Wer
ist
eigentlich dieser Christian Stückl?
Der Weltdorf-Theatermacher Christian Stückl hat vui zvui Gfui - aber das Münchner Volkstheater hat er damit aus der Nische und in die weite Welt geführt Christian
Stückl
ist ein sehr intensiver Mensch, das merkt man schon an der
Art, wie er raucht. Er zieht nicht nur an der Zigarette, er
saugt daran, manchmal mit einem so zischenden
Inhalationsgeräusch, daß man den Lungenzug hört. Ungefähr so
muß man sich den bayerischen Lockenkopf auch als Theaterleiter
und Regisseur vorstellen: gierig alles auf- und in sich
hineinsaugend, brennend, hingebungsvoll, unbedingt. Der
Kettenraucher Stückl ist einer, der so arbeitet, wie er lebt:
auf Lunge. Gesund ist das nicht, es hat ihn im letzten Jahr
sogar die Galle gekostet, aber was ist in diesem Leben schon
gesund? Das Theater ganz sicher nicht, weil das per se schon
ein Virus ist.
mmmMit den Riederingern auf der Bayern-Schiene Die Markierung, die "Radikal jung" auf der einen Seite des Spektrums setzt, bildet auf der anderen "Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben", Kurt Wilhelms Kultstück vom Nicht-Sterben-Wollen eines bayerischen Schlitzohrs, das den Tod glaslweise mit Kerschgeist (vulgo Schnaps) abfüllt und ihm beim Kartenspiel 18 satte Lebensjahre abluchst, um am Ende doch noch ins katholische Bajuwaren-Paradies zu gelangen. Eine Art bayerischer "Jedermann". 25 Jahre lang stand er seit 1975 in Kurt Wilhelms Ur-Inszenierung am Bayerischen Staatsschauspiel auf dem Programm. In Stückls Neuinszenierung von 2005 erscheint er frischer, grüabiger und kultiger denn je, und wer bis jetzt kein Fan von ihm war, muss schon ein steinhartes Preußenherz haben, um nicht endgültig dazu bekehrt zu werden. Die Aufführung mit Alexander Duda in der Titelrolle und dem jungen Maximilian Brückner als Boandlkramer (hochdeutsch: Tod) ist am Volkstheater der absolute Publikumsrenner. Sämtliche Vorstellungen sind immer schon am ersten Vorverkaufstag für den nächsten Monat ausverkauft. Die Leute kommen aus dem Chiemgau und mit Bussen aus ganz Oberbayern angereist, gerne im Dirndl und im Lederhosen-Look. Stückl gelingt genau die richtige Balance zwischen handfestem Komödienstadel und einer satirisch grell belichteten Gaudiburschen-Revue, zwischen krachertem Bauern- und barockem Welttheater. Die Waldszenen spielen vor einer fotorealistischen Baumstammkulisse, die Sauf- und Raufszenen in einer graugrünen Bauernstubenschachtel, die auch des Brandners Wohnstube ist, und das Entree zum Paradies ist auf Alu Walters herrlicher Bühne ein mit allerhand Kirchen- und Aktenkrempel vollgestopfter Hochaltar, an dem eine geschwungene Freitreppe hinauf zur Himmelspforte führt. Die Schauspieler, am Volkstheater oft von schwankender Qualität, sind im "Brandner" alle gut, und dass hier die Riederinger Musikanten in knappen Lendenschurzen als halbnackerte Engel posieren, sich dabei als rotzfreche Bengel gerieren und nicht zuletzt einen Schwulenhimmel zitieren, ist ein göttlicher Coup. Noch nie waren sie so saukomisch wie hier, wo ihnen die Weißwürste ("sausicios albos") schon mal im Mund stecken bleiben. Wie Stückl die fidelen Musikanten als Figuren integriert und all die Jäger, Wilderer und Preußen in Gruppen arrangiert, ist große Operette - das kann er einfach, nicht umsonst ist er Passions-Regisseur. Geplant war dieser Erfolg nicht. Dass Stückl den "Brandner Kaspar" überhaupt inszeniert hat und 2003 auch schon die von Martin Sperr dramatisierte Geschichte vom "Räuber Kneißl" und in seiner ersten Spielzeit, gleich nach Shakespeare's "Titus Andronicus", den Bayern-Klassiker "Die Geierwally" von Wilhelmine von Hillern, liegt an einer Truppe junger bayerischer Volksmusiker, die Stückl 2001 in Riedering, Landkreis Rosenheim, kennenlernte. Maximilian Brückner, damals noch Schauspielstudent, hatte seinen Sommerkurs-Dozenten Stückl in sein Heimatstädtchen mitgenommen, wo er mit seinen Leuten ein Stück von Ludwig Thoma aufführte. Damals sah Stückl sie zum ersten Mal: einen Haufen Burschen samt ein paar Madln mit Posaunen, Flügelhörnern und Trompeten, allesamt großartige Volksmusik-Talente, als Kinderblasmusikensemble aufgebaut vom Staber Josef Anfang der neunziger Jahre - eine Eigeninitiative dreier Riederinger Familien, darunter die vom Brückner Maxi und seinen sieben Geschwistern. Wie lustvoll die aufgespielt haben! "Mit so hinpappte Hoor!" Stückl blitzt noch heute die Begeisterung aus den Augen, wenn er von dieser ersten Begegnung erzählt. Damals habe er sich gedacht: "Wos is'n des für a Bande? Die muss i hom!" Einen Teil der Truppe, die ganz Jungen, hat er 2002 gleich in seinen "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen integriert. Und am Volkstheater baute er den jungen Blasmusikanten zuliebe dann doch eine klassische Bayern-Schiene ins Programm, angefangen mit der "Geierwally", die Stückl sozusagen um die Riederinger als musizierendes Stammtischvolk heruminszenierte - mit einer fulminanten Brigitte Hobmeier im Zentrum, die damals in ihrer ersten großen Rolle glänzte: nicht als zünftiges Dirndl von der Alm, sondern als eiskalte Domina am Rande des Abgrunds. Trendsetter Volkstheater oder: das Kerschgeist-Wunder Die "Geierwally" war ein Riesenerfolg, die bisher zweitbest besuchte Aufführung der Stückl-Intendanz, getoppt nur vom "Brandner Kaspar". Davon beflügelt, setzte Stückl beim "Räuber Kneißl" auf dasselbe Rezept: Blasmusikeinlagen der Riederinger und im Zentrum eine legendäre bayerische Figur, der Volksheld Mathias Kneißl, der schon zu Lebzeiten als 'bayerischer Robin Hood' gefeiert wurde. Maximilian Brückner spielte ihn so überzeugend als einen armen Hund, der aus reiner Not zum Räuber wird, dass er diese Rolle jetzt gleich noch mal übernimmt: in der Verfilmung des Stoffes durch den Regisseur Marcus H. Rosenmüller ("Wer früher stirbt, ist länger tot"). Das Bayerische ist derzeit ja schwer im Kommen, und so wundert es nicht, dass Joseph Vilsmaier gerade den "Brandner Kaspar" fürs Kino verfilmt - mit Franz Xaver Kroetz in der Titelrolle und Michael 'Bully' Herbig als Boandlkramer. Da sage noch einer, Christian Stückl setze mit seinem Volkstheater keine Trends! Die Begeisterung, die die Aufführung jedes Mal auslöst, hat ob des respektlosen Umgangs mit Glauben und Religion eines Abends auch Dionino Colaneri erfasst, den Rio-Chef der brasilianischen Kultur- und Volksbildungsorganisation Sesc, der daraufhin beschloss, die Inszenierung nach Rio de Janeiro einzuladen. Anfangs hat niemand daran geglaubt, doch im November 2006 gastierte der "Brandner Kaspar" tatsächlich in der brasilianischen Millionenstadt: in Original-Bairisch mit portugiesischer Übertitelung. Der Text wurde zuvor eigens ins Hochdeutsche übertragen, um ihn von dort in die Landessprache zu übersetzen. Der Film "Bayernhimmel überm Zuckerhut - Der Brandner Kaspar in Rio", den Petra Wiegers für das Bayerische Fernsehen gedreht hat, dokumentiert sehr schön die Kuriosität und den Erfolg dieser Unternehmung. Da sieht man die Riederinger Musikanten mit ihren Blechinstrumenten in Lederhosen an der Copacabana und schuhplattelnd auf dem Zuckerhut. Dass der "Brandner" weit jenseits des Weißwurstäquators in Rio funktioniert, ist entweder ein großes Kerschgeist-Wunder oder aber der letztgültige Beweis dafür, dass das Bajuwarentum Stücklscher Prägung ein völkerverbindendes Exportgut der Lebensfreude ist. In seinem nächsten Projekt mit den Riederingern will Stückl das Bayerische nun aber wirklich nicht mehr bedienen, sondern sich in einer Textcollage rund um Siegfried und andere Helden in die deutsche Sagenwelt begeben. Aber es wäre ja wohl gelacht, wenn nicht auch in Siegfried ein waschechter Oberbayer steckte. aus: Theater Heute, Januar 2008 Geworden ist es dann aber Henrik Ibsen's "Peer Gynt", in der beinahe hochdeutschen Textbearbeitung von Christian Stückl und Maximilian Brückner. Norwegen liegt halt doch irgendwie in der Nähe von Riedering ... Premiere war am 25. März 2008. ~
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Bühne des Volkstheaters am 'Tag der offenen Tür' am
4. Juli 2009. Die Beleuchtung ist eingerichtet für den
"Brandner Kaspar" am nächsten Abend.
Anklicken zum Vergrössern. Photos: EFi ~ ~ ~ ~ ~ Das
Volkstheater ist eine der aufregendsten Bühnen Münchens.
Seit dem Amtsantritt des Intendanten Christian Stückl 2002 hat sich das Haus in der Brienner Straße ein modernes Profil verschafft. Junge Regisseure erhalten hier die Chance, ihre Werke zu inszenieren. Auch wenn heute noch Klassiker wie Büchner, Goethe, Brecht oder Shakespeare im Fokus stehen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Lesungen und Konzerten, die das Programm des Volkstheaters abrunden. Große Beachtung findet auch das 2005 ins Leben gerufene und im Volkstheater stattfindende „Radikal jung - Das Festival junger Regisseure“. Das jährliche Event bietet Nachwuchsregisseuren ein Forum, um ihre Arbeit einem größeren Publikum vorzustellen. Das Volkstheater wurde in seiner heutigen Form im Jahr 1983 eröffnet und bietet Platz für 609 Besucher. Neben der großen Bühne hat das Haus im 1. Stock eine zweite Spielstätte, in der 120 Besucher Platz finden. Viele Veranstaltungen, vor allem Konzerte und Kabarettauftritte, gibt es im Foyer des Hauses. Derzeit befindet sich das Haus in der Brienner Straße, doch im Jahr 2020 muss das Volkstheater aus der früheren Sporthalle wegen eines zu hohen Sanierungsaufwands ausziehen. Quelle: münchen.de, das offizielle Stadtportal Münchens
"Christian Stückl: Passion,
Theater, Mensch" - Ein Portrait von Regisseur Christian
Stückl und seine letzten Arbeiten
Es gibt Ausschnitte aus "Baumeister Solness" und den Proben dazu, einen Kommentar von Maximilian Brückner über seinen Regisseur und den Maxi in der Maske. Ausserdem erzählen Freunde und Kollegen über Christian Stückl und zum Schluß gibt es noch Probenausschnitte aus der Oper "Der fliegende Holländer" von Richard Wagner, die er für den heurigen Oberammergauer Theatersommer inszeniert hat. Video, Sat1 Bayern, 8.7.2017 (24 Minuten)
"Adieu, altes Haus!" Abschied vom Münchner Volkstheater - aus den Erinnerungen der tz-Kollegen Morgen Sonntag, 20. Juni 2021 fällt mit "Macbeth" der letzte Vorhang über die Ära des Münchner Volkstheaters an der Brienner Strasse 50. Im Sommer zieht Intendant Christian Stückl samt Team an die Tumblingerstraße. Eröffnet wird das neue Haus dort am 15. Oktober 2021. "Der Chef als Kirchenfürst" - Christian Stückl sprang 2007 als Kirchenfürst in seiner eigenen Produktion von Schillers "Don Karlos" ein. Der Abend stand für vieles: Für eine in engster Verbundenheit lebende Theaterfamilie, bei der Papa sich notfalls selbst ins Geschehen wirft. Für einen Mann, dessen kritisch-lodernde Religiosität sich nicht mit den Orthodoxen deckt. Und für einen Intendanten, der so spielwütig ist, dass er am liebsten noch die Requisiten selbst darstellen würde. Markus Thiel, Musikredakteur. Aus: tz München, 19./20.6.2021, Druckausgabe S. 25, Kultur & TV Die Inszenierung von "Don Karlos" habe ich gesehen, aber mit der regulären Besetzung, dafür habe ich Christian Stückl 2011 in der Hauptrolle des 'Peachum' in seiner Inszenierung von Brechts "Dreigroschenoper", und 2019 als 'Portner' im "Brandner Kaspar und das ewig' Leben" erleben dürfen. Zum Niederknien 😃 EFi Christian Stückls schwerstes Stück: Umzug der Superlative in München – nach jahrelanger Arbeit öffnen sich bald über 600 Türen beim Münchner Volkstheater Kisten packen, Kartons schleppen, Chaos ertragen und ja nicht den Überblick verlieren. Jeder, der schon mal einen Umzug mitgemacht hat, weiß, wie anstrengend so ein Ortswechsel ist. Wie groß muss dann erst der Aufwand sein, wenn ein ganzes Theater umzieht? Christian Stückl, Chef des Volkstheaters, wuppt genau so einen Umzug derzeit – und wirkt dabei noch ganz entspannt. Theater um die Theaterumsiedelung? Bloß nicht – auch wenn das Unterfangen riesig ist, heißt es: den Überblick behalten! „Das geht schon“, sagt Carsten Lück. Beim Technik-Chef des Volkstheaters laufen seit sechs Jahren alle Fäden in Sachen Neubau zusammen. Bei ihm – wie auch bei Stückl – ist die Freude über das Geschaffte und vor allem die Vorfreude auf das neue Domizil spürbar groß. Am 15. Oktober steht die Eröffnung an der Tumblingerstraße im Herzen Münchens* an. Am alten Standort an der Brienner Straße werden derweil noch Umzugskisten gepackt. Die Requisite räumt als Letztes ihre unzähligen Utensilien und Kostüme zusammen. Extrem wichtig ist, die Kisten detailliert zu beschriften. Damit im neuen Theater alles an die richtige Stelle kommt. „Wir können endlich alles an einem Standort unterbringen“, sagt Stückl erleichtert, als er neben den Kartons mit der Garderobe vom Erfolgsstück Brandner Kaspar steht. Klar, die 38 Jahre an der Brienner Straße will keiner missen. Auch wenn dort alles ein bisschen komplizierter war. „Wir hatten Probebühnen am Nordbad und in der Zenettistraße. Unsere Bühnenbilder befanden sich in der Stadt verteilt in Containern. Pro Aufführung mussten wir immense Lieferwege auf uns nehmen“, erklärt der 59-jährige Oberammergauer. Im Neubau mit der roten Ziegelfassade, die sich gut ins Schlachthof-viertel einfügt, ist in den vergangenen drei Jahren das modernste Theater Deutschlands entstanden. Herzstück: die Hauptbühne mit dem fast 30 Meter hohen Turm, der sich vom Keller über neun Stockwerke erstreckt. „Im Moment arbeiten wir noch an der Bühnentechnik“, sagt Stückl. Und das Leuchten in seinen Augen lässt erahnen, wie sehr die Konstruktion ein Traum für jeden Regisseur ist. Neben und hinter der Hauptbühne befindet sich je ein Seitenraum, verdeckt durch eiserne Vorhänge. „Dort bereiten wir weitere Bühnensets vor, die dann im richtigen Moment auf das Hauptpodium gefahren werden“, erklärt Stückl begeistert. Noch etwa zwei Wochen werden laut Technik-Chef Lück die Arbeiten an der Bühne dauern. Dann geht es für das Team darum, sich an die neuen Möglichkeiten zu gewöhnen und die Abläufe einzuüben. Bis zur Eröffnung am 15. Oktober hängen statt der Plakate für die aktuellen Inszenierungen noch Porträts an der Hauswand. „Das sind unsere festen Ensemblemitglieder. Eigentlich sind es 22, aber einer ist nicht zu sehen, der ist zu spät dazugestoßen“, sagt Stückl mit einem Lachen. Das erste Programm fürs funkelnagelneue Theater wird am 9. September vorgestellt, bereits Ende August ist die Theaterkasse wieder besetzt. Bis es losgehen kann, heißt es: Endspurt auf der Baustelle. Angesichts der Arbeit der letzten drei Jahre schnauft Lück durch. „Das war schon enorm.“ Die Zahlen sprechen für sich: So flossen 2900 Wagenladungen Beton in das neue Haus, 5000 Meter Starkstromkabel wurden verlegt. Es gibt 600 Türen! Die Nutzfläche hat sich im Vergleich zum Vorgängerbau mit 11.200 Quadratmeter fast verdoppelt, insgesamt umfasst das neue Theater knapp 26.000 Quadratmeter. Wie man eine so gewaltige Fläche organisiert bezieht? „Wir haben uns Hilfe geholt“, verrät Lück. Mit den Umzugsprofis geht es voran, Stück für Stück ins neue Spielortglück. (Benedikt Strobach / Nadja Hoffmann) - Artikel in der tz München, 17.8.2021, online mit 2 Fotos, und in der Druckausgabe, S. 3 mit 5 Fotos Toi Toi Toi: Ein Neues Haus für das Münchner Volkstheater Nach einem europaweiten Vergabeverfahren mit integriertem Architektenwettbewerb wurden Lederer+Ragnarsdóttir+Oei zusammen mit der Baufirma Georg Reisch als Generalübernehmer mit dem schlüsselfertigen Bau des Theaters beauftragt. Pünktlich nach Zeitplan zu den Theaterferien 2021 waren nach knapp drei Jahren die Bauarbeiten abgeschlossen; dabei wurde auch der Kostenrahmen exakt eingehalten. Auf dem Gelände des ehemaligen Viehhofs im Schlachthofviertel ziehen jetzt die Theaterschaffenden um Intendant Christian Stückl in ihr neues Haus. Auf drei Spielstätten – der Hauptbühne, einer Studiobühne und einer Probenbühne – steht ihnen modernste Technik zur Verfügung [...] Die Freude, mit der das Gebäude entstanden sein muss, ist ohne Zweifel sichtbar. Am 15. Oktober öffnen sich die Türen in der Tumblinger Straße zur Spielzeiteröffnung im neuen Haus. Toi Toi Toi! Vollständiger Artikel von Barbara Zettel im Architekturmagazin Detail mit zahlreichen Fotos und den Bauplänen, 23.8.2021 Englischsprachige Fassung "Break a Leg: a New Home for Munich’s Volkstheater" ~
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~ ~ Die Schauspielerwand vorm Eingang zum Volkstheater in der Brienner Strasse ~ ~ Fotos: Gabriele Neeb - Anklicken zum Vergrössern
Münchner Volkstheater – jetzt Ecke Tumblinger-/Zenettistraße, Tage der offenen Tür am 10.+11.9.2021 Am Samstag, 11.9. gingen mittags die Warteschlangen der Interessierten vor beiden Zugängen am Haus entlang und wieder zurück; ich bekam erst einen Termin für die 16:20 Führung, also konnte ich vorher die Riederinger Musikanten begrüßen und ihnen zuhören. Die Gruppen bestanden mittags noch etwa 20 Personen, nachmittags waren es jeweils mindestens 100 Personen, aber trotzdem war meine Führung durch Markus Weinkopf, den Vorsitzenden der Freunde des Volkstheaters informativ, und die Hinterbühne, die Seitenbühne und die diversen Werkstätten besichtigen und sich auch mit den Mitarbeitern dort unterhalten zu können hat richtig Lust auf die offizielle Theatereröffnung gemacht. Toi, toi, toi! ..... Meine Fotos
Endlich ein eigenes Haus fürs Münchner Volkstheater.
Intendant Christian Stückl sperrt seinen Neubau auf
und startet die Spielzeit. Nach Jahrzehnten in einer
ehemaligen Turnhalle hat das beliebteste Theater in
München nun ein angemessenes Zuhause. Ein Rundgang.
Video von Capriccio, 14.10.2021
Münchner Volkstheater startet mit zwei Uraufführungen im Neubau. Pünktlich fertig und dabei noch nicht einmal teurer als geplant: Der Neubau des Volkstheaters in München zeigt, dass die öffentliche Hand auch ohne Kostenexplosion bauen kann. Jetzt wird die Bühne mit drei Premieren zum Leben erweckt. AZ München, 14.10.2021 Zwei Jahre ohne Theaterbesuch haben ein Ende! Heute, am Donnerstag 14. Oktober die öffentliche Generalprobe vor der morgigen Premiere, die ist dann nur für geladene Gäste. Nachdem Impfnachweise und Ausweise geprüft waren, gabs ein blaues Bändchen ums Handgelenk, und dann konnten die Masken ab. Ein ungewohntes Gefühl. Vorm Eingang tigerte Christian Stückl auf und ab, und da wünschte ich ihm „toi, toi, toi“ fürs Theater, den heutigen Abend und die morgige Premiere, was er ergänzte mit „und auch für die übrigen Premieren“. Vor der Bühne im Saal 1 hing ein roter Samtvorhang – sehr eindrucksvoll, da er über die ganze Breite ging. Es roch noch nach Holz, frischer Farbe, neuen Sitzen und hoffnungsvoller Erwartung. Christian Stückl kam vor die Bühne und wurde von heftigem Applaus am Reden gehindert. Dann erklärte er uns, dass er so sehr aufgeregt wäre und sich aber sehr freuen würde, dass es endlich los ginge. Von gelösten Problemen mit der streikenden Drehbühne erzählte er noch. Dann beglückwünschte er uns 300 Zuschauer (mehr waren Pandemiebedingt nicht erlaubt), dass wir die echten Premierengäste wären, wenn auch ohne die Reden. Der Vorhang öffnete sich – und alles war rosa – um nicht zu sagen pink. Bühnenbild, Thron, Badewanne, Kostüme und Bühnenlicht. Der rosa Prospekt fuhr hoch in den neuen Bühnenturm, und die Drehbühne setzte sich in Bewegung. "Edward II." von Christopher Marlowe (einem Zeitgenossen und Konkurrenten von William Shakespeare), in einer neuen deutschen Übersetzung, in der Regie von Christian Stückl wurde gegeben. Knappe zwei Stunden ohne Pause, und wie bei allen Marlowe-Stücken zieht sich das Ende. Aber es war durchaus beeindruckend – und nackte Haut gabs auch. Nach der Generalprobe verbeugen sich die Schauspieler nicht und eigentlich wird auch nicht applaudiert, aber daran haben wir uns dieses Mal nicht gehalten. Es gab langanhaltenden Beifall, aber nicht nur für Schauspieler und Inszenierung, sondern auch – und vor allem – fürs neue Haus. EFi, 14.10.2021 Münchner Volkstheater startet Saison in Neubau. Die Stadt München gibt ihrem Volkstheater eine neue Bühne. Aus einer früheren Turnhalle geht es nun in einen modernen Theaterbau. Das Interesse des Publikums ist groß. AZ München, 15.10.2021 Mit "Edward II." von Shakespeares Rivalen Christopher Marlowe wird heute das neue Volkstheater eröffnet. Ein Gespräch mit dem Intendanten Christian Stückl, der auch Regie führt. AZ München, 15.10.2021
Am
Donnerstag ,14. Oktober gab es die öffentliche
Generalprobe von "Edward II." mit nur etwa 300
Zuschauern vor der offiziellen Premiere mit
geladenen Gästen am folgenden Abend.
Erste Premiere am Freitagabend mit "Edward II." Vorhang auf im Viehhof: So war die Eröffnung des Münchner Volkstheaters. tz München, 16.10.2021 Münchner Volkstheater: Kritik zur ersten Premiere im neuen Haus - Verbotene Liebe: "Edward II." tz München, 16.10.2021 "Edward II.": Pinke Premiere für das neue Münchner Volkstheater. BR, 16.10.2021 Um 20 Uhr eröffnete die Austro-Pop-Band Granada die Bühne 2 mit einem Konzert. Die Musik zur Premierenparty kam dann von The Hidden Keys. Eröffnung des neuen Volkstheaters: Strahlen, Grinsen, Staunen. Bei der Eröffnungsvorstellung des neuen Münchner Volkstheaters sind die Gäste entzückt vom neuen Gebäude im Schlachthofviertel. Und auch die Darbietung auf der Bühne überzeugt. Süddeutsche Zeitung, 16.10.2021 Ein glücklicher Intendant und eine rauschende Party nach der Premierenvorstellung - die Eröffnung des neuen Volkstheaters in Bildern. Süddeutsche Zeitung, 17.10.2021 Die zweite Premiere am Samstag, 16. Oktober: Ein schauriger Blick in die Zukunft. Mit "Unser Fleisch, unser Blut" weihen Jessica Glause und ihr Team die Bühne 2 im Volkstheater ein. AZ München, 18.10.2021 Die dritte Premiere am Sonntagabend des Eröffnungswochenendes: Postfaktisches Musical. Der Dramatiker Bonn Park inszeniert sein Stück "Gymnasium" im neuen Volkstheater. Mit "Gymnasium", eine "Highschool-Oper", wird im Volkstheater wirklich Neuland betreten. Zum ersten Mal steht ein veritabler Orchestergraben zur Verfügung, der von zehn Studierenden der Philharmonie-Akademie besiedelt wird. AZ München, 18.10.2021 "Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben" gibt es am 30. + 31. Oktober 2021 das erste Mal auf der Bühne 1 (der grossen mit 600 Plätzen) zu sehen. Bei der Pressekonferenz am 8.9.2022 stellten Anton Biebl, Kulturreferent der Landeshauptstadt München, und Intendant Christian Stückl das Programm und alle Premieren der neuen Spielzeit 2022/23 vor: 22.9. Die verlorene Ehre der Katharina Blum, Regie: Philipp Arnold, Bühne 1; 25.9. Pussy Sludge (DSE), Regie: Mirjam Loibl, Bühne 2; 28.10. Feeling Faust, Regie: Claudia Bossard, Bühne 1; 25.11. Die Brüder Karamasow, Regie: Christian Stückl, Bühne 2; 2.12. hildensaga. ein königinnendrama, Regie: Christina Tscharyiski, Bühne 1; 12.1.23 8 1/2 Millionen, Regie: Mathias Spaan, Bühne 2; 27.1. Alles ist aus, aber wir haben ja uns (Unterwasser) (UA), Regie: Bonn Park, Bühne 1; 24.2. Eine neue Inszenierung, Regie: Christian Stückl, Bühne 1; 23.3. Revolution, Regie: Philipp Arnold, Bühne 2; 25.5. europa flieht nach europa, Regie: Anna Marboe, Bühne 2; 9.6. Ein neues Stück, Regie: Nele Stuhler, Jan Koslowski, Bühne 1. Quelle Am letzten Oktoberfesttag, Montag, 3. Oktober 2022 wird es auch wieder einen "Wiesn-Brandner" geben. Christian Stückl bleibt bis Ende der Spielzeit 2029/30 (mindestens) Intendant des Münchner Volkstheaters: Wir freuen uns! Eben haben wir erfahren: Der Vertrag unseres Intendanten Christian Stückl wurde bis Ende der Spielzeit 2029/2030 verlängert. Dies hat der Aufsichtsrat des Münchner Volkstheaters in seiner heutigen Sitzung einstimmig beschlossen. Quellen: Münchner Volkstheater auf Instagram und Facebook, 25.7.2023 Christian Stückl bleibt bis Ende der Spielzeit 2029/2030 Intendant des Münchner Volkstheaters. Dies hat der Aufsichtsrat des Münchner Volkstheaters in seiner heutigen Sitzung einstimmig beschlossen. Stückls bisheriger Vertrag lief bis 2025 und verlängert sich somit um weitere fünf Jahre. Christian Stückl ist seit 2002 Intendant des Münchner Volkstheaters und hat dieses in den letzten Jahrzehnten sehr erfolgreich betrieben, unter anderem durch die Ausrichtung des Festivals „Radikal Jung“ und eine verstärkte Öffnung hin zu einem jüngeren Publikum. Ebenfalls ein Erfolg seines Wirkens ist der Neubau des Volkstheaters, der unter schwierigen Bedingungen im Kosten- als auch Zeitplan 2021 fertiggestellt wurde. Die Auslastung des Theaters lag in der vergangenen Spielzeit (2021/22) bei 88 Prozent und mittlerweile sind die Besucher*innenzahlen fast auf dem hohen Vor-Corona-Niveau angelangt. Bürgermeisterin Katrin Habenschaden, Aufsichtsratsvorsitzende des Volkstheaters: „Ich freue mich sehr über die Vertragsverlängerung mit Christian Stückl. Das Volkstheater ist bei den Münchnerinnen und Münchner sehr beliebt, und das ist das Verdienst von Christian Stückl. Die Inszenierungen sind experimentierfreudig ohne abgehoben zu sein. Das Volkstheater wird seinem Namen gerecht, und das ist das größte Lob, das man unserem städtischen Haus aussprechen kann. Christian Stückl und das Münchner Volkstheater – das passt einfach. Ich freue mich, dass wir diese Erfolgsgeschichte fortsetzen.“ Kulturreferent Anton Biebl: „Christian Stückl und sein Team schaffen es, das Volkstheater stets weiterzuentwickeln. Die Zusammenarbeit mit vorwiegend jungen Theaterschaffenden, für die Diversität ganz selbstverständlich ist, zeichnet das Programm des Volkstheaters aus. Immer wieder entdeckt Stückl neue Talente, die er fördert und denen er eine Bühne gibt. Der Theaterpreisträger der Stadt verbreitet eine ansteckende Leidenschaft – er hat sich dem Theater mit seiner gesamten Persönlichkeit verschrieben.“ Christian Stückl: „Gemeinsam mit vielen Beteiligten ist es gelungen, ein neues Theater zu bauen. Ich freue mich sehr, es über die Startphase hinaus künstlerisch verantworten zu dürfen. Für das große Vertrauen, das mir all die Jahre entgegengebracht wird, bedanke ich mich.“ Quelle: Rathaus Umschau 140/2023, 25.7.2023 Interview mit Christian Stückl: "Ich habe immer an Veränderungen geglaubt" (oder: Ein Mann, ein Ort) Christian Stückl soll bis 2030 Intendant des Volkstheaters bleiben. Dann wird er fast drei Jahrzehnte lang die Münchner Theaterszene geprägt haben. Grund genug, um über das zu reden, was geht und was bleibt. Die Sommerpause hat begonnen, deswegen stört die Baustelle vor dem Volkstheater nicht. Auf dem Vorplatz steht großes Gerät, Erneuerungen an der Pflasterung. Drinnen im Theater ist es weitgehend leer. Für Intendant Christian Stückl endet gerade die zweite Spielzeit im neuen Haus, seine 21. insgesamt am Volkstheater. Und er soll noch bleiben – sein Vertrag wurde soeben bis 2030 verlängert, da wäre er dann 28 Jahre Intendant. So lange wie Dieter Dorn an den Kammerspielen und dem Residenztheater zusammen. Seit mehr als vier Jahrzehnten prägt er zudem die Passionsspiele in Oberammergau. Ein guter Moment, um mit dem heute 61-Jährigen über Neuanfänge, Veränderungen, Zukünftiges und Vergangenes, eben über Zeit zu sprechen. SZ: Herr Stückl, wie ist es, wenn Sie an die Zukunft denken und jetzt eigentlich schon wissen, wo Sie in fünf Jahren stehen werden? Christian Stückl: Meine Position in fünf Jahren ist klar. Aber durch Corona und auch durch das Alter werfen sich viele neue Fragen auf. Man möchte an der Zeit dranbleiben, an dem, was passiert. Und das ist nicht einfach, auch nicht, die richtigen Fragen zu stellen: Was ist das Wichtigste? Was bewegt uns im eigenen Umfeld? Was bewegt uns weltweit? Mit was kann man im Theater reagieren, auf die Zeit antworten? Und man merkt, es wird immer schwieriger, je älter man wird. SZ: Warum wird es schwieriger? Weil du spürst: Mit 18 hat es Spaß gemacht, „Stoppt-Strauß“-Plaketten zu tragen und nach Wackersdorf zu fahren. Und dann merkt man, die ganzen Überlegungen und die Proteste von damals, die haben überhaupt nicht gefruchtet. Natürlich verändert sich die Welt. Trotzdem hat man das Gefühl – besonders wenn du das Klima anschaust – dass da fast gar keine Bewegung mehr drin ist. Je jünger du bist, umso mehr möchtest du die Welt verändern. Je älter du wirst, umso mehr merkst du, wie unbeweglich die Welt eigentlich ist. Das ist das Schwierige am Älterwerden. Ich möchte aber trotzdem jede Frage in die Welt schreien. SZ: Wo spüren Sie das Schwierige denn? Ein Beispiel: Früher war für mich Kirche ein wahnsinnig wichtiger Punkt, und ich habe mich extrem viel damit beschäftigt. Ich habe viel über Religion geredet. Und heute denke ich mir: Da ist nichts, da ist keine Bewegung mehr drin in der Kirche. Die geht kaputt. SZ: Aber braucht man nicht gerade als Theatermensch den Glauben an die Veränderbarkeit der Welt? Ja. Den lasse ich mir auch nicht nehmen. Ich möchte die Fragen hinausschreien. Trotzdem ist da das Gefühl: Schrei nicht so laut, es wird sich so oder so nicht verändern. SZ: Das klingt pessimistisch. Na ja, egal wie, ich habe immer an Veränderungen geglaubt. Ob es in Oberammergau war, ob es hier in München war. Heute steht hier ein neues Volkstheater. Die Stadt hat in den 2000er-Jahren nicht geglaubt, dass das Volkstheater eine Zukunft hat. Ich schon. Und ich habe gesagt, wir bauen irgendwann eins. Und da steht es jetzt auch. Ich glaube an Veränderungen, aber man merkt, wie schwierig sie sind, wie unerträglich schwierig sie sein können. Ich befasse mich zum Beispiel seit 40 Jahre mit Fragen zum Antisemitismus. Und in der Corona-Zeit ploppte der plötzlich wieder so hoch. Man denkt sich, wie unglaublich schwerfällig diese Sachen sind. Wie sehr sie in den Köpfen der Leute drinhocken und immer wieder hochkommen. Eine Haltung, wie sie die AfD jetzt hat – man glaubt es nicht. Man weiß auch nicht, was man machen kann, und läuft sehenden Blickes da hinein. SZ: Kommen wir zu Ihrem Anfang 2002: Empfanden Sie den Start damals als schwierig? Vor 21 Jahren sollte das Volkstheater eigentlich geschlossen werden. Aber dann hat die Stadt sich doch entschlossen, es noch einmal ein bisschen weiterzuführen. Also bekam ich einen Fünf-Jahres-Vertrag, aber mit einer Ausstiegsklausel nach drei Jahren, falls wir das Haus nicht mehr hochbekommen. Ich wollte dem Volkstheater ein neues Profil geben. Rückwirkend muss man sagen: Die ersten fünf Jahre ging es nur darum, das Haus auf die richtigen Gleise zu setzen, aus den roten Zahlen rauszubringen. Das ist relativ schnell gelungen. Schon in der ersten Spielzeit sind die Zuschauerzahlen bei mir nicht eingebrochen – was bei einem Wechsel leicht sein kann – sondern leicht gestiegen. Und dann stiegen sie kontinuierlich weiter. SZ: Was ist denn der größte Unterschied von 2002 im Vergleich zu heute? Der größte Unterschied ist: Ich habe am Anfang aus einer großen Not heraus gehandelt. Das Resi und die Kammerspiele waren die beiden großen Theater, das Volkstheater stand ganz am Rand. Das hat man ganz stark an den Subventionen gemerkt. Die zwei haben 33 Millionen damals schon gekriegt, wir vier Millionen. Aus dieser Not habe ich eine Tugend gemacht. Ich habe gesagt: Okay, die großen Schauspieler kann ich mir nicht leisten. Mein Verwaltungsdirektor meinte: Du nimmst einen Star und zehn billige. Das ist aber nicht meine Herangehensweise. Also habe ich total auf die guten, jungen gesetzt. SZ: Das haben Sie ja beibehalten. Wir sind auf einem richtig guten Niveau, ich mag das total gern, dass die Schauspieler sich alle vier Jahre wieder verändern. Dass du das Gefühl hast, da ist immer ein Fluss drin. Wir stellen sie ein, wenn sie ganz frisch von der Schule kommen. Nach drei, vier Jahren überlegen alle, ob sie wechseln. Da ist eine automatische Fluktuation drin. Und das finde ich bis heute total gut und richtig, und ich möchte das auch gar nicht umstellen. SZ: Das Ensemble in München und auch in Oberammergau ist jung. Bleibt das eine ewige Frischekur für Sie? Ich mag das total gern, mich mit Jüngeren auseinanderzusetzen. Aber es muss schon auf einer Ebene bleiben, auf der man selbst weiß, wie alt man ist. Wenn man ein überreifer Apfel ist, der nicht vom Baum runter will, ist es ja auch nicht so spannend. Ich kann mit meinem Alter ganz gut umgehen. Als wir jung waren, hat keine Party lang genug dauern können. Heute denke ich: Ach komm, ich verpasse nichts, wenn ich nicht dabei bin. SZ: Was hat die Zeit denn nicht verändert? Ganz wenig ist gleich geblieben. Ich glaube, du kannst froh sein, wenn du bestimmte Freunde über diese lange Zeit behältst. Grundsätzlich ist kein Jahr wie das andere. Und ich hasse eines: Copy and Paste. Ich hasse es, wenn beispielsweise in unserem Programm fünfmal der gleiche Fehler steht, weil er jedes Mal kopiert wurde. Aber grundsätzlich kann ich kein Jahr mit dem anderen vergleichen. Es kommt immer anderes: dieser Bau, Corona, immer wieder neue Schauspieler. SZ: Wenn Sie bis 2030 bleiben, sind die 28 Jahre Intendant in München. Zusammen mit Dieter Dorn dann sicher einer von Münchens prägenden Intendanten. Es ist schon eine lange Zeit. Ich glaube auch, dass ich hinterher sagen kann, ich habe einiges geschaffen, und wenn man auf das neue Haus schaut: auch Bleibendes. Und ich glaube, ich habe die Theaterlandschaft in München schon auch mitbeeinflusst. Aber was dann bleibt, das wird Jahre später bewertet. Da sieht man, wie prägend es wirklich war. SZ: Ohne Sie gäbe es den Volkstheater-Neubau nicht. Was kann da noch kommen, was haben Sie noch für Ziele? Ich glaube, ich mache mir auch da keine Pläne. Ich fahre jetzt nach Indien, da habe ich einmal gearbeitet, und ich weiß, ich würde da gerne noch einmal arbeiten. Ich würde auch gerne die Inder mit nach München bringen. Ich finde es auch spannend, dass die Stadt in keinem städtischen Betrieb einen Betriebskindergarten hat. Wir haben jetzt ein Pilotprojekt für einen Betriebskindergarten. Hinzu kommt, gerade in dem Neubau fällt es mir extrem auf, wie viel Zeit das Theater leer steht. Da frage ich mich, ob wir nicht über den Abend hinaus die Verpflichtung haben, die Leute viel stärker ans Theater heranzuführen. Wie kriegt man das hin, dass das Haus auch am Tag lebt und dass da drinnen am Tag etwas passiert? Ich glaube, wir sind mit dem Theater nie am Ende. Man kann immer weiter denken. Aber: Ich werde nicht noch einmal so ein Haus hinstellen (lacht). SZ: Was macht die lange Zeit in dieser Aufgabe mit einem? Das kann man wahnsinnig schlecht selbst bewerten. Andere können dich leichter beobachten. Man beschäftigt sich ja nicht mit sich selbst, wenn man das macht. SZ: Reagiert man anders auf die Gegenwart mit zunehmender Berufserfahrung? Für mich ist es schon immer wichtig, dass ich auf Themen reagiere, die in der Luft liegen. Zum Beispiel bei „Julius Caesar“ jetzt in Oberammergau, die ganze Kriegsthematik darin, die liegt ja in der Luft. Manchmal will ich aber auch etwas ganz Ruhiges machen, einfach nur ein Stück. Jetzt mache ich beispielsweise zu Beginn der Spielzeit einfach eine Komödie von Shakespeare. SZ: Wie sieht es denn in Oberammergau aus, wollen Sie Ihre fünfte Passion inszenieren? Letztlich bestimmt das bei uns der Gemeinderat. Ich hätte noch einmal Lust. Mehr brauche ich dazu nicht zu sagen. Ich habe da viel Zeit und Energie hineingesteckt. Natürlich überlege ich, wer wird das einmal nach mir machen. Aber ich bin sicher, dass die oder der Nachfolger schon kommen wird. Die ganz Jungen, die sind richtig gut da draußen, die sind richtig lebendig dabei, und ich merke, wie manche mich genau beobachten. Und ich hoffe, dass sich da etwas entwickelt. SZ: Können Sie sich eigentlich eine Zeit ohne Theater vorstellen? Mein Leben hier und jetzt und heute ist schon sehr stark geprägt von Theater. In Indien zum Beispiel ist man plötzlich in einem total anderen Umfeld. Da schaut dir die Armut manchmal so zu den Augen hinein, dass dir schwindelig wird. Da denke ich mir schon, es gibt noch wichtigere Sachen als das Theater. Aber es ist ein innerer Kampf, zu sagen, jetzt konzentriere ich mich auf etwas anderes. Aber ich glaube, es ist auch nicht verkehrt. Ich beobachte viele in meinem Alter, denen es langweiliger ist als mir. Und mir ist überhaupt nicht langweilig. Interview von Yvonne Poppek für Süddeutsche Zeitung, 4.8.2023 Christian Stückl hat am 14. September die Spielzeit 2023/24 an seinem Münchner Volkstheater vorgestellt. Dabei fand der Intendant auch klare Worte zum Skandal um Hubert Aiwanger. Klar, der Skandal um das menschenverachtende Flugblatt aus dem Hause Aiwanger treibt sie auch am Münchner Volkstheater um. Ganz besonders hier. Denn Intendant Christian Stückl und sein Team legen seit vielen Jahren großen Wert auf die Erinnerung an die Schoah – der „Tag der Quellen“ und die „Gespräche gegen das Vergessen“ sind nur zwei Beispiele für das Engagement der städtischen Bühne. Beide Veranstaltungen wird es auch in der Saison 2023/24 geben, sie sind heuer für 8. November 2023 angekündigt. Wie kann und sollte Erinnerungskultur aussehen, wenn die letzten Zeitzeugen des Nazi-Terrors und der Vernichtung des europäischen Judentums gestorben sind? Diese Frage treibt Stückl um, wie er bei der Vorstellung der neuen Spielzeit erklärt: „Es ist wichtig, dass wir darüber reden. Dazu muss man sich nur den Fall Aiwanger anschauen. Ich kann nicht verstehen, warum der noch im Amt ist.“ [...] Es sind elf Premieren (darunter zwei Uraufführungen), die in der neuen Spielzeit am Volkstheater herauskommen.[...] Wie berichtet, wurde Stückls Vertrag gerade bis 2030 verlängert; auf die zurückliegende Spielzeit blickt er zufrieden: „Es ist uns relativ gut gegangen.“ Die Auslastung lag 2022/23 im Schnitt bei 82 Prozent; etwa 130 000 Menschen haben die rund 380 Veranstaltungen des Hauses im Schlachthofviertel besucht. Zum Vergleich: Am einstigen Standort an der Brienner Straße kamen pro Saison etwa 100 000. Die Eintrittspreise am Volkstheater bleiben – trotz allgegenwärtiger Teuerungen – übrigens unverändert; auch in der Spielzeit 2023/24 kostet keine Karte mehr als 39 Euro. „Preiserhöhungen sind im Augenblick nicht dienlich“, ist Stückl überzeugt. Schließlich sollen möglichst viele Leute ins Theater gehen und sich dort überraschen lassen. Von Michael Schleicher, Münchner Merkur, 15.9.2023 Christian Stückl: "In zwei Jahren droht dem Volkstheater die Insolvenz" Volkstheater-Intendant Christian Stückl warnt eindringlich vor den hohen Einsparungen, die der Kultur bevorstehen – und stellt einen Spielplan mit 13 Premieren vor, die die Rolle des Theaters für Demokratie und Gesellschaft untermauert. Für Christian Stückl kommt die Kunst vor den Finanzen, das ist bei einer Pressekonferenz zur kommenden Spielzeit 2024/25 ganz klar. So stellen er und sein Team im Foyer des Volkstheaters zunächst mal das Programm der nächsten Saison vor. Aber man spürt bei Stückl eine Unruhe, die sich später in einer ausführlichen Rede entlädt, bei der er auch von einem drohenden "Kahlschlag der Kultur" spricht. Denn es braucht natürlich Geld, um die Kunst zu finanzieren. Das ist ebenfalls ganz klar. Wobei: Dem Münchner Stadtrat ist es offenbar nicht ganz klar, denn er plant - weitere - massive Kürzungen für die städtischen Theater, inklusive Kammerspiele und Freie Szene, die man nicht für möglich halten möchte. Doch zunächst mal: die Kunst! Das Volkstheater startet am 26. September 2024 in die nächste Saison [...] Das angesichts eines klaffenden Haushaltslochs gespart werden muss, möchte Stückl gar nicht von der Hand weisen. Nur sind die Entscheidungen der Stadt so kurzfristig und massiv, dass er die Abläufe in seinem Haus kurzerhand umstrukturieren müsste, inklusive mehrfache Kündigungen, um irgendwie weitermachen zu können. Zudem "werden wir überproportional gezwungen zu sparen", sagt Stückl und meint dabei nicht nur sein eigenes Theater, sondern auch die anderen, ja, die Kultur insgesamt. "Die Stadt wusste bei diesem Haus, auf was sie sich einlässt", sagt Stückl, weist dabei auf die erhöhten Kosten hin, die der Neubau mitsamt Technik und erweitertem Team nun mal, auch für die kommenden Spielzeiten, mit sich bringt. Ein Neubau übrigens, der innerhalb des veranschlagten Zeit- und Kostenplans im Schlachthofviertel errichtet wurde und das Publikum von Beginn an magnethaft anzog. Über 80 Prozent Auslastung hatte das Volkstheater im letzten Jahr, 130 000 Zuschauer kamen, Tendenz steigend. Das Haus läuft also gut, so Stückl, "und jetzt passiert plötzlich etwas und nicht nur uns." Die Rücklagen sind aufgebraucht Den jährlichen Betriebsmittelzuschuss von 18,25 Millionen Euro greift die Stadt zunehmend an: Zunächst musste das Volkstheater im letzten Jahr die Tariferhöhungen, die normalerweise die Stadt übernimmt, selbst erwirtschaften. Das sind 1,2 Millionen Euro, die das Haus nur deshalb übernehmen konnte, weil es aufgrund seiner Erfolge auf Rücklagen zurückgreifen konnte. Zudem teilte die Stadt nun Stückl mit, dass weitere 1,7 Millionen Euro eingespart werden müssen. Sprich: Insgesamt sollen dem Volkstheater in dieser Saison 2,9 Millionen Euro weniger zur Verfügung stehen. "Das ist nicht möglich!", sagt Stückl und ergänzt später, dass er, wenn es in dem Stile weiter gehe, in eineinhalb bis zwei Jahren womöglich Insolvenz anmelden müsse, da das Volkstheater eine GmbH ist und Schulden von der Stadt nicht aufgefangen werden. Erhöhte Eintrittspreise sind keine Lösung. Um den Fehlbetrag so wettzumachen, müsste jedes Ticket, auch für Schüler, um 20,50 Euro erhöht werden, bemerkt Stückl. Die Ausgaben sind in den letzten Jahren sowieso schon beachtlich gestiegen. Allein die Materialkosten für die Bühnenbilder, die für die Saison-Premieren gebaut werden, beträgt rund 500 000 Euro. Wie stellt sich die Stadt das also vor, fragt man sich: Das in Zukunft nur noch auf leeren Bühnen mit ein, zwei Personen gespielt wird? "Wir brauchen das Geld. Wir geben es nicht unnütz aus!", sagt Christian Stückl. Und zeigt Verständnis für das Dilemma des Stadtrats: "Ich habe selbst im Gemeinderat von Oberammergau gearbeitet". Beruhigt sich selbst: "Wir stehen nicht vor einem Abgrund". Der Stadtrat gab ihm die Zusage, dass er das Volkstheater nicht pleitegehen lässt. Angesichts der Sparpläne kann es einen dennoch nur gruseln. Den kulturellen Kahlschlag, der sich da anbahnt, kann die Stadt München nun wirklich nicht wollen. Von Michael Stadler, AZ München, und von Yvonne Popek, Süddeutsche Zeitung, 13.9.2024 Die geplanten Millionenkürzungen gefährden die städtischen Theater Münchens. Kammerspiel-Intendantin Barbara Mundel und Volkstheater-Intendant Christian Stückl über ein drohendes Aus – und die Absicht zu kämpfen. „Demokratie ist Kultur. Theater wird von Menschen für Menschen gemacht. Die Haushaltslage der Stadt ist angespannt, aber das Volkstheater und die Kammerspiele sind mit den ihnen anvertrauten Geldern sehr verantwortlich umgegangen. […] Diese Summen bedeuten das Aus für die Kammerspiele. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemand wirklich will.“ Barbara Mundel „Warum ausgerechnet wir so überproportional einsparen müssen, ist nicht nachvollziehbar. […] Ich habe vor der Saison-Pressekonferenz das Personal zusammengerufen und informiert. Ich habe versucht, die Ruhe zu halten und zu sagen: Ihr wisst, ich werde für Euch kämpfen, ich werde für die Erhaltung des Theaters kämpfen.“ Christian Stückl Zum Interview von Yvonne Poppek für Süddeutsche Zeitung, 9.10.2024
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