschichte der Militärpolizistin Nicole 'Nicki' Ziegler, die zusammen mit ihrem Assistenten Werner Malinck in den Kongo geschickt wird, um den Selbstmord eines dort stationierten deutschen Soldaten zu untersuchen. Seine Einheit ist Teil der UN Friedensmission in Ostkongo.
Sie und ihr Assistent sind den Dschungel und seine Gesetze nicht gewöhnt, sie kennen sich nur mit den Regeln der Verwaltung aus. Werner ist ganz naiv begeistert von dem was er beim Anflug sieht, doch schon auf dem Weg ins Camp als sie das erste Mal auf Kindersoldaten, die Alligator Boys, des lokalen Kriegsherrn stoßen, die, wie den Neuankömmlingen erklärt wird, die Kleidung der von ihnen Getöteten als Trophäen tragen, schwindet beider Begeisterung über das Land.
Der Soldat hat sich angeblich in der Bar des Camps erschossen, doch auf seinem Handy findet Nicki einen Film, der die Erschießung eines Zivilisten durch einen weißen Armeeangehörigen zeigt. Wer hat geschossen, warum und war das womöglich der Grund für den Tod von Rene Wenz? Sie beginnt nachzufragen, doch weder seine Kameraden, noch sein Vorgesetzter Hauptmann Kosak sind bereit, sie zu unterstützen. Nur der Kommandant des Camps, Oberst Lonsky sichert ihr seine volle Hilfe zu, und wenn's nur wäre um beide so schnell wie möglich wieder nach Hause schicken zu können.
Nicki besteht darauf, die beteiligten Einheimischen zu finden und mit ihnen zu sprechen, und bringt damit alle Beteiligten in höchste Gefahr. Die UN Soldaten sind eigentlich im Kongo stationiert, um vor Ort beim Wiederaufbau zu helfen, aber in einem Land in dem jeder Einheimische möglicherweise ein Anhänger des jeweils örtlichen Kriegsherrn sein kann, ist Hilfe schwierig. Nicht daß sie das freiwillig sind, aber wie eine Dorfbewohnerin Nicki erklärt, macht das zumindest den Tod leichter. Munition ist teuer, also nur wenn du dafür bezahlen kannst, erschießen sie deine Kinder, sonst werden sie zuerst gefoltert und dann geköpft. Die Frau brachte das Geld auf ...
Nicki verirrt sich im Dschungel, und ist verletzt und hilflos dem gesuchten Kriegsherrn und seinen Soldaten ausgeliefert. Oder spielen ihr doch nur die schwüle Hitze und Anstrengung einen Streich? Hauptmann Kosak findet sie und bringt sie zurück in die Sicherheit des Camps.
Sie kann den Fall aufklären, doch die Lösung wird nie an die Öffentlichkeit gelangen, denn das Ansehen der Truppe ist wichtiger: "Wir sind doch die Guten, und außerdem herrscht Krieg!", wie ihr mehrfach bedeutet wird.
Als die Soldaten in den Kongo kamen, waren sie die Guten, aber nach dieser zermürbenden Zeit, in der sie nicht wirklich etwas Gutes bewirken konnten, bricht sich ihr Frust darüber auch gewalttätig Bahn. Sind sie also immer noch die Guten?

"Kongo" hat am Wochenende äußerst verdient den Bernd-Burgemeister-Preis für den besten Fernsehfilm dieses Festivals gewonnen. Endlich ist Sommer, die Spiele der Fußballweltmeisterschaft werden im Fernsehen übertragen, also war der Saal an diesem Nachmittag leider nicht ausverkauft. Der trotzdem glückliche Produzent Christian Granderath holte nach der Vorführung den größten Teil seines Produktionsteams auf die Bühne, genauso wie die Schauspieler Maria Simon, Jörg Schüttauf, Götz Schubert, Hannes Wegener, David Rott, Florence Kasumba und Regula Grauwiller. Entschuldigt waren der Drehbuchautor Alexander Adolph, der in Berlin dreht, Regisseur Peter Keglevic, der in Taiwan dreht und Maximilian Brückner. Letzteres hat mich nicht wirklich überrascht, denn Maxi hat's nicht so mit dem roten Teppich und außerdem war gerade Drehbeginn für seinen nächsten Film "Resturlaub".

Maria Simon bringt die Konflikte, die eine Frau in höherem Rang in der Armee hat und auch ihre privaten Probleme sehr glaubwürdig auf die Leinwand, Maximilian Brückner mindestens genauso überzeugend den jungen unerfahrenen Soldaten (aber die Uniform steht ihm ausgezeichnet), der das erste Mal mit der rauen Wirklichkeit eines Einsatzes an der Front konfrontiert wird, und darüber zusammenbricht. Er ist derjenige der die Reaktion der breiten Masse verkörpert, und so den Zuschauer mit in die Handlung nimmt. Auch Jörg Schüttauf, aus dem Korsett des Tatortkommissars befreit, glaubte ich sofort, daß der von ihm gespielte Hauptmann seine Truppe beschützen wird, um welchen Preis auch immer, der dabei aber den Menschen in sich nicht vergisst. David Rott als Feldwebel Marco Bogner verkörpert den Schwarm der weiblichen Bundeswehroffiziere, aber sein Charme kann seine dunkle Seite nicht verdecken. Was ich allerdings im Film vermisst habe, war eine echte Szene (welche auch immer) zwischen David und Maximilian, nicht nur ein halber Satz. Schließlich haben sie 2003 in ihrem ersten Film "Männer wie wir" ein Liebespaar gespielt, und es wäre interessant gewesen zu sehen, wie sie inzwischen an ihren Rollen gewachsen sind und nun zusammen spielen.

Nach Filmende hätte das Publikum die Möglichkeit gehabt, Fragen an die Anwesenden zu stellen. Aber entweder gab es keine, oder es ging den anderen wie mir - sie waren einfach überwältigt von dem was sie gerade gesehen hatten. Also endete dieser Nachmittag mit der Vorführung der langen Version des Videoclips, den Ben Affleck unter Verwendung von 'Gimme Shelter' der Rolling Stones gedreht hatte, um damit zur finanziellen Unterstützung des UNO-Flüchtlingshilfe aufzurufen.

Wo sich der Film "Hotel Ruanda" von Terry George auf die afrikanische Zivilbevölkerung konzentriert hatte und die Massaker in Ruanda, einem Nachbarstaat vom Kongo zeigte, konzentriert sich dieser Film auf das Innenleben der Soldaten, die zum Schutz und zur Unterstützung ins Land gekommen waren. Beide Filme zusammen geben einen Einblick in das was die meisten außerhalb Afrikas schon vergessen haben.

Als wir dann das Gebäude verließen, trafen gerade die Schauspieler des nächsten Films "Sie hat es verdient" ein, und auf die schossen sich die Photographen ein!
© EFi, 29. Juni 2010

Englischsprachige Version "We are the good guys" (ausserdem über "The Road" mit Viggo Mortensen und "Die Hebamme - Auf Leben und Tod" mit Brigitte Hobmaier und Florian Brückner) in meinem MySpace Blog 'Random Musings and Impure Thoughts'.
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Kongo - Vom schwierigen Krieg
Im Krieg gibt es weder einfache Wahrheiten noch leichte Lösungen. Eine Aussage, der viele zustimmen werden und die doch so schwer in einen publikumswirksamen Film zu übersetzen ist. Zumal einem Streifen mit recht begrenztem Budget. Der Bundeswehr-Krimi "Kongo" hat es trotzdem geschafft. Er erzählt von einem fiktiven deutschen Auslandseinsatz im Kongo. Oberleutnant Nicole "Nikki" Ziegler (Maria Simon), Ermittlerin bei den Feldjägern, muss den Tod eines Soldaten aufklären. Offenbar hat er Selbstmord begangen. Das beim Münchener Filmfest preisgekrönte Fernsehspiel ist spannend inszeniert und zeigt dennoch die Komplexität heutiger "asymmetrischer" Kriege.
René Wenz ist tot. Offenbar hat sich der Soldat in der Kantine des schmuddeligen Feldlagers der Bundeswehr im ostkongolesischen Bukavu erschossen. Der sensible Wenz kam mit den schwierigen Verhältnissen im zentralafrikanischen Bürgerkriegsgebiet nicht klar. Zudem wollte ihn seine Frau in Deutschland verlassen.
Die idealistische Ermittlerin (stark: Maria Simon) will sich dennoch nicht mit dem Offensichtlichen zufriedengeben. Hauptmann Kosak (Jörg Schüttauf), der sie eher zurückhaltend begrüßt, verweigert sie einen Dienst "nach Vorschrift". Stattdessen recherchiert die junge Ermittlerin gewissenhaft mit ihren naiv-forschen Assistenten Werner Malinck (Maximilian Brückner) und stößt dabei auf ein brutales Video, das deutsche Soldaten bei einem blutigen Verbrechen zeigt.
Wäre nicht Oberst Lonsky (Götz Schubert), Kommandeur der deutschen Truppe, auf ihrer Seite - Nikki Ziegler hätte wohl nur Gegner im heißen, unübersichtlichen Kriegsgebiet. Außerhalb des Bundeswehrlagers kämpfen mehrere Parteien um die Vorherrschaft in der Region. Während die Deutschen nur dann schießen dürfen, wenn sie angegriffen werden, kennt zum Beispiel die Brutalität der Kindersoldaten um einen mythischen Anführer namens Captain Crocodile keine Grenzen. So erzählt eine Dorfbewohnerin in einer bedrückenden Szene davon, dass sie Milizen Geld dafür bezahlen musste, damit diese ihre Kinder "nur" erschießen und sie nicht auf quälendere Weise töten. Schließlich kommt Nikki Ziegler im Dickicht des Dschungels einem Verbrechen auf die Spur. Doch sie droht auch den Überblick und ihre eigenen Ideale zu verlieren ...
"Kongo" schafft es, dem Primetime-Publikum ein recht sperriges Thema spannend und überzeugend nahe zu bringen. Für die Spannung ist vor allem Regisseur Peter Keglevic zuständig, der für RTL Filme wie den Event-Katastrophenfilm "Tarragona - Ein Paradies in Flammen" inszenierte und dabei bewies, wie man mit überschaubarem Geld Bilder bauen kann, die nach großem Action-Kino aussehen. Einer, der zudem jene Art von "knisternder Spannung" erzeugen kann, die ein großes Publikum in seinen Bann zieht. Ganz im Gegensatz zu den manchmal etwas vordergründig inszenierten Thrill-Effekten steht die klug geschriebene Geschichte von Drehbuchautor und Filmemacher Alexander Adolph ("So glücklich war ich noch nie", "Die Hochstapler"), dessen Arbeiten sich häufiger auf intelligent-unterhaltende Art mit dem Spiel um Schein und Sein beschäftigen.
Auch das Spiel des hochkarätigen Ensembles verdient ein Sonderlob - allen voran Maria Simon, eine der besten deutschen Understatement-Schauspielerinnen derzeit. Dass "Kongo" als Kriegs-Thriller, der er nur am Rande ist, nicht mit Hollywoodmesslatten der Marke "Black Hawk Down" mithalten kann, versteht sich von selbst - das in Südafrika Film gedrehte Fernsehspiel kostete lediglich zwei Millionen Euro.
teleschau der Mediendienst
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Weit davon entfernt, Verbrechen von Soldaten zu beschönigen, sorgt "Kongo" dafür, dass man entsprechende Meldungen zukünftig mit anderen Augen sehen wird.
In den letzten zwanzig Jahren sind deutsche Soldaten im Kongo, in Afghanistan, in Bosnien, im Kosovo, in Somalia, im Sudan oder in Kuwait eingesetzt worden, und die Bedingungen werden jedes Mal ähnlich gewesen sein: Freund und Feind sind kaum von einander zu unterscheiden, Ausrüstung, Unterbringung und Lebensmittel sind desolat, und der unvermeidliche Lagerkoller bekommt mit der allgegenwärtigen Angst alsbald einen finsteren Begleiter. Das ist der Hintergrund, vor dem man "Kongo" betrachten muss; der Film ist ein grimmiger Kommentar zu den Kriegszuständen, die Politiker gern zur "asymmetrischen Bedrohung" verniedlichen. Vordergründig erzählen Alexander Adolph (nach einer Idee von Stefan Dähnert), Regisseur Peter Keglevic und Produzent Christian Granderath jedoch einen Bundeswehr-Krimi. In Hollywood hat das Genre Tradition, hierzulande kann man Filme dieser Art an einer Hand abzählen. Wie klaffend die Leerstelle ist, wurde durch die "Polizeiruf 110"-Beiträge aus München mit Stefanie Stappenbeck erst so richtig deutlich. Mit Militärpolizistin Nicole Ziegler (Maria Simon) hat Adolph eine Figur geschaffen, die man sich auch gut als Sonntagsermittlerin vorstellen könnte. Sie ist jung, mutig, ehrgeizig und hat eine gesunde Abneigung dagegen, sich von Männern kommandieren zu lassen. Die Feldjägerin wird in den Ostkongo gerufen, nachdem sich ein Soldat eine Pistole in den Mund gesteckt hat. Die Stippvisite ist eine reine Formsache, eigentlich soll Frau Oberleutnant bloß ein Suizid-Protokoll abzeichnen, das Hauptmann Kosak (Jörg Schüttauf) schon fix und fertig vorbereitet hat. Sehr zu Kosaks Missfallen, der die junge Ermittlerin so schnell wie möglich wieder loswerden will, erwecken bestimmte Details Zieglers Misstrauen. Als sie im Müll das mobile Telefon des Toten findet und darauf einen Film entdeckt, der die Hinrichtung eines jungen Einheimischen dokumentiert, verbeißt sie sich in den Fall; und merkt viel zu spät, dass sie die ganze Zeit missbraucht worden ist. Keglevic lässt die bedrückende Atmosphäre zunächst gewissermaßen zwischen den Bildern entstehen. Eine spekulative Szene, in der die permanente Bedrohung handfest wird, wäre auf den ersten Blick gar nicht nötig gewesen. Gerade die Tatsache, dass sich das Ereignis als sinistrer Scherz entpuppt, trägt jedoch enorm dazu bei, dass man nachvollziehen kann, wie sich die Soldaten fühlen.
Der Film trägt sein Anliegen dennoch nie vor sich her, und auch das macht "Kongo" zu einem besonderen Werk, das sich zudem durch eine herausragende Ensemble-Leistung auszeichnet. tpg.
Entertainment Media Verlag
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Ein Drama vom Krieg gegen die eigene Angst
"Kongo" erzählt von der Mission einer Feldjägerin zwischen Kriminalarbeit und Verantwortung inmitten von Testosteron und Trostlosigkeit.
Zur besten Sendezeit nimmt das Fernsehen gern Kommissare mit schrägen WG-Mitbewohnern ins Programm. Wanderhuren oder Frauen in der Midlife-Crisis. Auch Afrika macht sich gut auf deutschen Bildschirmen - aber bitte mit Christine Neubauer als Farmerin vor Sonnenuntergängen, auf Safaris und bei singenden Buschkindern. "Kongo", den das ZDF am Montag um 20.15 Uhr zeigt, ist anders. Ein Kriegsdrama, das verstört und nachdenklich macht. Das von Menschen in unmenschlichen Situationen erzählt und davon, wie sie unter Druck reagieren.
Regisseur Peter Keglevic, Autor Alexander Adolph und Produzent Christian Granderath, seit Oktober NDR-Fernsehspielchef, schildern einen (fiktiven) Auslandseinsatz deutscher Soldaten, die im Ostkongo stationiert sind. Inmitten dieser trostlosen Realität aus Armut, Angst und Angriffen soll die Feldjägerin Nicole Ziegler (Maria Simon) den mutmaßlichen Selbstmord eines Soldaten aufklären. Zu sagen, sie sei nicht willkommen in dem testosteronaufgeheizten Umfeld, ist milde ausgedrückt. Hauptmann Kosak (Jörg Schüttauf), Wortführer und Vordenker der Kompanie, reckt schon bei der ersten Begegnung sein Kinn vor wie ein angriffslustiger Wachhund und bellt seine Instruktionen heraus. Die Reisende solle sich doch ein bisschen frisch machen, anschließend das Suizid-Protokoll unterschreiben, das wär's, schönen Dank auch. So läuft das in Kosaks Welt. In der von Nicole Ziegler nicht.
"Kongo" ist aufgebaut wie ein klassischer Krimi. Nur haben die Ermittlungen wenig mit dem zu tun, was man aus hiesigen Polizeirevieren kennt. Es gibt keine Augenzeugen, Diskretion ist oberstes Gebot, was den Selbstmord des Kameraden angeht - und erst recht das Video, das die Feldjägerin auf dem Handy des Toten entdeckt und das die Hinrichtung eines afrikanischen Jungen zeigt. Die Abwehr zählt, haben die Soldaten gelernt, sei es mit Schusswaffen oder verhärteten Blicken. "Ihr Verhalten ist demoralisierend für die Truppe - und es ist schon schwer genug", muss sich die Ermittlerin vorwerfen lassen. Der Störenfried im Lagerkollektiv.
Während der Drehbuchentwicklung sprachen Adolph und Granderath mit Bundeswehrsoldaten, die im Kongo oder in Afghanistan gekämpft haben - diesen Informationen verdankt der Film seine authentische Anmutung. Mehr noch als um Detailwissen über einen Krieg in einem fremden Land geht es den Machern um die emotionale Ebene. Um den Krieg gegen die eigenen Ängste und die Ohnmacht, die einen überkommt, wenn man als Soldat in einem Krisengebiet stationiert ist. Um diesen Kern herum agieren die sorgfältig gezeichneten Charaktere.
Da ist zunächst einmal die großartige Hauptdarstellerin, die mit klebrigen Haarsträhnen im dauerverschwitzten Gesicht eine fast unmenschliche Kraft aufwenden muss, einen kühlen Kopf zu bewahren und nicht ob all der Feindseligkeiten die Koffer zu packen.
Nicht aus "300 Prozent Ehrgeiz" besteht sie, wie Hauptmann Kosak vor versammelter Mannschaft pestet, im Gegenteil: Die junge Frau befindet sich schon nach wenigen Tagen in der verzwickten Lage, sich für eine Handvoll Menschen verantwortlich zu fühlen: für die Frau des Toten, für eine afrikanischen Übersetzerin, für ihren Kollegen (Maximilian Brückner), der anfangs noch alles "Rock' n' Roll" findet, Safaritour mit anschließendem Feierabendbierchen, in Wahrheit aber hoffnungslos überfordert ist mit dem Einsatz. Feldwebel Marco (David Rott) hingegen steht derart unter Dampf, dass ihm die bindfadendünnen Nerven reißen, wenn jemand seinen Job infrage stellt. Er ballert nicht in der Gegend herum, stellt er klar, er kämpft in einem Bürgerkrieg mit Millionen Toten.
Gedreht wurde "Kongo" in Südafrika, das Lager in Kapstadt gebaut, der Dschungel im 1500-Seelen-Dorf Port St. Johns gefunden. Die Kamera von Busso von Müller streift entlang subtropischer Regenwälder, Schilfgräsern im Wind, staubiger Straßen. Das Feldlager der Truppe ist zugleich schützendes Gebiet vor Kindersoldaten und der gequälten Zivilbevölkerung und kalte Schlafstätte, in der die Dusche nicht funktioniert und die Simulation eines Zuhausegefühls schon gar nicht. Das lässt die Sinnlosigkeit dieses Daseins nur umso schmerzlicher hervortreten.
Karolin Jacquemain, Hamburger Abendblatt, 16. Oktober 2010
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Das TV-Ereignis:
Menschliches im Krieg
Geht unter die Haut: das preisgekrönte Soldatendrama "Kongo"
Die Mainzer trauen sich was: Der 'ZDF-Fernsehfilm der Woche' "Kongo" erzählt vom kräftezehrenden Alltag der Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz. Dazu gibt es immer wieder erschütternde Szenen, die das Leid einer vom Krieg zermürbten Bevölkerung zeigen. Ein brisantens Thema, das im fiktionalen Fernsehen praktisch nicht existent ist.
Im Mittelpunkt des Films steht Oberleutnant Nicole Ziegler (ganz stark: Maria Simon), Ermittlerin bei den Feldjägern. Sie wird in den Ostkongo geschickt, wo deutsche Elite-Soldaten im Rahmen eines Eufor-Einsatzes stationiert sind. Dort soll sie den vermeintlichen Selbstmord ihres Kameraden Wenz klären, stößt bei ihren Untersuchungen aber bald auf Unstimmigkeiten. Auf dem Handy des Toten findet sie ein schockierendes Video. Das deutet daruf hin, daß Wenz in ein Kriegsverbrechen verwickelt war. So wird aus dem Militärdrama (Buch: Alexander Adolph) mehr und mehr ein Thriller, der unter die Haut geht.
Unter die Haut gingen die Dreharbeiten auch Hauptdarstellerin Maria Simon: "Ich bin mit dem Gedanken nach Hause gekommen: Was macht das teuflische Geld mit uns?" sagt die Schauspielerin nachdenklich. "Kriege werden angezettelt, Familien zerstört, Traditionen vernachlässigt. Und all das nur, weil der Mensch besessen ist von dem Gedanken, immer mehr besitzen zu müssen."
Doch die 34-jährige, die derzeit für ihren ersten Einsatz als "Polizeiruf 110"-Ermittlerin vor der Kamera steht, haut auch viele positive Erinnerungen an Afrika: "Die ersten zwei Wochen haben wir in Dörfern im Landesinneren gedreht. Die meisten Kinder dort hatten noch nie einen weißen Menschen gesehen und liefen zusammen, staunten und kicherten, als wir mit unseren Lastwagen vorfuhren. Es war alles unglaublich spannend und fremd zugleich."
Das ist nun fast genau ein Jahr her. Der Film wurde beim Filmfest München ausgezeichnet. Dass er seine TV-Premiere zu einem Zeitpunkt feiert, in dem die zukünftige Ausrichtung der Bundeswehr intensiv diskutiert wird, macht ihn umso bemerkenswerter.
AZ München, Druckausgabe, 16./17. Oktober 2010
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Fernsehfilm über fiktiven Kongo-Einsatz - Kanonenfutter bei der Arbeit
"Kongo" ist einer der wenigen Fernsehfilme über Auslandseinsätze der Bundeswehr. Soldaten kämpfen darin gegen ihre Ohnmacht (Montag, 20.15 Uhr, ZDF).
Ich habe Künstler immer auch als Seismografen einer Gesellschaft begriffen", sagt Christian Granderath. Er findet es deshalb "erstaunlich, dass ich in Angeboten von Autoren und Regisseuren zum Thema Bundeswehr im Kriegseinsatz in den letzten zehn Jahren nicht gerade ertrunken bin". Das Thema "müsste die doch nicht erst interessieren, seit Guttenberg sagt, es ist Krieg", ergänzt der TV-Routinier, der seit September die Abteilung Fernsehfilm beim NDR leitet und zuvor als Produzent für Teamworx tätig war. Günther van Endert, leitender ZDF-Fernsehfilmredakteur, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Allenfalls Drehbücher zu "Anti-Piraten-Einsätzen im Indischen Ozean" habe er angeboten bekommen, das seien aber nur "klischeehafte Kolportagen" gewesen.
Auf die mangelnde filmische Aufarbeitung aktueller deutscher Kriege reagieren Granderath - noch in seiner Funktion als Teamworx-Mann - und van Endert jetzt mit dem Film "Kongo": Der Film erzählt von einem fiktiven Einsatz der Bundeswehr in dem afrikanischen Land. Oberleutnant Nikki Ziegler (Maria Simon) soll den mutmaßlichen Selbstmord eines offensichtlich psychisch labilen Feldwebels aufklären. Bei ihren Recherchen stößt sie auf einen noch gravierenderen Fall - den offenbar willkürlichen Mord an einem Zivilisten. Bald aber muss sie einsehen, dass die Sprachmittlerin Noelle (Florence Kasumba), deren Vertrauen sie gewinnt, recht hat. "Hier gibt es keine Regeln, Nikki", sagt sie.
Vorbild für Maria Simons Rolle war Nadine Hübner, eine Bundeswehr-Feldjägerin, die in Afghanistan im Einsatz war. "Wir haben ohne irgendeine Form von Kontrolle zwei Tage lang mit ihr sprechen können", sagt Produzent Granderath. "Die hat frei Schnauze geredet, auch wenn sie natürlich nicht alles erzählt hat."
Der Gegenspieler der "Kongo"-Protagonistin ist Hauptmann Kosak (Jörg Schüttauf), ein bärbeißiger, sturer Bock, der ihre Arbeit behindert. Er habe die Rolle zunächst anders interpretieren wollen, sagt Schüttauf, aber dramaturgisch profitiere der Film letztlich von der Eindimensionalität dieses Charakters.
Mit etwa einem Dutzend Informanten aus Bundeswehrkreisen haben Granderath und Drehbuchautor Alexander Adolph während der Recherchen geredet. Thema war dabei auch das in Afghanistan praktizierte "Targeting", das gezielte Ausschalten vermeintlich besonders gefährlicher Feinde. Entsprechende Schilderungen "hätte man im Film nicht eins zu eins umsetzen können", sagt Granderath. Wenn man reale Kriegsverbrechen aufgegriffen hätte, "wäre es schwierig gewesen, den Film zu finanzieren". Darüber hinaus wollten die Macher damit der Gefahr vorbeugen, "von der Aktualität überholt" zu werden. Regisseur Peter Keglevic sieht es auch aus einem anderen Grund als vorteilhaft an, keine authentische Geschichte erzählt zu haben: "Weil wir nicht dokumentarisch genau arbeiten müssen, hatten wir einen größeren Spielraum, uns den Seelen der Soldaten zu nähern."
In "Kongo" überlagert das Persönliche das Politische, und das ist nicht unproblematisch, denn im Zusammenhang mit Kriegen gibt es grundsätzlich Gewichtigeres als ausgerechnet die Befindlichkeiten von Soldaten, die solche Kriege erst möglich machen. Bezeichnenderweise hatte einer der wenigen entfernt verwandten Filme einen ähnlichen Schwerpunkt: "Willkommen zuhause", der 2009 in der ARD lief. Im Mittelpunkt stand ein aus Afghanistan zurückgekehrter Soldat, der die Kriegserlebnisse nicht verarbeitet hat.
Legitim ist es dennoch, "Traumatisierungen und Ohnmachtserfahrungen" (Granderath) zu thematisieren, weil sie sich für die Umsetzung in einem Spielfilm besser eignen als machtpolitische und geostrategische Analysen. Granderath hält es für nicht unplausibel, dass im September 2009 die Bombardierung zweier Tanklaster bei Kundus das fatale Resultat solcher "Ohnmachtserfahrungen" gewesen sein könnte. Der Produzent betont aber, dass die Dreharbeiten für "Kongo" zum Zeitpunkt dieses Massakers bereits abgeschlossen gewesen seien.
Weil der Film die Soldaten auch als Opfer sieht und in ihre "Emotionen hineinkriecht" (Keglevic), dürfte der Film bei der Mehrheit der Truppe gut ankommen. Bei einer Podiumsdiskussion in Berlin sagte Ulrich Kirsch, der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, er habe sich erst gefragt, ob "Kongo" ein Anti-Bundeswehr-Film sei, zog aber ein wohlwollendes Fazit. "Positiv überrascht" zeigte sich auch Militärhistoriker und "Kongo"-Berater André Deinhardt.
Besser als erwartet
Eine zusätzliche inhaltliche Ebene bekommt der Film durch die Entscheidung, den Kongo als Ort des Geschehens auszuwählen. Die Demokratische Republik Kongo ist weltweit der Kriegsschauplatz schlechthin, so unschön dieser Superlativ auch klingen mag. Im Osten des Landes toben seit fast zwei Jahrzehnten diverse Kriege und Unterkriege, an denen Armeen und Rebellenorganisationen mehrerer Staaten beteiligt waren, etwa Ruanda und Uganda. Ein aktueller UNO-Report zählt für die Zeit zwischen 1993 und 2003 600 Kriegsverbrechen auf; teilweise handelt es sich um Racheakte für den Völkermord in Ruanda.
Man könne aus dem Kongo "100 irrwitzige Geschichten erzählen", die Situation dort sei "um ein Vielfaches" dramatischer als die in Afghanistan, sagt Christian Granderath. Im Kriegsgebiet zu drehen stand deshalb nie zur Debatte. Deshalb entstand der Film schließlich in Südafrika. Zumindest angerissen wird das Thema Kindersoldaten, ebenso die wirtschaftliche Bedeutung des Kongo. Das Land verfügt über jene Rohstoffe, die für "unsere Handys", wie es einer der Soldaten im Film formuliert, unentbehrlich sind - einer von vielen Gründen für die kriegerischen Auseinandersetzungen.
Wer das reale Geschehen im Hinterkopf hat, könnte dem Film durchaus die Botschaft entnehmen, dass im Kongo eigentlich viel eher ein Bundeswehreinsatz angemessen wäre als anderswo - obwohl dort mit 20.000 Soldaten schon die größte UN-Blauhelm-Mission aktiv ist. "Der Film stellt eine Frage, er gibt keine Antwort", sagt Granderath dazu. "Kongo" sei jedenfalls nicht "der soundsovielte Antikriegsfilm".
Berater Deinhardt, 13 Jahre lang Berufssoldat und nun Hauptmann der Reserve, lobt Granderath und Drehbuchautor Adolph dafür, dass sie "eine einfache Antwort zu dem Sinn solcher Einsätze bewusst verweigern". Hauptdarstellerin Simon sagt dagegen: "Ich frage mich nach wie vor, ob solche Einsätze überhaupt der richtige Weg sind." Sie hat sich auch Gedanken darüber gemacht, ob sie selbst zur Waffe greifen würde. Ausschließen will sie das nicht - wobei sie kein ganz kleines Fass aufmacht: "Die einzige Situation, in der ich mich als Soldatin sehen könnte, wäre a) ohne Kinder und b) in einer Art großer Revolution für mehr Menschlichkeit und weniger Geldmacht."
Schlimmer als Afghanistan
Regisseur Keglevic wiederum kritisiert zwar nicht explizit den Krieg an sich, aber die Umstände: Die Soldaten würden "psychisch unvorbereitet" und "technisch zweitklassig ausgerüstet ins Grauen geschickt". André Deinhardt sieht das anders - fast naturgemäß, denn er hat nicht nur zwei Einsätze in Afghanistan hinter sich, sondern war auch in der "einsatzvorbereitenden Ausbildung" tätig. "Die Ausbildung ist über weite Strecken sehr gut", sagt er. "Man kann die Soldaten aber zwangsläufig nicht auf alle Situationen vorbereiten. Gewalteskalationen kann man in der Ausbildung nur bis zu einem bestimmten Punkt abbilden."
In "Kongo" geht die zentrale "Gewalteskalation" von deutschen Soldaten aus. Der Mord wird am Ende vertuscht. Die Bundeswehr dürfe nicht "als Verlierer dastehen", das Image des Friedensstifters keinen Schaden nehmen, sagt der Oberst der letztlich gescheiterten Heldin Nikki Ziegler. Das ist ein radikales, unversöhnliches Ende, das den Film zusätzlich aufwertet, ist damit doch zur besten Sendezeit normalerweise nicht zu rechnen.
Im besten Fall könnte "Kongo" für eine kleine Trendwende stehen. Granderath und van Endert jedenfalls sehen für Fernsehfilme zum Thema Krieg viel Potenzial. "Die Einstellung der Bevölkerung dazu, dass Deutschland Krieg führt, hat sich verändert", sagt der Redaktionsleiter. "Das ist ein interessantes Thema für einen Spielfilm."
René Martens, taz.de, 16. Oktober 2010
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ZDF schickt Bundeswehrsoldaten in den Kriegseinsatz
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen vollzieht die politisch-militärischen Veränderungen der vergangenen zwanzig Jahre nach: Im Fernsehfilm "Kongo" schickt das ZDF Bundeswehrsoldaten in den Kriegseinsatz.
Photo vom 9.11.2009
v.l. Hauptgefreiter Philipp Althaus (Hannes Wegener), Oberleutnant Nicole Ziegler (Maria Simon), Feldwebel Marco Bogner (David Rott), Hauptmann Heinz Kosak (Jörg Schüttauf), Feldwebel Werner Malinck (Maximilian Brückner). Photo: © ZDF/Kelly Walsh
Ein Militärhubschrauber über sattem Dschungelgrün, dazwischen braun-brackige Flussläufe, die Rotoren der Maschine dröhnen. Im Helikopter sitzen zwei Soldaten, einer davon eine Frau, unterwegs ins Einsatzgebiet: Solche Szenen kennen wir bislang nur aus Hollywoodfilmen, die in Vietnam, Somalia, Afghanistan oder in irgendeinem anderen Kampfgebiet spielen. So beginnt nun auch der ZDF-Film "Kongo" (Montag, 20.15 Uhr), in dem deutsche Bundeswehrsoldaten im tropisch-feuchten Klima schwitzen - und manche auch die Nerven verlieren.
Produzent Christian Granderath von der Firma Teamworx spricht wie selbstverständlich von einem "Kriegsfilm". Das Fernsehen vollzieht die politisch-militärischen Veränderungen der vergangenen zwanzig Jahre nach – so wie schon in dem Spielfilm "Willkommen zu Hause", in dem ein von einem Trauma gequälter Bundeswehrsoldat aus Afghanistan zurückkehrt und nicht wieder ins Zivilleben zurückfindet. Deutsche Soldaten in Krisengebieten: Vieles ist plötzlich möglich. Auch im TV.
In "Kongo" geht Regisseur Peter Keglevic (Drehbuch: Alexander Adolph, "So glücklich war ich noch nie") noch weiter: Hier stehen deutsche Soldaten bald schon unter Verdacht, in ein Kriegsverbrechen verwickelt zu sein. Afghanistan, so sagt Produzent Granderath ganz ohne Arg, habe man in diesem Fall bewusst nicht als Schauplatz gewählt: Man habe befürchtet, von der Realität des Krieges dort überholt zu werden. Auch der zentralafrikanische Staat ist ein plausibler Schauplatz: 2006 begleiteten dort deutsche Soldaten die Wahlen. Gedreht wurde allerdings in Südafrika.
Die Frau im Hubschrauber ist die Feldjägerin Nicole Ziegler (Maria Simon). Sie soll eine Tragödie aufklären. Im Dschungelquartier der Bundeswehrsoldaten, die eine UN-Blauhelmmission unterstützen, hat sich ein junger Soldat eine Kugel in den Kopf geschossen. So scheint es jedenfalls. Depressionen, verursacht durch Malariamittel und familiäre Probleme, befindet Hauptmann Kosak (Jörg Schüttauf) kurz und knapp, der die Besucher eher unwillig empfängt
Kosak will nur eines: Ziegler und ihr Mitarbeiter Werner Malinck (Maximilian Brückner) sollen das Protokoll unterschreiben und wieder verschwinden. Doch dann stößt die hartnäckige Ermittlerin auf ein dubioses Handyvideo des Toten, und plötzlich stellt sich die Situation ganz anders dar: Haben deutsche Soldaten womöglich aus Rache einen Zivilisten hingerichtet?
Die Handlung selbst ist nicht immer plausibel. Warum zum Beispiel hat keiner der verdächtigen Soldaten nach dem Handy gesucht, das die Verdachtsspirale erst in Gang setzt? Alle wussten von der Existenz des Videos. Beeindruckend aber die klaustrophobische Dschungelatmosphäre. Außerhalb des Zauns wartet nicht nur eine von endlosem Bürgerkrieg in dem rohstoffreichen Land zermürbte Bevölkerung auf deutsche Aufbauhilfe, sondern auch eine geisterhafte Armee von Kindersoldaten: Die "Alligator Boys" unter dem Kommando von "Captain Crocodile" morden und plündern.
Die Bundeswehrsoldaten sollen in diesem feindlichen Umfeld helfen – und sind doch Fremde, denen nach jedem Kontakt mit den Einheimischen geraten wird, zum Desinfektionsspray zu greifen. Und wenn die Soldaten eine Schule einrichten, dann ist diese womöglich schon am nächsten Tag wieder verwüstet und die Lehrerin ermordet.
Einige Themen werden zwar eher stichwortartig und nur pflichtschuldig abgearbeitet: die Gier der Industrieländer nach Coltan-Erz für Handys, die mangelhafte Ausrüstung der deutschen Soldaten, die fehlende moralische Unterstützung in Deutschland. Und doch legt Regisseur Keglevic („Der Tanz mit dem Teufel – Die Entführung des Richard Oetker“) ein sehenswertes kriminalistisches Kammerspiel im Dschungelcamp vor, wie es das deutsche Fernsehen bislang noch nicht zustande gebracht hat.
Konsequent auch das Ende: Die alte Erkenntnis, wonach das erste Opfer im Krieg die Wahrheit ist, scheint immer noch zu gelten. Oder schon wieder.
Stefan Stosch, Hannoversche Allgemeine, 17. Oktober 2010
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Kinder, Soldaten, Mörder
Krieg im Krimiformat: Das ZDF zeigt mit "Kongo" einen fiktiven Film über die Belastung der Bundeswehr im Auslandseinsatz. Der Chef des Bundeswehrverbandes ist darüber nicht begeistert.
Der Schrecken des Krieges sieht ein bisschen lächerlich aus. Eine Gruppe bewaffneter Kinder versperrt den beiden Fahrzeugen der Bundeswehr den Weg, sie haben Frauenkleider an, schrille Perücke und komische Mützen. Die Kindersoldaten tragen die Kleider ihrer Opfer wie eine Trophäe, erläutert Hauptmann Kosak (Jörg Schüttauf) dem gerade eingetroffenen Oberleutnant der Feldjäger, Nicole Ziegler (Maria Simon). In einer anderen Szene fahren die deutschen Soldaten durch ein Dorf. Viele Kinder bedrängen das Fahrzeug und betteln, auch das wirkt bedrohlich. Sie sind mordende Feinde und hilfsbedürftige Opfer - für die Soldaten sind Gut und Böse in diesem Krieg schwer auseinanderzuhalten.
Der Film "Kongo" der Grimme-Preisträger Peter Keglevic (Regie) und Alexander Adolph (Buch), den das ZDF am Montag zeigt, ist nicht der erste Versuch, die Bundeswehreinsätze im Ausland als fiktionalen Fernsehstoff zu nutzen. Doch während die SWR-Filme „"illkommen zu Hause" und "Nacht vor Augen" von traumatisierten Heimkehrern erzählten, siedeln das ZDF und die Produktionsfirma Teamworx mit "Kongo" das Geschehen am Einsatzort an - die Perspektive bleibt die gleiche: Die der deutschen Soldaten, die um ihr Leben fürchten, aber nicht erkennen können, dass sie in diesem Krieg etwas ausrichten. Im Camp-Alltag, zwischen Dreck, Ungeziefer und Langeweile, keimen Angst und Ohnmachtsgefühle.
Einer von ihnen hat sich offenbar eine Kugel in den Kopf gejagt. Die Umstände des mutmaßlichen Selbstmords soll nun Oberleutnant Ziegler aufklären. Das Publikum ist der jungen Ermittlerin einen Schritt voraus: Gleich in der ersten Szene erschießt ein Soldat einen wehrlosen Jungen, richtet ihn aus nächster Nähe geradezu hin. Der Chef des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, hat den in Südafrika gedrehten Film deshalb kritisiert. "Kongo" unterstelle, dass es einen solchen Fall auch in der Realität geben könne. Das sei abwegig.
Autor Adolph, der zur Recherche Interviews mit Soldaten führte, behauptet nicht, sich auf ein reales Vorkommnis zu beziehen. "Kongo" will auf die enorme Belastung bei Auslandseinsätzen aufmerksam machen, greift allerdings auch auf die klassische These des Anti-Kriegsfilms zurück, die lautet: Der Krieg kehrt die schlimmsten Seiten des Menschen hervor. Im Extremfall werden selbst aus Kindern und aus gutwilligen Soldaten einer Schutztruppe Mörder.
Keine der Soldatenfiguren bleibt hier auf gängige Klischees beschränkt. Macho-Hauptmann Kosak fährt der unbeirrbaren Ziegler zwar fortwährend in die Parade, doch seine Motive sind keineswegs bösartig und sogar nachvollziehbar. Götz Schubert gibt den sanften Kommandeur. Hinzu kommen David Rott als vermeintlich schießwütiger Feldwebel und Maximilian Brückner als Zieglers Assistent, der großspurig daherredet und dabei schnell an seine Grenzen gerät. Die tragende Säule des Films ist aber Maria Simon ("Goodbye Lenin", "Lichter"), die ihrer Figur viele Facetten verleiht, auch genau das richtige Maß an dezenter Weiblichkeit im schweißtreibenden Dschungel.
Man könnte fragen, warum man einen solchen Stoff unbedingt als Krimi erzählen muss, in einem Genre also, bei dem in Deutschland beinahe jedes gesellschaftlich relevante Thema landet, jedenfalls in der Primetime. Doch "Kongo" hat zu Recht Vorschusslorbeeren erhalten und wurde auf dem Münchner Filmfest ausgezeichnet. Der Film ist spannend, verzichtet auf hölzerne Statements in den Dialogen und explizite Gewaltdarstellungen. Und obwohl die wenigen Rollen der Einheimischen ziemlich blass bleiben, gibt "Kongo" eine Ahnung von den unerträglichen Zuständen in dem für westliche Medien weitgehend unzugänglichen zentralafrikanischen Land.
Thomas Gehringer, Der Tagesspiegel, 17. Oktober 2010
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Frau Feldjäger
'Kongo' - Ein Film über Auslandseinsätze der Bundeswehr
Wenn an diesem Montagabend Kongo im ZDF läuft, sind damit zwei Besonderheiten verbunden. Zum einen hofft Christian Granderath, dass der Film erfolgreich beim Publikum abschneidet, denn Granderath hat Kongo als Produzent (Teamworx) begleitet. Inzwischen ist der 51-Jährige allerdings bei der ARD angestellt, als Spielfilmchef des Norddeutschen Rundfunks (NDR). Er wünscht also der Konkurrenz das Beste.
Zum anderen thematisiert Kongo etwas, von dem Produktionsfirmen und Sender bisher überwiegend Abstand nahmen. Es geht um Auslandseinsätze der Bundeswehr, es geht um Deutsche, die in Krisengebieten Krieg führen. "Seit acht Jahren", sagt Granderath, "sind Bundeswehrsoldaten in Afghanistan im Einsatz" - und damit länger, als der zweite Weltkrieg dauerte. Immer werde behauptet: In Afghanistan sei kein Krieg. Doch was die Soldaten erlebten, sei Krieg.
Eine Kriegsgeschichte in Afghanistan anzusiedeln, hätte der Produzent Granderath wohl bei keinem Sender durchbekommen. So fiel die Wahl auf den Kongo, wo seit mehr als zehn Jahren Bürgerkrieg ist. Der Film, die Fiktion, handelt von einer deutschen Truppeneinheit, die im Kongo an einem ein Kriegsverbrechen beteiligt ist. Ein energischer Oberstleutnant reist zunächst an, um den Selbstmord eines deutschen Soldaten aufzuklären. Dass der Feldjäger eine Frau ist (Maria Simon), dient dem Spannungsbogen. Nebenbei kann zwischen ihr und dem ranghöchsten Offizier der deutschen Kongo-Einheit (Götz Schubert) eine emotionale Kontroverse inszeniert werden, in der keiner der eindeutig Gute oder eindeutig Schlechte ist.
Peter Keglevic führte Regie in dem guten Film, der moralische Standpunkte gegen die Grausamkeiten eines Bürgerkrieges setzt. Granderath sagt, die Herausforderung sei gewesen, Kongo in Südafrika zu drehen, was allen, die Afrika besser kennen, vermutlich auch auffällt. Und der Produzent brauchte Darsteller, die sich mit dem Thema identifizieren, also Simon und Schubert, dazu Jörg Schüttauf, auch Maximilian Brückner. Das Ensemble passt, das Spiel ist präzise, man kann sich vorstellen, was Soldaten bei Auslandseinsätzen bewältigen müssen, wie schwer es ist, richtig oder falsch zu handeln im Kampf.
Sie müssen erst nachdenken
Vor zwei Wochen gab es im ZDF-Hauptstadtstudio eine Diskussion zu Kongo, an der Ulrich Kirsch, der Bundesvorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes im Range eines Oberst, und der frühere Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe, teilnahmen. Die Herren, so schildert es Granderath, hätten hinterher das "größte Kompliment für uns alle" ausgesprochen. Auf die Frage, was sie zum Film zu sagen hätten, sollen die Herren sinngemäß geantwortet haben: Das könnten sie noch nicht ausdrücken. Sie müssten erst nachdenken, ob Kongo für oder gegen die Bundeswehr Position beziehe. Kirsch hält es dabei offenbar für abwegig, dass der konstruierte Fall des Film so in der Realität anzutreffen sei.
Aus Sicht derer, die Kongo gemacht haben, mag das Pro oder Contra wichtig sein. Für den Zuschauer ist wichtig, dass er auch mit diesem Thema unterhalten wird. Und das wird er.
Christopher Keil, Süddeutsche Zeitung, 18. Oktober 2010
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Wer Krieger als Helden bezeichnet, sollte "Kongo" sehen - Das TV-Drama zeichnet ein verstörendes Bild vom Leben als Soldat
Ist Krieg immer so wie im Kino? Nein! In US-amerikanischen Kinofilmen werden Kriege immer mit theatralischem Getöse in Szene gesetzt und Soldaten wie Helden gefeiert. Doch Soldaten sind keine Helden, sagt Peter Keglevic. Daher hat der Regisseur den Film "Kongo" gedreht. Das Werk läuft Montag (18.10.) um 20.15 Uhr im ZDF und handelt von einem fiktiven Kriegseinsatz der Bundeswehr.
Oberleutnant Nicole Ziegler (stark: Maria Simon), muss im Ostkongo den Selbstmord eines deutschen Soldaten aufklären. Seine Einheit unterstützt die UN-Friedens-Mission.
Doch von Frieden kann keine Rede sein. Die Einheimischen stehen den Soldaten mit viel Skepsis gegenüber. Denn die sind mit der chaotischen Situation im Land offenbar völlig überfordert. Was sich auch auf die Moral der Truppe auswirkt, wie Nicole feststellt...
"Es muss Filme geben, die sich mit den verletzten Seelen der Kriegsteilnehmer beschäftigen", so Regisseur Keglevic. Denn die Öffentlichkeit nehme kaum Notiz von ihnen. Dieser Film ist merkwürdig, er ist anders. Gerade deshalb ist es gut, dass es ihn gibt. Denn er handelt nicht von heroischen Blut-Schlachten und Männergehabe. Er lässt erahnen, dass die Kriegs-Wirklichkeit weitaus verstörender sein muss.
TRE, Berliner Kurier, 18. Oktober 2010
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Schwarz-Rot-Gold in grüner Hölle
Das ZDF wagt sich in den Dschungelkrieg: Der Militärthriller "Kongo" erzählt von einer Mission deutscher Soldaten in Zentralafrika, bei dem es zum Mord an Zivilisten kommt - ein fiktives Szenario, das aber klug und spannend die Risiken deutscher Auslandseinsätze thematisiert.
Bei einer Gala im deutschen Fernsehen wurde ordentlich gespendet, damit die Schule errichtet werden konnte. Doch jetzt steht sie verwaist im ostkongolesischen Dschungel, das karge Mobiliar verbrannt, an der Wand Blutspuren. Die 60 Jungen und Mädchen, die hier zuvor unterrichtet wurden, hat man ermordet oder verschleppt, um sie zu Kindersoldaten zu machen. Davon hat das deutsche Fernsehen allerdings nicht berichtet.
Nun steht Nicole Ziegler (Maria Simon), Oberleutnant bei den Feldjägern, vor dem Gebäude. Sie wurde in den Ost-Kongo gesandt, um den Tod eines Bundeswehrsoldaten aufzuklären. Dessen Kameraden haben sie zur Schulruine gefahren, um ihr das tägliche Grauen zu zeigen, mit dem sie konfrontiert sind. Dieser Dauerhorror lässt es plausibel erscheinen, dass sich der Soldat umgebracht hat.
Doch die Feldjägerin beschleichen Zweifel an der Suizidthese - war es doch Mord? Bald findet sie auf dem Handy des Toten ein Filmchen, auf dem zu sehen ist, wie ein Soldat aus nächster Nähe einen wehrlosen schwarzen Jungen erschießt.
Die Bundeswehr, verstrickt in Kriegsverbrechen: Ein denkbar heikles Thema haben die Macher des ZDF-Films "Kongo" (Montag, 20.15 Uhr) mit ihrem Militärthriller angepackt - und dabei alles richtig gemacht. Die beschriebene Bundeswehrmission ist fiktiv, die Kulisse und die politischen Umstände aber könnten nicht realistischer sein.
2006 wurden unter dem Kommando der European Union Force (Eufor) schon einmal deutsche Soldaten zu einem knapp halbjährigen Einsatz in den Kongo geschickt; damals wurden sie den Einsatzberichten zufolge nicht mit Kindersoldaten konfrontiert. Eine weitere Mission von Bundeswehrkontingenten unter Uno-Mandat in der Region ist zumindest vorstellbar - und würde unter Umständen das Vorgehen gegen die minderjährigen Schergen skrupelloser Warlords beinhalten.
"Kongo" greift diese Gefahr auf: In einer Szene sieht man, wie johlende Kinder vor der deutschen Festung die Dämpfe von brennendem Plastik einatmen, um sich high für den Kampf mit der Machete zu machen. In einer anderen Szene sieht man einheimische Zivilisten durchs Zielfernrohr eines deutschen Soldaten, der der frisch aus Deutschland eingetroffenen Feldjägerin demonstrieren will, dass hier potentiell jeder Junge ein Gegner ist. Aber wie bekämpft man einen Feind, der oft nicht von der Bevölkerung zu unterscheiden ist, die es zu schützen gilt?
Es geht nicht um pro oder contra Auslandseinsätze
Bei dem Szenario samt den dazugehörigen möglichen schuldhaften Verstrickungen der Bundeswehr kommt einem als Zuschauer unweigerlich der Angriff auf die Tanklaster in Kunduz in den Sinn, bei dem am 4. September 2009 zahlreiche Menschen ums Leben kamen und der unter Verantwortung der deutschen Isaf-Einheit geschah. Müssen zwangsläufig Unschuldige sterben, wenn man in Krisengebieten mit unübersichtlichen Grenzverläufen zwischen Freund und Feind operiert?
Der Film aus der Produktionsschmiede Teamworx ( "Mogadischu") formuliert die Frage aus, wie ein demokratischer Staat in einer kaum kontrollierbaren Kriegsregion für Kontrolle sorgen kann, hier in einer nervenzehrenden Dschungelrecherche. "Kongo" ist kein Beitrag pro oder contra Auslandseinsätze der Bundeswehr geworden, aber er konfrontiert rigoros mit den Unwägbarkeiten solcher Einsätze.
Teamworx-Produzent Christian Granderath (seit September Fernsehspielchef beim NDR), Drehbuchautor Alexander Adolph (arbeitet gerade an dem Neuentwurf des Frankfurter "Tatorts") und Regisseur Peter Keglevic ("Blackout - die Erinnerung ist tödlich") setzen dafür auf einen schlichten Handlungsort zwischen schwarz-rot-goldenem Basislager und grüner Hölle, fahren gleichzeitig eine durchaus doppelbödige Figurenzeichnung auf. Denn die Soldaten mögen auf den ersten Blick zwar wie gängige Bundeswehrfolklore wirken, offenbaren dann aber über ihr Handeln unterschiedliche Perspektiven aufs Geschehen.
Da ist zum Beispiel Oberst Lonsky (Götz Schubert), der als denkender und fühlender Militarist auftritt. Er erzählt der jungen Feldjägerin von seinen Reisen durch Indien und zitiert humanistische Aphorismen - verweist aber bei ihren unbequemen Fragen auf die Besonderheit der Situation im Kongo. Hauptmann Kosak (Jörg Schüttauf) indes ist der Inbegriff eines harten Knochens, der seine Untergebenen als Schutzbefohlene gegen alle Anwürfe verteidigt und die junge Ermittlerin stur abkanzelt. Man muss seine Haltung nicht teilen - zynisch erscheint sie keineswegs. Seine Jungs sollen überleben, nur das zählt. Kommen Sie so einem mal mit demokratischen Spielregeln!
Der erste deutsche Vietnam-Film?
In einer Szene sehen wir diesen Hauptmann Kosak beim Verwundetentransport unter Aufwendung letzter Kräfte durch den Busch rennen wie einst Willem Dafoe in "Platoon". Wenn man will, ist "Kongo" der erste deutsche Vietnam-Film geworden: Beim gerechten Einsatz im grünen Dickicht des Kongos, so die pessimistische Sichtweise, scheint der Humanismus ebenso unter die Räder zu kommen wie ehedem beim antikommunistischen Stellungskrieg in Südostasien.
Damit trauen sich die Macher weit vor. Bislang wurden deutsche Auslandseinsätze - von einigen wenigen misslungenen Kinobeispielen wie dem Kosovo-Krimi "Mörderischer Frieden" aus dem Jahr 2007 abgesehen - meist über Heimkehrer-Dramen verhandelt. Etwa über das redliche Psychogramm "Willkommen zuhause" (2008) oder den zutiefst verstörenden Krimi "Bloch: Tod eines Freundes" (2009).
Von den posttraumatischen Belastungsstörungen geht es in "Kongo" nun in die Gegenwart eines Krieges. Dass die beschriebenen Verwicklungen des deutschen Militärs fiktiv sind, nimmt dem Film nicht seine Brisanz. So weit weg die Massaker im Busch für den deutschen Fernsehzuschauer erscheinen mögen, so geschmeidig und unauflöslich haben die Filmemacher sie mit unseren eigenen gesellschaftspolitischen Belangen verknüpft. Die kongolesische Dolmetscherin der Feldjägerin (Florence Kasumba) etwa ist eine aus Deutschland ausgewiesene Asylsuchende, die jahrelange in einer Flüchtlingsunterkunft in Köln gelebt hat - was ein düsteres Schlaglicht auf die deutsche Einwanderungsdebatte wirft.
Und in kleinen bitteren Exkursen wird der Rohstoffreichtum des Kongos beschrieben, der das Land zu einer bedeutsamen Region für die Industrieländer macht. Die meisten hierzulande benutzten Handys werden zum Beispiel mit Coltan aus zentralafrikanischen Minen hergestellt.
Auch das ist eine düstere Lesart dieses doppelbödigen, streckenweise durchaus prophetischen Dschungelthrillers: Wenn zurzeit am Hindukusch die Freiheit Deutschlands verteidigt wird, kämpft man am Kongo möglicherweise bald für die bundesrepublikanische Kommunikationsgesellschaft.
Christian Buß, Spiegel, 18. Oktober 2010
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Früchte des Krieges
Die Auslandseinsätze der Bundeswehr haben in jüngster Zeit einige Filmemacher zu TV-Dramen inspiriert, meist ging es um traumatische Erfahrungen, die deutsche Soldaten in Afghanistan machen. In diesem Film von Regisseur Peter Keglevic waren Uniformträger mal nicht die Opfer, sondern Täter.
Es ging um ein Kriegsverbrechen, das deutsche Soldaten bei einem - wohlgemerkt fiktiven - Auslandseinsatz im Kongo verübten und das am Schluss dieses spannenden und mit unheimlicher Dschungelatmosphäre aufgeladenen Spielfilms eiskalt unter den Teppich gekehrt wurde. Sehr zum Entsetzen der Feldjägerin Nicole Ziegler (Maria Simon), die sich um Aufklärung bemühte, am Ende aber feststellen musste, dass politische Interessen höher bewertet wurden als Gerechtigkeit. Größte Stärke des wie ein Krimi aufgebauten Lehrstücks, in dem Jörg Schüttauf einen Offizier spielte, der sich bedingungslos vor seine Männer stellte: Es zeigte an einem ausgedachten Fall, wie aus einer explosiven Mischung aus Hass, Angst, Wut und Sinnlosigkeit nackte Gewalt und skrupelloser Mord entstehen können - die unvermeidlichen Früchte des Krieges.
Berliner Morgenpost, 19. Oktober 2010
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"Kongo" - Spontan spürt man: Ein fürchterlicher Film! Der Kriminalfilm um einen fiktiven Auslandseinsatz der Bundeswehr in Afrika stürzt uns in totale Hilflosigkeit gegenüber einer verrohten Bürgerkriegs-Soldateska, wie man sie (mit erpressten Kindersoldaten und rabiaten Stammeskriegern) aus Afrika kennt. Also nur ein böser Thriller, den man sich wie einen x-beliebigen Actionreißer hineinzieht? Derlei taugt nicht zur Unterhaltung!
Der Ffilm stellt Überlebensfragen für Eingreiftruppen. Wie sich heraushalten aus dem Hass, aus archaischen Sadismen, niederen Instinkten, Motiven der Habgier, der hemmungslosen Feindbild-Wut? Der Film (Buch: Alexander Adolph, Regie: Peter Keglevic) ist eindrucksvoll, mit überzeugenden Darstellern packend gemacht - und lässt einen ratlos zurück.
Ponkie, AZ München, Druckausgabe, 19. Oktober 2010
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"Kongo" - Afghanistan in Afrika
Gefährdete oder gefährliche Helfer? Das Drama "Kongo" zeigt eindringlich die Problematik von Auslandseinsätzen der Bundeswehr auf.
Ein Jeep, der über eine Sandpiste durch ein kongolesisches Dorf rumpelt. Drinnen vier Bundeswehrsoldaten mit Schutzwesten, Helmen und ausreichend Munition in den Maschinenpistolen. Einer von ihnen reicht Desinfektionssprays nach hinten mit der Warnung, nicht auszusteigen, und wenn doch, dann nichts anzufassen. Als wäre das, was außerhalb des Jeeps lauert, lediglich ein hygienisches Problem.
Der ganz normale Suizid
Eine Szene, die kurz ist und doch symbolhaft für die Haltung der Soldaten, die in der ZDF-Produktion "Kongo" für einen fiktiven Auslandseinsatz im Ostkongo sind. Einer von ihnen, Rene Wenz, soll sich erschossen haben. Selbstmord, nichts Außergewöhnliches. Dennoch soll Oberleutnant Nicole Ziegler (Maria Simon) gemeinsam mit Kollege Werner Malinck den Tod aufklären. Soldatin Ziegler ist hartnäckig, sie stößt schon bald auf erste Ungereimtheiten: Ein Video auf Wenz' Handy zeigt, wie ein Soldat einen wehrlosen kongolesischen Jungen erschießt. Wusste Wenz einfach zu viel?
Ein Krimi, aber nur vordergründig. "Kongo" ist mehr als die Suche nach einem Mörder. Der Film stellt - anspielend auf den Auslandseinsatz der Deutschen in Afghanistan - die Frage nach den Erfolgschancen und damit nach dem Sinn solcher Himmelfahrtskommandos. Was kann dabei herauskommen, wenn sich die Helfer hinter Stacheldraht verschanzen und deutsche Schäferhunde davor patrouillieren lassen? Wenn sie Schulen aufbauen, die kurz darauf von marodierenden Truppen zerstört werden? Wenn das Volk lieber mit den Rebellen paktiert, weil die noch da sein werden, wenn die ausländischen Helfer längst wieder abgereist sind?
Bewaffnete Zuckerbretzeln
Angst beherrscht all diejenigen, die gekommen sind, um Stärke und Sicherheit zu symbolisieren. "Wir sind doch Soldaten und keine Zuckerbretzeln", tönt Malinck (großartig großspurig: Maximilian Brückner), bevor er bei der ersten nächtlichen Gefahrensituation psychisch zerbröselt. Die Angst der deutschen Soldaten ist greifbar, sie löst sich in Maschinengewehrsalven, die ziellos in den Urwald gefeuert werden.
Auch von den Häuptlingen ist keine Hilfe zu erwarten. Oberst Lonsky (Götz Schubert) sichert Nicole Ziegler seine Hilfe zu, während er von einer Romanze mit ihr in friedlicheren Zeiten träumt. Und fällt ihr in den Rücken, als es drauf ankommt. Hauptmann Kosak (beinhart: Jörg Schüttauf) blockiert Zieglers Untersuchung, doch als sie in Not ist, rettet er sie. Gut und böse sind wie im wahren Leben nicht sauber aufgeteilt, sondern überall in gleichem Maße vorhanden.
Eindringlicher kann es auch eine Doku über Afghanistan nicht sagen: Ob es sich um die grell gewandeten Kindersoldaten des ominösen "Captain Crocodile" handelt oder um real existierende Taliban - mit Hygienespray, Maschinenpistolen und gutem Willen allein sind sie nicht zu besiegen.
Beate Strobel, Focus, 19. Oktober 2010

Maximilian Brückner (Werner Malinck) - Maria Simon (Nicole Ziegler)
Photo: © ZDF/Kelly Walsh
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Seite erstellt im Oktober 2010 von EFi 
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